Nach 90 Minuten stand es 3:0. Einige Momente später stemmte der „weiße Pelé“, wie er häufig genannt wurde, den Intercontinental Cup im National Stadium... Zico, Nunes & Co. – Als Flamengo der beste Klub der Welt war

Nach 90 Minuten stand es 3:0. Einige Momente später stemmte der „weiße Pelé“, wie er häufig genannt wurde, den Intercontinental Cup im National Stadium von Tokyo in die Höhe. Er vollendete damit das beste Jahr der Vereinsgeschichte und verewigte sie in der nationalen und internationalen Fußballgeschichte. Flamengo war 1981 der beste Klub der Welt.

Unter dem Namen „Clube de Regatas do Flamengo“ als Ruderverein im Jahre 1895 gegründet, bestritt der Verein in den Anfangszeiten keine Fußballspiele. Erst als sich einige Spieler des heutigen Rivalen Fluminense nach Streitigkeiten mit der Vereinsführung von der Mannschaft trennten, wurde 1911 bei Flamengo eine Fußballabteilung ins Leben gerufen. Am 3. Mai 1912 trug man gegen Sport Club Mangueira das erste Fußballmatch aus und gewann es mit 16:2, was bis heute der Sieg mit der höchsten Tordifferenz der Rubro-Negro, so ein Spitzname des Klubs, ist. Das erste Derby gegen Fluminense, das später vom Journalisten und Flamengo Fan Mário Filho „Fla-Flu“ getauft wurde, ging mit 3:2 an Fluminense. Mit der Professionalisierung der Fußballsektion in den 1930er-Jahren sowie der Verpflichtung des Torschützenkönigs der Fußball-Weltmeisterschaft 1938 Leônidas da Silva und des taktischen Revolutionärs Izidor Kürschner wuchs der Verein zu einer der beliebtesten in Brasilien heran. Die nächsten Jahrzehnte sollten mit Spielern wie Zizinho oder Domingos da Guia ebenfalls sehr erfolgreich werden. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass die Wettbewerbe der jeweiligen Bundesstaaten in Brasilien eine sehr große Rolle spielen und genauso wichtig wie die nationale Meisterschaft sind. Insgesamt gewann man bis zur Triplesaison 1981 20-mal die Campeonato Carioca und je einmal die Campeonato Brasileiro (1980) sowie das Torneio Rio-São Paulo, einem Regionalturnier zwischen Mannschaften aus den Bundesstaaten Rio de Janeiro und São Paulo.

Das Jahr 1981 fing für „O Mengão“, so ein weiterer Spitzname von Flamengo, mit einem 2:0 Sieg im Freundschaftsspiel gegen den FC São Paulo am 14. Jänner an, in welchem der Mittelfeldspieler Adílio und der Stürmer João Batista Nunes im Estádio do Morumbi die Treffer erzielten. Vier Tage später begann die brasilianische Meisterschaft, offiziell unter dem Namen „Taça de Ouro“ (deutsch: Goldpokal), mit einem 0:0 gegen Santos. In den restlichen acht Gruppenspielen verlor man nur einmal, spielte zwei weitere Male Remis und ging fünfmal als Sieger hervor. Damit sicherte sich Flamengo den zweiten Platz und das Weiterkommen in die zweite Turnierphase. Dort setzte man sich mit acht Punkten aus sechs Spielen durch und stieg in das Achtelfinale auf, wo Bahia wartete. Unter dem neuen Trainer Dino Sani, der Modesto Bria ersetzte, erzielte Nunes im Rückspiel einen Doppelpack und man schritt in die nächste K.O.-Runde fort. Nach einem torlosen Unentschieden schoss Zico, dessen richtiger Name Arthur Antunes Coimbra lautet, ein Tor im Rückspiel, doch ebenso musste man drei Tore hinnehmen und schied somit aus der brasilianischen Meisterschaft aus. Nichtsdestrotrotz wurde Nunes Toptorschütze des Bewerbs mit 16 Toren.

Etwas mehr als einen Monat nach Ende der brasilianischen Meisterschaft, genauer gesagt am 23. Mai, begann die Staatsmeisterschaft von Rio de Janeiro, deren Spielplan sich mit der Copa Libertadores überschnitt. Die Campeonato Carioca wurde in drei Gruppenphasen ausgetragen. In der ersten, der Taça Guanabara, verloren die Rubro-Negro nur einmal 1:2 im Derby gegen Fluminense, blieben aber ansonsten ungeschlagen und waren als Tabellenerster automatisch für das Finale des Wettbewerbs qualifiziert.

Ab dem zweiten Durchgang, den Vasco da Gama mit drei Punkten Vorsprung vor Flamengo gewann, betreute Paulo César Carpegiani die Mannschaft. Er war Teil des brasilianischen Kaders bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 und spielte bis 1980 selbst für die Rubro-Negro. Bevor er beim Verein angestellt wurde, organisierte dieser ein Abschiedsspiel gegen Boca Juniors für ihn. Als es stattfand, war er jedoch mittlerweile ihr Trainer und coachte somit seine eigene Abschiedsvorstellung. Zico’s Doppelpack brachte den Sieg gegen die Xeneizes, die einen aufstrebenden Offensivspieler in ihren Reihen hatten. Sein Name war Diego Armando Maradona.

In der dritten Runde belegte man wieder Rang eins und hatte damit im Finale einen Punktevorsprung gegen über Vasco da Gama. Für den Titelgewinn hätte ein Unentschieden gereicht, doch wenige Tage vor dem Endspiel ereilte eine Tragödie den Verein. Cláudio Coutinho, der „O Mengão“ zweimal als Trainer betreute, mit dem Klub zahlreiche Titel gewann, darunter einmal die brasilianische Meisterschaft und dreimal Campeonato Carioca, und wegweisend für Carpegiani war, ertrank im Alter von 42 Jahren bei einem Tauchunfall. Körperlich erschöpft von der Doppelbelastung und psychisch belastet verlor die Mannschaft das erste von drei Endspielen durch einen Doppelpack von Roberto Dinamite, wodurch ein Wiederholungsspiel notwendig war. Erneut war Dinamite der entscheidende Mann und Vasco siegte auch im zweiten Aufeinandertreffen. Die dritte Begegnung ging letztendlich an Flamengo. Vor fast 162.000 Zuschauern im Maracanã schossen Adílio und Nunes je ein Tor binnen fünf Minuten und verhalfen „O Mengão“ damit zum Sieg der Campeonato Carioca. Ticão’s Anschlusstreffer war indes nur Ergebniskosmetik. Im gesamten Wettbewerb erzielte die Mannschaft aus dem Stadtviertel Gávea 81 Tore, 46 davon stammen von Zico, der oftmals „Weißer Pelé“ genannt wurde, und von Nunes. Des Weiteren kassierte man nur 19 Tore und feierte zudem hohe Siege, beispielsweise ein 7:0 gegen Americano oder ein 6:0 gegen Botafogo.

Nachdem die Qualifikation für das Finale in der Staatsmeisterschaft feststand, fokussierte sich die Mannschaft auf die Copa Libertadores, in welcher Flamengo durch den Gewinn der brasilianischen Meisterschaft 1980 zum ersten Mal teilnahm. In der ersten Gruppenphase traf man auf Atlético Mineiro aus Belo Horizonte, sowie Cerro Porteño und Club Olimpia aus Paraguay und landete ungeschlagen auf Platz eins. In der zweiten Gruppenphase holte man alle möglichen Punkte und traf somit im Finale auf die chilenische Mannschaft CD Cobreloa. Im Hinspiel gewann „O Mengão“ mit 2:1 dank eines Doppelpacks von Zico in der ersten Halbzeit. Das Rückspiel eine Woche später ging an Cobreloa, Merello schoss den entscheidenden Treffer zum 1:0 Sieg. Dadurch wurde ein Entscheidungsspiel notwendig. Im neutralen Estadio Centenario in Montevideo, Uruguay, duellierten sich Flamengo und Cobreloa zum dritten Mal um die Copa Libertadores. Zico’s Rechtsschuss aus einer Position neben dem Elfmeterpunkt brachte die Rubro-Negro nach 18 Minuten in Führung. Im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit wurden Armando Alarcón und Eduardo Jiménez auf Seiten von Cobreloa und Andrade auf Seiten der Brasilianer vom Platz gestellt. Mit seinem zweiten Tor machte Zico den Sieg in der zweiten Hälfte klar. Kurz vor Schluss sah der eingewechselte José Anselmo Pereira ebenfalls die rote Karte, weil er Cobreloa’s Kapitän Mario Soto in das Gesicht schlug. Dieser musste für seine Revanche ebenfalls frühzeitig das Spielfeld verlassen. Somit wurden insgesamt fünf Spieler vom Platz gestellt. Nichtdestotrotz gewann „O Mengão“ die Copa Libertadores und qualifizierte sich dadurch auch für den Intercontinental Cup 1981. Während Nunes zum besten Stürmer des Wettbewerbs gewählt wurde, konnte sich Zico zum Torschützenkönig mit elf Toren und zum besten Spieler des Turniers krönen.

Eine Woche nach dem Gewinn der Campeonato Carioca reiste Carpegiani’s Mannschaft nach Tokyo, um dort im Intercontinental Cup, auch Toyota Cup genannt, gegen Bob Paisley’s Liverpool anzutreten. Die Engländer setzten sich im Finale des Europapokals der Landesmeister 1980/81 mit 1:0 gegen Real Madrid durch und feierten damit ihr Debüt im Intercontinental Cup, nachdem sie eine Teilnahme in den Jahren 1977 und 1978 verweigerten.

In Liverpool‘s Startaufstellung fanden sich Namen wie Ray Kennedy, Graeme Souness oder Kenny Dalglish wieder, während hingegen Flamengo‘s erste Elf aus Spielern wie den legendären Außenverteidigern Leandro und Júnior, Kapitän Zico oder Stürmer Nunes bestand. Letzterer brachte die Brasilianer nach zwölf Minuten in Führung, als er einen langen Ball mit einem Ballkontakt an dem Torhüter der Reds Bruce Grobbelaar vorbeilegte. Die Rubro-Negro, die in diesem Spiel in weißen Trikots mit schwarz-rot gestreiften Ärmeln aufliefen, schossen ihr zweites Tor 22 Minuten später. Ein kräftiger Zico-Freistoß wurde von Grobbelaar zwar pariert, aber den Abpraller verwandelte der brasilianische Nationalspieler Adílio. Noch in der ersten Halbzeit machte Nunes den Deckel drauf. Er lief in die Schnittstelle, nahm den Pass von Zico an und verwandelte in die linke, untere Ecke zum 3:0. In der zweiten Hälfte verwaltete Flamengo die Führung und legte seinen Fokus auf den Ballbesitz. Obwohl Liverpool anlief und auf ein Comeback drängte, gelang ihnen kein Treffer. Der mexikanische Schiedsrichter Rúbio Vazquez pfiff das Spiel ab, wodurch der Intercontinental Cup erst das zweite Mal in Händen einer brasilianischen Mannschaft war, nachdem Pelé’s Santos den Titel bereits 1962 und 1963 gewann. Dank seiner überragenden Leistung wurde Zico zum Spieler des Spiels gewählt und gewann als Preis ein Auto. Des Weiteren fanden sowohl Trainer Carpegiani als auch seine Gegner lobende Worte für ihn und die Leistung der Brasilianer. Liverpool fand ihre Genugtuung 38 Jahre später, als sich beide Mannschaften im Finale der Klub-Weltmeisterschaft 2019 gegenüberstanden und Roberto Firmino’s Treffer den Reds den Titel bescherte.

Diese Flamengo-Mannschaft rund um ihren Spielmacher Zico gilt als legendär und ging in die Geschichte des brasilianischen Fußball ein. Das Ansehen des Klubs steigerte sich mit dem Triple sehr, wodurch bis heute Vergleiche zwischen diversen anderen Teams und dieser Flamengo-Truppe gezogen werden. Auch die Mannschaft von 2019, die die brasilianische Meisterschaft, die Campeonato Carioca und die Copa Libertadores gewann, wurde dem Team von 1981 gegenübergestellt, doch Stürmer Gabigol & co. stehen im Schatten des Erfolges von Zico und seinen Mitspielern, die in dieser Saison 144 Tore schossen.

Tim Bosnjak

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