Im siebten Teil dieser Serie berichten wir über einen ehemaligen brasilianischen Nationalspieler, der alles verlor und in Lissabon strandete, wo er sich 25 Jahre lang vergessen von der Außenwelt als Obdachloser durchschlug. Die Geschichte hatte aber dennoch ein kurzfristiges Happy End, denn dank einer Comedy-Show geriet Perivaldo wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und erhielt Hilfe vom brasilianischen Fußballverband, sodass er die Weltmeisterschaft 2014 in seiner Heimat vor Ort mitverfolgen durfte.
Perivaldo Lúcio Dantas wurde am 12. Juli 1953 in Itabuna geboren und wuchs dort in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater arbeitete als Schäfer und verließ das Haus jeden Tag um vier Uhr morgens und kehrte erst in der Nacht wieder zu seiner Familie zurück. Perivaldo begann seine Karriere beim Itabuna Esporte Clube und wechselte 1975 zum Esporte Clube Bahia, dem Verein der die Campeonato Baiano (Staatsmeisterschaft von Bahia) bis dato 45 Mal gewann und auch damals zumindest regional das Maß aller Dinge war. Der 22-Jährige spielte als rechter Verteidiger und avancierte schnell zu einem der absoluten Leistungsträger in seiner Mannschaft. Er wurde zum besten Spieler der Liga auf seiner Position gewählt und wurde aufgrund seines Spielstils schnell zum Publikumsliebling.
Ein moderner Außenverteidiger
Perivaldo war seiner Zeit voraus, denn es gab damals nur wenige Außenverteidiger die so einen starken Offensivdrang an den Tag legten. Natürlich hatte das Tore verhindern Priorität und auch in dieser Disziplin besaß der Verteidiger hervorragende Qualitäten. Perivaldo war sehr schnell, extrem bissig und legte einen Körpereinsatz an den Tag, der oft die Grenzen des Erlaubten sprengte. Er spielte aber nicht nur sehr hart, sondern provozierte auch seine Gegenspieler immer wieder und brachte so beispielsweise den großen Zico zur Weißglut, der sich für seine Mätzchen mit einem Ellbogenschlag ins Gesicht bedankte. Aufgrund seiner Geschwindigkeit und seiner guten Technik trieb er immer wieder das Spiel auf seinem Flügel nach vorne an und schlug exzellente Flanken in den Strafraum.
Glanzzeiten bei Botafoga
Im Jahr 1977 wechselte er nach Rio de Janeiro zu Botafoga. In den kommenden fünf Jahren sollte er seinen Karrierehöhepunkt erleben, denn er spielte den mit Abstand besten Fußball bei diesem Verein. Er erhielt wieder Auszeichnungen als bester Rechtsverteidiger der Liga und die Fans im Estádio do Maracanã skandierten seinen Namen. Perivaldo zählte zu den Spitzenverdienern, gab sein Geld aber auch großzügig aus. Er kleidete sich teuer und elegant, kaufte sich Uhren, Autos und galt als Womanizer. Laut seinen eigenen Angaben zeugte er zwölf Kinder mit elf verschiedenen Frauen, die nun überall im Land verstreut wohnen. Trotz seines ausufernden Lebensstils trainierte er hart und man sah ihm am Platz die langen Nächte in den Diskotheken nicht an. Er wurde ins brasilianische Team einberufen, wo er in zwei Freundschaftsspielen vor der Weltmeisterschaft 1982 in Spanien tolle Leistungen zeigte und so auch als Fixstarter fürs große Turnier galt. Unter anderem bewahrte er sein Team mit dieser Rettungstat gegen die Tschechoslowakei vor einem Gegentor (ab 1:08):
Sein langer Abstieg
Eine Knieverletzung machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung und die brasilianische Nationalmannschaft fuhr ohne dem Rechtsverteidiger nach Spanien. Er erholte sich nie ganz von seiner Verletzung und bekam schließlich das Angebot seine Karriere in Südkorea ausklingen zu lassen. Die Bezahlung war gut, also nahm der Brasilianer die Offerte der Yukong Elephants (heute Jeju United) an. Perivaldo erlitt in Asien jedoch einen Kulturschock, denn für Aktivitäten neben dem Fußball war in seiner neuen Heimat kein Platz. Der Verteidiger sagte, dass dort alles militärisch genau geplant war und außer Arbeit nichts am Programm stand. Ein wenig umtriebig wird er dennoch gewesen sein, denn immerhin heiratete er in dieser Zeit eine Südkoreanerin, wobei die Ehe nicht lange halten sollte. Von ehemaligen Teamkollegen bekam er schließlich den Tipp es in Portugal zu versuchen, wo er sich einen gemütlicheren Karriereausklang versprach.
Er flüchtete nach Lissabon, wo er aber entgegen seinen Erwartungen nicht mit offenen Armen von den Vereinen empfangen wurde. Nach seiner Verletzung und seiner Zeit in Südkorea geriet der ehemalige Star schnell in Vergessenheit. Dazu kam, dass er sich mit den falschen Leuten abgab und seine Ersparnisse schnell aufgebraucht waren. Viel Geld legte der Lebemann ohnehin nie zur Seite. Er zog schließlich ins Appartement einer 17 Jahre älteren Frau und begann am örtlichen Flohmarkt Essen und Getränke zu verkaufen. Da dieses Geld nicht ausreichte verkaufte er schließlich alles Mögliche auf seinem Stand, von gefundenen Sonnenbrillen bis zum aussortierten Gewand, das er in Mülleimern fand. Die Beziehung zu der Frau ging in die Brüche und Perivaldo musste plötzlich auf den Straßen Lissabons schlafen. Wenn er nach Hause telefonierte, dann verschwieg er seine missliche Lage gegenüber seiner Familie. Einerseits verhinderte sein Stolz, dass er seine Situation offenlegte, andererseits hatte er Angst seinen „Heldenstatus“ in Brasilien zu ruinieren, wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass er versteckt im Gebüsch auf einem Karton schlafen muss.
Bist du Fernando?
Doch die Dinge sollten sich am Ende doch noch zum Besseren wenden. Die Comedy-Sendung “5 to Midnight” ging mit versteckter Kamera auf die Straße, mit der wenig originellen Idee, fremde Leute als Fernando anzusprechen und hartnäckig zu behaupten, dass sie diese Person seien. Es entwickelte sich folgender Dialog:
5 to Midnight: Fernando, Fernando! Bist du Fernando?
Perivaldo: Sehe ich wie ein Fernando aus?
5 to Midnight: Ja, so siehst du wirklich aus!
Perivaldo: Niemand hat so einen Style wie ich!
5 to Midnight: Nein, du siehst aus wie Fernando!
Perivaldo: Welcher Fernando?
5 to Midnight: Fernando hat genau den gleichen Mantel
Perivaldo: Aber welcher Fernando?
5 to Midnight: Und er hat genau diesen Hut!
Perivaldo Das ist kein Hut, das ist eine Kappe
5 to Midnight: Wirklich? Lass sie mich angreifen!
Perivaldo: Wenn du sie berühren willst, dann must du dafür bezahlen
5 to Midnight: Lass sie mich angreifen. Ich zahle auch.
Perivaldo: Dann gib mir einen Euro!
Dieses Video verbreitete sich in Portugal schnell auf dem viralen Weg und ein Seher teilte dem Produktionsteam mit, dass es sich dabei um einen ehemaligen brasilianischen Nationalspieler handeln würde. Der Sender suchte daraufhin den ehemaligen Kicker und drehte einen Folgebeitrag, in dem der Brasilianer nach und nach mehr über sein Schicksal preisgab. Zunächst wollte er nicht viel offenlegen und blockte ab, da er um sein Image in Brasilien fürchtete, doch schließlich kamen weitere Fernsehstationen, sodass Perivaldo immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Schließlich schaltete sich der technische Direktor des brasilianischen Verbands ein. Alfredo Sampaio versprach dem ehemaligen Nationalspieler, dass er ihn in seine Heimat zurückzuholt und bot ihm auch gleich eine Unterkunft und einen Job im Verband an. Perivaldo nahm auf einer Pressekonferenz das Angebot an und bedankte sich bei allen Personen, die ihm Hilfe anboten. Auf die Frage der Journalisten, ob er nervös sei, weil er nun endlich in seine Heimat zurückkehren würde, antwortete der Brasilianer: „Ein volles Maracanã-Stadion hat meinen Namen geschrien, warum soll ich nervös sein. Ich fühle nur absolute Ruhe in mir.“
Perivaldo landete im Alter von 60 Jahren in seiner Heimat und der portugiesische TV-Sender SIC drehte eine Dokumentation über seine ungewöhnliche Lebensgeschichte. Am 27. Juli 2017 starb er leider an den Folgen einer Lungenentzündung.
Stefan Karger, www.abseits.at
Stefan Karger
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