Vastic neuer Mattersburg-Trainer: Zwischen großer Skepsis und letzter Chance
Sonstiges 26.Dezember.2013 Pascal Günsberg 2
Ivica Vastic hat einen neuen Job. Er soll den SV Mattersburg vor einem weiteren Abstieg bewahren und der Öffentlichkeit beweisen, dass er es besser kann als bei der Wiener Austria gezeigt. Doch die große öffentliche Skepsis kommt nicht von ungefähr. Pascal Günsberg gewährt in einer Kolumne Einblick in Vastic‘ violettes Scheitern, die öffentlich teils noch unbekannt, intern allerdings umso entscheidender waren.
Nachdem man Alfred Tatar viel zu wenig Zeit gab und nach nicht einmal vier Monaten auch schon wieder beurlaubte, übernahm dessen Vorgänger Franz Lederer für weitere acht Spiele. Eine ebenso ungute Idee, genießt der nunmehrige Sportdirektor nach neun nur anfangs erfolgreichen Jahren als Trainer der Burgenländer schließlich nur mehr wenig Ansehen in der Mannschaft. Wenig verwunderlich, dass der 50-Jährige das Ruder auch nicht mehr umreißen konnte und mit einem Punkteschnitt von 0,63 Punkten in acht Spielen noch auf den sechsten Platz hinabrutschte.
Von Waidhofen über die Austria nach Gaflenz
Doch der schlechten Lage zum Trotz geht der Bundesliga-Absteiger mit seiner neuesten Trainerbesetzung ein großes Risiko ein. Ivica Vastic bekommt nach seinem Debakel bei der Wiener Austria eine wohl letzte Chance im Profifußball Fuß zu fassen und wird von den Mattersburgern mit einem Halbjahres-Vertrag bis Juni (mit Option auf zwei weitere Jahre) ausgestattet. Nach seiner erfolgreichen Fußballerkarriere wechselte der gebürtige Kroate 2009 in das Trainergeschäft und wurde mit dem FC Waidhofen/Ybbs prompt Meister der Regionalliga Ost. 2010 folgte der Wechsel zu den Austria Amateuren, die er eineinhalb Jahre erst sehr erfolgreich, aber schon bald unter den Erwartungen führte. Dennoch folgte im Dezember 2011 die Beförderung zum Cheftrainer der violetten Kampfmannschaft. Ein halbes Jahr und nur acht Siege in 19 Spielen später war dies auch schon wieder vorbei. Genauso wie der gute Ruf des mittlerweile 44-Jährigen.
„Ivo“ wurde als Sündenbock für das Verpassen eines internationalen Startplatzes gesehen. Auch die Gerüchte, nur über Austria-Sponsor Harreither in diese Position gekommen zu sein, schadeten seinem Ansehen. Tatsächlich war besagter Sponsor allerdings nicht nur bei den Veilchen, wo er das Gehalt des Trainers gezahlt haben soll, sondern auch in Waidhofen und nun beim niederösterreichischen Viertligisten SV Gaflenz, den Vastic in dieser Herbstsaison betreute, entscheidend eingebunden. Mit seinem neuesten Arbeitgeber hat die Firma allerdings nichts am Hut. Dort entschied laut eigenen Angaben ein genaues Auswahlverfahren mit mehreren Gesprächsrunden, in denen letztlich Ex-KSV-Trainer Klaus Schmidt der größte Konkurrent war.
Schlechte Außendarstellung
Während seiner Amtszeit am Verteilerkreis hatte Ivica Vastic unter Fans und Medien wenig Ansehen und Fürsprecher. Vor allem seine schlechte Außendarstellung machte ihm zu schaffen. Ohnehin nie sonderlich kommunikativ, gab er sich nach Niederlagen selten selbstkritisch, führte das Scheitern stets viel mehr auf äußerliche Umstände wie Schiedsrichter, Boden oder gar Ball zurück. Doch tatsächlich war es viel mehr Selbstverschulden. Die Veilchen zeigten katastrophalen Kick und produzierten unerklärliche Eigenfehler. Diese waren aber nur geringfügig auf die Spieler selbst zurückzuführen. Viel mehr auf dies, was im Hintergrund unter der Regie des Trainers lief.
Denn bei der Wiener Austria – sowohl den Amateuren als auch der „Ersten“ – leistete sich Vastic viele Fehler:
Training/Vorbereitung
Ivica Vastic war bei der Austria bekannt für seine langen Trainingseinheiten. In den meisten Fällen dauerten sie über zwei Stunden (unter den meisten österreichischen Trainern nur 75-100 Minuten) und waren dadurch auch deutlich weniger intensiv als gewohnt. Viele Stehzeiten setzten die Intensität auf ein noch niedrigeres Level, diese entstanden vor allem durch die vielen Trainingsunterbrechungen des Trainers selbst, der zu vielem etwas zu sagen hatte.
Auch die Vorbereitung war ungewohnt locker und wenig intensiv. Es wurde ein sehr geringer Trainingsaufwand betrieben, wodurch die Spieler in den ersten Spielen noch besser drauf waren. Dies war nicht nur bei dieser Trainerstation des 44-Jährigen zu bemerken. Mit Fortdauer der Saison gehen die Spieler jedoch mehr und mehr ein, weil die körperlichen Grundlagen, an welchen man normal in der Vorbereitung arbeitet, vernachlässigt werden.
Kommunikation
Ein oft unterschätztes Mittel des Erfolgs sind Kommunikation und Menschenführung. Was, um beim Beispiel Austria zu bleiben, später Peter Stögers Trumpf war und nun auch für Nenad Bjelica ein Problemfeld ist, war für Vastic ein noch viel größeres. Zwischen Mannschaft und Trainer war eine große Distanz gegeben.
Die Spieler hören zwar oft seine Stimme, kommentiert er im Training schließlich alles, wirkliche Gespräche entstanden allerdings nur mit Spielern kroatischer Herkunft, mit welchen Vastic in seiner Muttersprache redete. Alle anderen wurden nur mit Anweisungen bedacht, Gespräche über die persönliche Lage existierten nicht und waren auch auf Eigeninitiative eines Spielers nicht möglich.
Wie bereits erwähnt, unterbrach Vastic das Training gerne, um seine Anweisungen zu korrigieren oder um zu urteilen. Dabei gab es selten Lob, ganz im Gegenteil sogar. Den Spielern wurde jegliches Selbstvertrauen – ein ebenso gerne unterschätztes Erfolgsmittel – genommen, allen voran dadurch, dass er auch Dinge, die man ohnehin gerade ausführt oder ganz genau weiß, zig Mal gesagt wurden, dadurch den Spielern kein Gefühl des Vertrauens gegeben wurde.
In seinen Ansprachen hielt sich „Ivo“, der sich dabei sehr auf seine aktive Karriere bezog, was man als Vor- und Nachteil sehen kann, selten kurz. Speziell in den Spielvorbesprechungen hielt er sich sehr lange und vor allem eintönig. Dadurch fiel die Konzentration schnell ab. Zwar ging er stets konkret auf den jeweiligen Gegner ein, passte auf diesen jedoch nie sein System an.
Aber nicht nur etliche Spieler hatten ein Problem mit seiner Führung, auch das Trainerteam selbst spaltete sich in der kurzen Zeit. Vastic bekam Unterstützung von Co-Trainer Damir Ozegovic, der schließlich ebenso gehen musste und stellte sich gegen die weiteren Assistenten Manfred Schmid sowie Franz Gruber, die auch nach der Ära blieben und unter Stöger großen Anteil am Meistertitel hatten. Gemeinsam versuchten sie vor allem kuriose Personalentscheidungen des Trainers zu verhindern. Erfolglos. Oft erfuhren sie diese, obwohl selbst im Trainerteam, erst gleichzeitig mit der Mannschaft.
Philosophie
Zumindest eine Philosophie hatte er. Dass diese zur Austria alles andere als passte, war aber eine andere Geschichte. Vastic stellt seine Teams sehr defensiv ein. Was bei den Austria Amateuren durch die vielen talentierten Einzelspieler und den fußballerisch großen Unterschied zu den meisten anderen Regionalligisten noch nicht so bemerkbar war, war in der Kampfmannschaft offensichtlich. Dass seine Mannschaften allerdings seltener in die Offensive kommen, hängt vor allem mit seiner Idee des Spielaufbaus zusammen.
Vastic-Teams sollen flache Bälle aus der Abwehr ins Mittelfeld um jeden Preis vermeiden. Es gibt lediglich zwei Möglichkeiten des Spielaufbaus: Entweder über die Außenverteidiger – was insofern problematisch ist, dass diese im modernen Fußball schnell unter Druck gesetzt werden – oder über hohe Bälle in die Spitze, wofür Vastic auch Roman Kienast zu den Veilchen holte und mit einem Stammplatz ausstatte.
Seine Philosophie setzte der 50-fache Teamspieler konsequent durch. Auch beim Spielsystem blieb er stur. Ein 4-2-3-1-System mit zwei klassischen „6ern“, zwei reinen Flügelspielern, einem „10er“ mit vielen Freiheiten und einer Stoßspitze setzte er durch, sei es in Waidhofen oder in Favoriten, bei den „Amas“ sowie der Kampfmannschaft.
Personalentscheidungen
Innerhalb der Mannschaft wurde die aus der Ära Daxbacher gut erhaltene Stimmung rasch getötet. Einerseits durch die merkwürdigen Kommunikationsmittel des Trainers, andererseits durch die oftmals „interessanten“ Personalentscheidungen.
Öffentlich sorgte vor allem die Degradierung von Roland Linz für Aufsehen. Letztlich machten die Medien und Linz-Fan Thomas Parits Druck auf den erfolgslosen Vastic, der quasi wieder auf Linz setzen „musste“. Prompt traf er bei seinem Comeback gegen Sturm Graz, was dem Standing des Ivo Vastic weiteren Schaden zufügte.
Intern waren es aber viel mehr die Bevorzugung jener Spieler, mit welchen Vastic in seiner Muttersprache sprechen konnte, wie Emir Dilaver, Marin Leovac und Dario Tadic, die für Ärger sorgte. Auch kurios anmutende Positionsänderungen, wie beispielweise Markus Suttner als „6er“, förderten die Spaltung zwischen Mannschaft und Trainerteam sowie den Misserfolg. Ebenso die ständige Rotation.
Was bedeutet das für den SVM?
Freilich gab es bei den Veilchen auch Fürsprecher des Trainers, logischerweise jene „Kicker“, die mehr Einsatzzeit bekamen. Sie waren zwar in Unterzahl, aber sie existierten. Vielleicht waren es nur jene, bei denen sich der SVM umhörte, bevor er diese riskante Entscheidung traf. Zwar passt die Philosophie des 44-Jährigen auf die Burgenländer deutlich besser als auf einen Titelanwärter der Bundesliga, dennoch sind jegliche Zweifel an dieser Entscheidung durchaus berechtigt.
Es wäre nicht verwunderlich, wenn auch diese Trainerstation durchaus erfolgreich startet, allerdings ab der dritten, vierten Frühjahrsrunde stetig bergab geht. Ebenso wenig überraschend wären wohl wieder diverse Ausreden, die mit den langen Verletzungen von den Leistungsträgern Manuel Seidl und Patrick Bürger fast schon auf der Hand liegen.
Die Burgenländer sind zwar Sechster, allerdings nur zwei Punkte von einem Relegationsplatz und weitere zwei von einem fixen Abstiegsplatz entfernt. Es ist abermals keine leichte Aufgabe, die Vastic hier antritt. Anders als bei der Austria ist hier schon in der Mannschaft viel Routine gegeben und diese nicht mehr so stark am Trainerposten gefragt.
Ivica Vastic bekam von den Mattersburgern eine zweite Chance im Profifußball. Diese sollte ihm auch die großteils skeptische Öffentlichkeit geben. Doch klar ist: Dieselben Fehler wie bei der Austria dürfen ihm nicht nochmals unterlaufen. „Ivo“ muss dazu gelernt haben, sonst wird es ein schwieriger Kampf gegen den Abstieg.
Pascal Günsberg, abseits.at
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Pascal Günsberg
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