Spanisches Duell im Champions-League-Viertelfinale | Kompakte Rojiblancos nur schwer zu knacken
Fußball in Österreich 1.April.2014 Rene Maric 0
Diese Paarung gilt für einige als die spannendste aller Paarungen. In dieser Saison trafen die beiden Teams bereits drei Mal aufeinander, alle drei Partien endeten in einem Unentschieden. In der spanischen Liga liegt Underdog Atlético Madrid auf Platz 1, der FC Barcelona folgt knapp dahinter auf dem zweiten Platz. Nun treffen die beiden in der Champions League aufeinander; werden sich die etwas trägen bisherigen Aufeinandertreffen wiederholen?
Atléticos 4-4-2, die Kompaktheit und die variablen Kettenabständen
Das bisherige Problem für die Katalanen am Durchbrechen des Defensivverbunds der Madrilenen waren die enormen taktischen Fähigkeiten der Rojiblanco im Verschieben und im Stellungsspiel. Die enorme horizontale wie vertikale Kompaktheit verschloss die Räume im Zwischenlinienraum, aus welchem Messi und Co. am gefährlichsten sind. Die Flügel wurden bisweilen etwas geöffnet, sind aber nicht die große Stärke der Katalanen und werden von Atlético durch das sehr schnelle und saubere Verschieben gut versperrt.
Interessant ist hierbei, dass Atlético zwar mit einem 4-4-2 agiert, die beiden Viererketten jedoch in unterschiedlichen Abständen spielen. Die Mittelfeldkette steht extrem eng. Die Flügelstürmer rücken bis in die Halbräume ein und befinden sich sehr eng an der Doppelsechs. Im Verbund mit den zwei zumeist sehr tiefstehenden Stürmern hat Atlético bisweilen mit fast sechs Spielern Zugriff auf das zentrale Mittelfeld. Sie erzeugen dabei auch mit ihrer Aggressivität, Körperlichkeit und der Kompaktheit als taktischem Faktor einen enormen Druck auf die gegnerischen Spieler in diesem Raum. Selbst solche Ausnahmefußballer wie Xavi, Iniesta und Busquets im zentralen Mittelfeld tun sich dann schwer über das zentrale Mittelfeld Angriffe aufzubauen.
Die Viererkette Atléticos hingegen steht oftmals breiter. Selbst wenn die offenen Flügel enorm schnell bespielt werden, ist Atlético dadurch auf den Seiten präsent und verhindert Durchbrüche. Bis der Ball nach vorne kommt, haben die restlichen drei Spieler der Viererkette zum Flügel verschoben und sichern die ballnahen Räume gut ab, während das Mittelfeld sich ebenfalls zur Seite bewegt und die zuvor (vermeintlich) offenen Flügel besetzt. Das macht es extrem schwer Atlético zu knacken. Doch diese Spielweise und die Aufstellung sorgen gegen Barcelona auch dafür, dass die Simeone-Elf oftmals selbst Probleme im Offensivspiel hat.
Atlético mangelt es gegen Barcelona an Durchschlagskraft im Konterspiel
Wegen der tiefen und kompakten Ausrichtung sowie des Zurückziehens von allen Spielern in die eigene Hälfte fehlt es ihnen teilweise an den Konteroptionen. Dies ist insbesondere gegen Barcelona ein Problem, weil diese den Ball viel in der Abwehr zirkulieren lassen können, riskante Pässe verhindern und auch unter Tata Martino sehr gut abgesichert bei Ballverlusten in größeren Spielen stehen. Atlético ging bereits dazu über gegen Barcelona das 4-4-2 in der eigenen Hälfte zu einem 4-4-1-1 zu machen, in welchem sich Diego Costa weiter vorne an der Mittellinie postierte und nur noch situativ in Barcelonas Sechserraum rückwärtspresste.
Somit hatten sie den torgefährlichen Mittelstürmer als Zielspieler für lange Bälle. In der letzten Partie wich er auch immer wieder nach rechts aus, um gegen den kleingewachsenen Linksverteidiger Barcelonas, Jordi Alba, Kopfbälle zu gewinnen. Einen wirklichen Effekt hatte es nicht, denn vom Flügel aus kamen die Madrilenen nicht in die Mitte und nur zu einigen wenigen Abschlüssen. Darum waren die bisherigen Teams oftmals zähes Mittelfeldgeplänkel, weil Barcelona den Ball sehr tief zirkulieren ließ, Atlético nur selten zum Kontern kam und dabei nicht so effizient war wie in anderen Spielen. Dennoch können die Rojiblanco immer wieder gefährlich werden; vielleicht reicht es auch in der bisherigen Ausrichtung zu einem (knappen) Weiterkommen. Allerdings könnten sie eventuell auch etwas Neues versuchen.
Ist ein hohes Pressing eine Option für Atlético?
Nachdem im Hinspiel des Copa del Rey Atlético vom Stadtrivalen Real zum ersten Mal in dieser Saison klar bezwungen wurde, spielten sie im Rückspiel ganz anders. Das tiefe, teilweise in den hohen Zonen eher passive und überaus kompakte 4-4-2 wurde in der zweiten Partie deutlich offensiver interpretiert. Die grundlegende Ausrichtung der Formation und die Bewegungen blieben gleich, doch das Pressing wurde schon viel früher begonnen und man setzte Real bereits in deren Hälfte unter Druck.
Dieser Druck sorgte für zahlreiche Ballverluste bei den Madrilenen, Atlético hingegen kam zu vielen guten Chancen nach hohen Balleroberungen und zeigte insgesamt eine starke Leistung. Gegen Barcelona könnten sie dies auch probieren, eventuell aber erst im Rückspiel. Mit diesem hohen Pressing würden sie aber die zentralen Zonen entblößen, weswegen dies bisher auch nicht praktiziert wurde.
Nun hat sich beim FC Barcelona etwas verändert: Victor Valdes fällt mit einem Kreuzbandriss bis Saisonende aus. Sein Ersatz ist José Pinto, der mit dem Fuß nicht auf dem Niveau Valdes‘ ist. Beim Mitspielen oder auch schlicht bei Befreiungsschlägen könnte er für viele Ballverluste verantwortlich sein und Atlético könnte damit gar verhindern, dass die im höheren Pressing zwangsläufig durch die geringere Kompaktheit offeneren Zonen bespielt werden. Auch ihr Konterproblem gegen die Katalanen könnte sich damit erledigen.
Aber nicht nur der Underdog könnte sich etwas Neues einfallen lassen im Vergleich zu den bisherigen Duellen. Barcelona sollte aus ihren bisherigen Fehlern gelernt haben.
Was könnte Barcelona machen?
Ein grundsätzlicher Aspekt, der verspricht, dass es in diesen Spielen anders ablaufen wird, ist die Rückkehr Barcelonas in eine bessere Form nach der Minikrise der letzten Wochen. Gegen Real Sociedad sahen sie beispielsweise enorm kraft-, zahn- und ideenlos aus, doch mit der Rückkehr Iniestas und Messis in (Top-)Form können gewisse andere Mängel hervorragend übertüncht werden. Auch das Pressing hat sich wieder gesteigert, dazu kommt noch der psychologische Vorteil nach dem gewonnen Clásico.
Dennoch könnten die Katalanen enorme Probleme gegen die kompakten Rojiblancos erhalten. Falls ihr Plan A im 4-3-3 mit Messi als zentralen Stürmer fehlschlägt, wären andere Varianten denkbar. Generell könnte es möglich sein, dass Tata Martino aus Stabilitätsgründen mit Iniesta auf Linksaußen und Fabregas im Mittelfeld spielt, wie es im Clásico der Fall war. Mit dem einrückenden Iniesta und dem zurückfallenden Messi haben sie dann Überzahl im Mittelfeld und können den Ball sicher zirkulieren lassen. Dies könnte gegen Atlético aber zum Problem werden, weil sie so kompakt sind und dadurch diese Überzahl aus dem Mittelfeld drängen.
Eine andere Option wäre ein 4-2-3-1 mit Messi auf der Zehn oder als Flügelstürmer, was ebenfalls schon in dieser Saison praktiziert wurde. Hier könnte man versuchen Messi auf dem Flügel in Dribblings zu bringen oder ihn als Nadelspieler und Passgeber im Zentrum zu nutzen. Bei Letzterem wäre aber die Frage, mit welchem Mittelstürmer man agiert und ob Messi seine gefürchteten Schnittstellenpässe effektiv anbringen kann. So oder so: Spannung dürfte dabei sein. Die Frage ist eigentlich nur, wie ansehnlich und torreich das Spiel wird.
René Maric, www.abseits.at
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