Annabel Schasching ist Österreichs „Spielerin der Saison“. Im Gespräch mit abseits.at spricht die Kapitänin des SK Sturm über die Entwicklung im heimischen Frauenfußball, gestiegene... Sturm-Kapitänin Schasching: „Richtung stimmt, aber es geht noch mehr“

Annabel Schasching ist Österreichs „Spielerin der Saison“. Im Gespräch mit abseits.at spricht die Kapitänin des SK Sturm über die Entwicklung im heimischen Frauenfußball, gestiegene Aufmerksamkeit und darüber, dass Kickerinnen die passende Infrastruktur oft viel mehr bedeutet als das große Geld.

In nicht einmal einem Monat beginnt in England mit dem Eröffnungsspiel England gegen Österreich die Europameisterschaft der Damen. Dieser Tage hat Teamchefin Irene Fuhrmann den Kader für das erste Vorbereitungscamp einberufen. Was auffällt: die aktuell beste Spielerin in Österreichs Bundesliga ist noch nicht dabei. Annabel Schasching vom SK Sturm wurde unter anderem von den Trainern der Damen-Bundesliga zur Spielerin der Saison gewählt.

Kann sich Fuhrmann den Luxus leisten, die Spielmacherin der Grazer nicht zum Turnier mitzunehmen? Noch steht der endgültige 23-köpfige Kader um Sarah Zadrazil, Viktoria Schnaderbeck, Carina Wenninger und Co. nicht fest, nach wie vor besteht für Schasching die Chance beim Turnier auf der Insel dabei zu sein. Immerhin hat sie bei den Lehrgängen der ÖFB Equipe ihr Potential schon unter Beweis gestellt. Und:  „Ich habe nicht erst in der abgelaufenen Saison gezeigt was ich kann. Den Rest muss ich passieren lassen. Die Hoffnung dabei zu sein ist nach wie vor aufrecht„, sagt Schasching im Gespräch mit abseits.at am Trainingsgelände des SK Sturm.

15 Tore hat sie in der letzten Saison erzielt, mit Sturm wurde souverän Platz 2 geholt. Hinter Liga-Krösus und Serienmeister SKN St. Pölten, gegen den es auch im Cupfinale mit einem 0:2 das Nachsehen für die Grazerinnen gab. Eine Parallele tut sich da zu den Herren auf: auch die holten hinter Dominator Salzburg den Vizemeistertitel, mit Jakob Jantscher stellte man ebenso den „Spieler der Saison“. Einen gewissen Stolz auf ihre Leistung die sie vor alle Spielerinnen St. Pöltens in der Spielerinnen-Wahl gesetzt hat, hat Mittelfeld-Motor Schasching „zumindest ein bissl im Hinterkopf“.

In unmittelbarer Zukunft liegt wie gesagt die Euro – aber nicht nur. „Auch die Champions League Quali mit Sturm steht nach der Sommerpause an. Darauf freue ich mich sehr, das wird ein Highlight für uns alle.“ Schasching, geborene Oberösterreicherin und selbst von St. Pölten 2020 zu Sturm gekommen, legt den Fokus also aktuell klar auf ihr Team. Der Schritt ins Ausland ist trotzdem Teil des Karriereplans. „Ich möchte den Schritt wagen, ja. Details habe ich noch nicht im Kopf, aber wenn ich mir eine Liga aus dem Stand aussuchen dürfte, wär’s Spanien„, sagt die 19-Jährige. Madrid oder Barcelona? „Ganz klar Barca„, kommt’s wie aus der Pistole geschossen. Die Katalaninnen halten seit dem Frühjahrs-Classico gegen Real mit 91.553 Zuschauerinnen und Zuschauern den europäischen Rekord für die Besucherzahl eines Damen-Fußballspiels.

Gender-Gap am Feld? Lieber gleiche Wertschätzung

Gegenwärtig sind solche Ziele noch ein Traum für die 19-jähirge. Genauso wie eine finanzielle Angleichung der Gehaltsschemata zwischen Herren- und Damenfußball. „Dass man in Österreich nicht wie bei Damen-Großclubs PSG, Barcelona. Wolfsburg oder Potsdam abkassieren kann, ist klar. Und auch dass Frauen so schnell nicht gleich bezahlt werden wie die Männer genauso.  Aber das ist auch gar nicht das, was für mich und die meisten Kickerinnen in Österreich im Vordergrund steht. Und geht es in erster Linie um etwas anderes„, so Schasching, und präzisiert: „Wir sind zufrieden, wenn die Infrastruktur für unseren Sport stimmt – gut ausgestattete Kabinen, Kraftkammer und generell entsprechende Trainingsmöglichkeiten sind wichtiger als das große Geld.“ Selbstverständlich sind diese Bereiche, die im Männerfußball Grundvoraussetzung bei jedem Club sind, noch nicht. „Auch bei Sturm wäre sicher noch etwas möglich. Es fehlt zwar nicht an der Infrastruktur, aber die Frauenabteilung kann die Möglichkeiten noch nicht regelmäßig nutzen.

Mehr im Fokus

Apropos Infrastruktur. Wie nimmt die „Spielerin der Saison“ die Entwicklung in österreichischen Damen-Kick wahr? „Seit dem sensationellen Turnier 2017 hat sich viel getan, vor allem unmittelbar danach. Dann ist meiner Meinung nach wieder ein kleiner Knick entstanden und in der letzten Zeit geht wieder mehr weiter.“ Das sehe man an den Zuschauerzahlen – die Zeiten in denen nur Familienangehörige bei den Spielen sind, gehören der Vergangenheit an –  und „dass man generell mehr Anerkennung für den ausgeübten Sport bekommt. Der Zugang ist ein breiterer.“

Zurückzuführen ist das auch auf das ausgebaute Marketing der Liga. „Die Live-Spiele pushen schon, ORF Sport plus ist da ein guter Partner. Und auch Social Media spielt eine große Rolle. Mit Videos, Vor- und Nachberichten, Highlights etc. bringt man den Frauenfußball schneller an die User heran.“ Die Richtung stimme, trotzdem findet Schasching „dass da sicher noch mehr geht„. Beispielsweise Spiele in großen Stadien. Wie jenes Heimspiel von Schasching und Co. im Mai gegen Neulengbach (3:2) im Liebenauer Stadion. Und siehe da: schon war der nationale Zuschauerrekord mit 1704 Fans gebrochen. Also: es geht doch. Trotzdem sei Tatsache: „Unsere Liga kommt in kleinen Schritten vorwärts, die Clubs treiben einen enormen Aufwand. Trotzdem sind wir um internationalen Vergleich noch recht weit hinten.“

Verein als „großes Ganzes“

Zurück zu Sturm, und der besten Saison, die die Damen der Grazer bisher spielten, inklusive Punkterekord. Einen großen Anteil am Erfolg hat für Schasching der Übungsleiter, Christian Lang. Was macht dessen Arbeit besonders? „Ich denke, es liegt unter anderem daran, dass er uns Spielerinnen viel selbst entscheiden lässt. Dadurch kommt eine Dynamik in Gang, dass viele von uns schnell gelernt haben Verantwortung im Spiel zu übernehmen. Das wiederum hat uns in der letzten Saison in Drucksituationen ausgezeichnet. Die haben wir überbrückt indem jede am Feld wusste wie sie auf die jeweilige Situation zu reagieren hat.“

Co.-Trainerin und Ex-Spielerin Emily Cancienne spielt ebenso eine wichtige Rolle. „Sie bringt den weiblichen Part des Betreuerstabes ideal ein. Emily wird einmal eine richtig gute Trainerin sein, weil sie sehr engagiert und klar ihr Wissen weitergibt.“ Selbst hat Schasching, die sich in der Sommerpause am liebsten daheim in Oberösterreich bei Familie und Freunden entspannt, noch wenig Ambitionen selbst einmal das Trainerzepter bei einem Club zu übernehmen. „Ich weiß nicht ob das was für mich ist. Im Kinderbereich, bei den ganz kleinen die gerade anfangen, am ehesten.“ Sollte es, Gott bewahre, mit der langfristigen Karriere im Fußball nicht werden, hat sie „noch keinen fixen Plan. Aber einen Plan B musst du auf alle Fälle haben. Aktuell schiele ich ein bisserl in Richtung Journalismus.“

Um beim Thema Zukunft zu bleiben, was wäre denn gegenwärtig ein Anliegen der „Spielerin der Saison“?  „Dass im Fußball der Damen- und der Herrenbereich in den Clubs enger zusammenwächst. Dass das große Ganze gesehen wird. Man muss ja nicht jeden Tag mit einem Spieler der Herrenmannschaft auf einen Kaffee gehen, aber emotional und vermarktungstechnisch enger zu kooperieren wäre wünschenswert.  Auch bei Sturm ist da noch was machbar – gerade hier lebt man doch von den Emotionen rund um den Verein der in der Stadt und im Bundesland immerzu Thema ist. Der Verein als ‚großes Ganzes‘, so würde ich es beschreiben.“ Würde im Grazer Fall passen, wenn man schon bei beiden Geschlechtern den und die Beste der Liga stellt…

Philipp Braunegger, abseits.at

Philipp Braunegger