Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen... Wiederholung in Zeitlupe (1) – Vorwärts Steyr

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografien im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Gedanken machen wir uns dabei über Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat. Heute nehmen wir die (inoffizielle) Gründung von Vorwärts Steyr am 23.März 1919 zum Anlass die Geschichte des oberösterreichischen Klubs zu beleuchten…

„Wir kommen aus der Werndlstadt…“ – Vorwärts Steyr

1996 berichtete sogar das deutsche Sportfernsehen über Vorwärts Steyr: Die Oberösterreicher waren eine Zeit lang der erfolgloseste Erstligaverein in Europa. 42 Ligaspiele sollten sie vergeblich auf einen Sieg warten. Nach einem 0:4 gegen Austria Salzburg musste Steyr schließlich absteigen. „Das Beste vom Spiel sind meine Würstel!“, hatte eine selbstbewusste Imbisstandlerin vor dem Zusammentreffen mit Rapid Wien fünf Spiele vor Ende der Meisterschaft noch verlautbart: Ausgerechnet an diesem 11.Mai 1996 hielten die Steyrer gegen den späteren Meister, der gerade das Europacupfinale gegen Paris St. Germain verloren hatte, jedoch gut dagegen, verloren aber dann mit 3:2. Rapid gewann am Ende der Spielzeit den Teller, Steyr den Blumentopf.

Diese Episode ist bezeichnend für die abwechslungsreiche Geschichte des Traditionsvereins. Die Rot-Weißen waren zeitweise der beste Fußballklub Oberösterreichs – internationale Achtungserfolge inklusive. Vorwärts stand für kämpferischen Fußball in hitziger Atmosphäre. So mancher „feinere“ Verein reiste ungern zum SKV. Heute kickt Vorwärts wieder als Profiverein in der zweithöchsten Spielklasse, selbst wenn er 2019 als Tabellenletzter nicht aufgrund sportlicher Erfolge die Klasse halten konnte.

Vorwärts Steyr ist Kult. Der Mitgliederverein pflegt seine Historie, lebt aber – getreu dem Motto „Einmal Vorwärts, immer Vorwärts“ – nicht in der Vergangenheit, sondern bemüht sich ein Anlaufpunkt für regionale Talente zu werden: Junge aus Pasching, St. Pölten oder Wien verdienen sich in der altehrwürdigen Umgebung erste Sporen. Daneben betreibt Vorwärts einen eigenen YouTube-Kanal namens Volksroad TV und plant die Gründung eines Damenteams.

Offiziell wurde der Verein zwar am 14.April 1919 als Steyrer Fußballklub Vorwärts gegründet, tatsächlich fanden sich jedoch bereits am 23. März 1919 einige Fußballverrückte aus Steyr und Umgebung in der Bierhalle in der Engen Gasse ein, um das Fundament der Klubgründung zu legen. Bei den zehn Anwesenden handelte es sich um junge Burschen, die vom Weltkrieg verschont geblieben waren und mit aus alten Fahnen genähten Trikots erste Spiele bestritten. Eine schlichte Zeitungsmeldung zeugt vom ersten Spiel der Rot-Weißen: Der neugegründete Fußballklub Vorwärts Steyr, der über „gute Wiener Spieler“ verfüge, trete am 15.Juni 1919 gegen den Linzer Athletik-Sportklub „Siegfried“ – den späteren LASK – an, verlautbarte die Linzer Tagespost. Vorwärts Steyr feierte rasch Erfolge, so wurde man – nach der Gründung des oberösterreichischen und Salzburger Fußballverbandes am 24.August desselben Jahres – gleich Landesligameister und konnte den Titel in den drei folgenden Jahren verteidigen.

Die weitere Geschichte des Vereins ist eng mit den Begebenheiten der Ersten Republik verbunden: Vorwärts, aus der Arbeiterstadt Steyr, trat dem „Verband der Arbeiter-Fußballer Österreichs“ (VAFÖ), der eine eigene Meisterschaft sowie einen Pokalwettbewerb austrug, bei und dominierte diesen bis zu seiner Auflösung in der Zeit des Austrofaschismus. Nach Wiedergründung des Klubs bespielte man ab Sommer 1935 bereits den heutigen Platz und konnte – auch während der NS-Zeit – an alte Erfolge anknüpfen. In den 50ern kickte man in der zweithöchsten Spielklasse ehe man an die zwanzig Jahre in der Regionalliga Mitte bzw. in der oberösterreichischen Landesliga verbrachte.

1988 gelang Steyr wieder der Aufstieg in die oberste Spielklasse. In diese Zeit fällt das Engagement Oleh Blochin, der der erste UdSSR-Legionär im Westen wurde. Blochin – 1975 zu Europas Fußballer des Jahres gekürt – sollte nach 26 Jahren Einsatz für Dynamo Kiew eineinhalb Saisonen lang in Oberösterreich kicken. „Man muss klein anfangen.“, sagte der pfeilschnelle Stürmer fast genau heute vor 33 Jahren, nämlich am 26. März 1988. Um Blochins Debüt gegen den LASK zu ermöglichen, setzte die Steyrer Feuerwehr den heimischen Platz nach leichten Regenfällen im Handumdrehen unter Wasser und erzwang so eine Verschiebung des Spiels. Der 101-fache Teamspieler der Sowjetunion schoss neun Tore für die Rot-Weißen und wurde in deren Jahrhundertelf gewählt. Gerüchten zufolge war dem rauchenden Angreifer das Konditionstraining dann doch zu anstrengend, weswegen er seine aktive Karriere schließlich doch auf Zypern ausklingen ließ.

In den 90ern feierten die Oberösterreicher einige internationale Achtungserfolge (z.B. das 2:1 gegen Eintracht Frankfurt 1995 im UI-Cup), gerieten aber immer mehr in die finanzielle Bredouille: Konkurs und Zwangsabstieg waren die Folge. 2001 startete man in der 2. Klasse Ost den Neubeginn. Dank seiner starken Fanszene wandelte sich Vorwärts wieder zu einem erfolgreichen Verein und unterlag im Achtelfinale des ÖFB-Cups 2010/11 nur knapp Bundesligist Sturm Graz. Der regionale Unternehmer Reinhard Schlager lenkt den Verein seit 2015 und hat für ein stabiles finanzielles Umfeld gesorgt. Die aktive Fanszene der Südtribüne liefert tolle Stimmung und im Verein ist man bemüht mit der Zeit zu gehen.

Bekannt bleibt Steyr nicht nur wegen Blochins Verpflichtung, sondern auch weil Manninger, Heraf oder Linzmaier ihre Fußballschuhe einst am Vorwärtsplatz schnürten. Aktuell spricht Vizepräsident Michael Obermair von wirtschaftlichen und sportlichen Konsolidierungsplänen „Wir denken nicht über einen Aufstieg nach.“ Vorwärts müsse finanzielle Reserven schaffen und in die Infrastruktur investieren, denn von seiner fantastischen Geschichte allein kann der Klub nicht leben. Obermair ist jedoch zuversichtlich: „Der Vorstand wird immer stabiler. In jeder Richtung bekommen wir Spezialisten. Wenn wir so weiterarbeiten, können wir in der Zukunft noch etwas erreichen.“ In diesem Sinne „Vorwärts stets zum Sieg!“, auf in Richtung 200-Jahre-Jubiläum.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag