Zuschauerrückgang in Österreichs Stadien: Zahlen, Fakten und Gründe
Fußball in Österreich 20.April.2013 David Ryborz 0
Die Situation in Österreichs Stadien verschlechterte sich in den letzten Jahren zunehmend. Eine mäßige Infrastruktur, steigende Ticketpreise sowie international gesehen ein eher schwaches spielerisches Niveau der Mannschaften, spiegeln sich in den Statistiken wieder. Hinzu kommen wenig reizvolle Begegnungen, die einen Stadionbesuch für den Großteil der Anhänger schmackhaft machen könnten. Doch warum kam es in den letzten Saisonen zu solch einem starken Rückgang in den Besucherzahlen, was kann dagegen unternommen werden und wie wird die Situation in Zukunft wohl aussehen?
Verschwinden einiger Großklubs
Man kann ohne Zweifel behaupten, dass das Interesse am österreichischen Fußball in den letzten Saisonen leicht gesunken ist. Mit dem Zwangsabstieg des GAK in der Saison 06/07 verlor die österreichische Bundesliga sein zweites großes Stadtderby. Der Abstieg des LASK (10/11) und der folgende Zwangsabstieg eine Saison später hatte ebenfalls keinen positiven Effekt auf die Zuschauerzahlen. In ihrer letzten Bundesligasaison rangierten die Linzer immerhin noch auf Platz 6 in der Zuschauertabelle. Mittlerweile sind gar nur mehr vier Landeshauptstädte mit fünf Teams in der höchsten Spielklasse vertreten. Dieser Trend könnte sich unter Umständen in den nächsten Jahren fortsetzen, Teams aus kleineren Städten spielen bzw. halten sich aufgrund von guten Leistungen in der Bundesliga.
Zuschauerrückgang aktuell
Die „großen Vier“ der heimischen Liga sind auch in dieser Statistik das Maß aller Dinge. Dank der überragenden Saison des FK Austria Wien, können die Veilchen auf ein Plus von etwa 10 Prozent gegenüber der Vorsaison zurückblicken. Einzig der WAC als Aufsteiger konnte fast doppelt so viele Fans ins Stadion locken, die Besucherzahlen beim SK Sturm blieben konstant. Die restlichen sieben Vereine verzeichneten meist einen drastischen Rückgang von teilweise über 10 Prozent. Die beiden Niederösterreichischen Teams FC Trenkwalder Admira und SC Wiener Neustadt liegen mit einem Schnitt von 2.853 bzw. 2.795 Besuchern sehr weit unter dem Durchschnitt (6.676). Zudem tragen die mäßigen Leistungen von Wacker Innsbruck dazu Teil, dass mittlerweile viele Fans auf einen Stadionbesuch verzichten, obwohl eine große Fanbasis sowie ein großes Stadion vorhanden wäre. Die Fanprobleme der beiden Wiener Topklubs in letzter Zeit bzw. zum Ende der letzten Saison hatten ebenfalls keinen positiven Effekt auf diese Statistik.
Kurz vor Weihnachten 2012 erlebte der amtierende Meister aus Salzburg einen absoluten Negativrekord. Im Heimspiel gegen den SV Mattersburg waren nur 3.426 Zuseher anwesend – die mit Abstand niedrigste Zuschauerzahl in der mittlerweile fast 8-jährigen Red Bull Ära.
Infrastruktur und Spielplan
Die Infrastruktur in den meisten Stadien Österreichs lässt ebenfalls zu wünschen übrig. Zwar haben sieben Stadien ein Fassungsvermögen von über 12.000 Plätze, doch nur der SK Rapid kann des Öfteren ausverkaufte Spiele verzeichnen. Seit einigen Jahren gibt es bei den Hütteldorfern Pläne, das Hanappi Stadion neu zu bauen und die Kapazität auf 25.000 Plätze zu erhöhen.
Nur die Teams aus den Landeshauptstädten verfügen über eine Rasenheizung, die Plätze in Wolfsberg, Ried, Wiener Neustadt, Mattersburg und Maria Enzersdorf müssen ohne Rasenheizung auskommen. In den Wintermonaten hat dies sehr oft Spielverschiebungen zur Folge, schwer zu bespielende Plätze sowie ein schlechter Zustand des Rasens sind auch keine Seltenheit. Darunter leidet vor allem die Qualität der Matches.
Um einen Blick auf den Spielplan zu werfen:
– Die Herbstsaison begann dieses Jahr gegen Ende Juli und endete Mitte Dezember
– Die Frühjahrsaison startete Mitte Februar und endet Mitte Mai
Die Winterpause beträgt deshalb nur acht Wochen (Schweiz: Zehn Wochen), die Sommerpause dauert zwei Monate (Schweiz: Acht Wochen). Mit einer Umstellung auf das „Schweizer System“ und der Verkürzung der Sommerpause gäbe es mehr Spiele in den „warmen“ Monaten, wodurch auch erfahrungsgemäß mehr Zuschauer in die Stadien gelockt werden.
Eine Stufe niedriger
In der Heute für Morgen Erste Liga spielen sechs Teams, die über ein Stadion von über 8.000 Plätzen verfügen. Das größte Stadionprojekt schloss diese Saison der SKN St. Pölten ab, als die NV Arena mit einem Fassungsvermögen von bis zu 13.000 feierlich eröffnet wurde. Dank einer durchwegs erfolgreichen Saison können Austria Lustenau, SCR Altach und St. Pölten auf akzeptable Zuschauerzahlen zurückblicken. Die Austria aus Lustenau, welche aufgrund des Zwangsabstiegs vom FC diese Saison das letzte Lustenau Derby bestreiten wird, sorgte schon letzte Saison mit dem 4:0-Auswärtserfolg beim FK Austria Wien und dem Einzug ins Cupfinale für Furore. Der SCR Altach hingegen strebt eine Rückkehr in die Bundesliga an. Gemeinsam mit St. Pölten können diese drei Teams beim Zuschauerschnitt mit dem unteren Mittelfeld der Bundesliga mithalten.
Der Tabellenführer SV Grödig (südlich von Salzburg) kommt trotz einer Traumsaison nur auf einen Zuschauerschnitt von 741 Besuchern. Die Untersberg Arena besitzt ein Fassungsvermögen von nur 2.955 Plätzen (davon 1.065 Sitzplätze). Da die Bundesliga-Statuten aber ein Mindestfassungsvermögen von 3.000 Sitzplätzen vorschreiben, müssten die Salzburger im Falle eines Aufstiegs ihre Arena ausbauen.
Traditionsvereine am Weg zurück
Wenn man sich die Zuschauerstatistiken bestimmter Vereine in der Regionalliga zu Gemüte führt, sieht man, dass Traditionsvereine wie Austria Salzburg oder der LASK noch immer auf eine stabile Fanbasis vertrauen können. Mit der Zwangsinsolvenz des GAK, der ebenfalls diese Saison noch in der Regionalliga Mitte spielte, standen viele Fans plötzlich ohne Verein da. Mit einem Zuschauerschnitt von über 1.000 pro Heimspiel können diese Traditionsvereine locker mit dem Großteil der Teams der Heute für Morgen Erste Liga mithalten. Bei einem möglichen Aufstieg würde sich die Zahl der Besucher mit Sicherheit weiter erhöhen.
Erwähnenswert war das Spitzenspiel zwischen dem FC Pasching (1.) und LASK Linz (2.) in der 16. Runde. Die Linzer konnten sich auswärts am 9. März 2013 im Waldstadion vor 5.000 Zusehern mit 1:0 durchsetzen.
Fehlendes Interesse, wenig Reiz und die Ticketpreise
Doch was ist der tatsächliche Grund, warum die Fans nicht mehr ins Stadion gehen? Einerseits spielt das generelle Interesse am österreichischen Fußball eine wichtige Rolle, andererseits besteht beim Großteil der Zuseher nicht der Reiz, jedes Spiel seines Lieblingsklubs zu besuchen. Die Faktoren Emotionalität, Rivalität und Qualität spielen hierbei wohl die größte Rolle. Die Personen gehen ins Stadion, um sich zu unterhalten, „schönen“ Fußball zu sehen und emotionale Momente zu erleben. Eine gewisse Rivalität unter den Teams und Fans ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil – dieser Punkt ist in der österreichischen Bundesliga nur selten gegeben. Auch die Qualität der Begegnungen bzw. das Tempo des Spiels selbst liegt im internationalen Vergleich nicht im Spitzenfeld. Das Image der „Ausbildungsliga“, welches in den letzten Jahren verstärkt forciert wurde, trägt seinerseits dazu bei, dass nur mehr wenige „Stars“ bzw. Nationalspieler in der höchsten Spielklasse agieren und die Fans ins Stadion locken.
Die Ticketpreise bei den Teams blieben konstant hoch – nicht jeder will sich diesen Luxus leisten und sieht sich die Spiele zu Hause im TV an. Die billigsten Tageskarten im Vergleich: FK Austria (18€), Red Bull Salzburg (13€), SK Rapid (22€), SK Sturm (15€), SV Ried (14€), WAC (13€), Mattersburg (14€), Admira (13€), Wr. Neustadt (11€), Wacker Innsbruck (16€)
(alle Vollpreis – kein Topspiel)
In der Vergangenheit hat man aber durchaus erkennen können, dass das Potential durchaus vorhanden wäre. Die Europa-League-Spiele des SK Rapid waren immer sehr gut besucht (vs. Leverkusen 42.500), die Wiener Derbys im Happel Stadion lockten auch zwei Mal 30.000 Fans ins Stadion. Die Länderspiele sorgen ebenfalls konstant für fast volle Stadien.
Ein Blick über die Grenze
Ein Vergleich mit der „Fußballhochburg“ Deutschland ist in diesem Fall unangemessen. Fast 82 Millionen Einwohner (Anm. Österreich ~8,5) und eine langwährende Fußballtradition sorgen dafür, dass selbst in den untersten Ligen noch viele Tausende ihren Verein im Stadion unterstützen.
Ein Blick zum Austragungspartner der Euro 2008 lohnt sich hier schon eher. Die Schweiz überzeugt schon seit längerer Zeit mit vollen Stadien und internationalen Erfolgen. Ein Mitgrund für diese positive Entwicklung ist mit Sicherheit die Nutzung aller vier EM-Stadien (St. Jakob-Park, Letzigrund, Stade de Suisse, Stade de Genève) von fünf Teams (Grasshopper Club Zürich und FC Zürich spielen beide im Letzigrund). Außerdem hat kein Stadion ein Fassungsvermögen von unter 10.000 Plätzen, die Arena Thun (10.398) ist mit Abstand die kleinste Arena. Die internationalen Erfolge des Schweizer Nationalteams, des FC Basel 1893 und der BSC Young Boys tragen ihrerseits dazu bei, dass das Interesse bei den Fans stieg, das Stadion stets sehr gut besucht ist und die Vereinsführung dadurch sehr gut wirtschaften kann.
In Österreich werden zwei der vier EM-Stadien (Happel Stadion, Wörthersee Stadion) nicht genutzt. Diese „Stadionverschwendung“ wirkte sich sehr stark nach dem Konkurs und dem folgenden Zwangsabstieg des SK Austria Kärnten im Jahr 2010 aus. Die Hypo Group Arena (32.000 Kapazität) ist nun die Heimstätte des SK Austria Klagenfurt (Regionalliga Mitte).
Fazit:
Um den Negativtrend in Österreichs Stadien zu beenden, müssen viele Faktoren verändert werden und alle Vereine miteinander an diesem Problem arbeiten. Die Teams müssen es wieder schaffen, die Fans ins Stadion zu locken. Dies kann beispielsweise durch Ticketaktionen, verbesserte Infrastruktur, Veränderung des Spielplans oder letztendlich durch höhere Qualität in den Begegnungen erfolgen. Eine Aufstockung in eine 12er-Liga würde dieses Problem nicht lösen. Die Zuseher müssen in den nächsten Jahren wieder vermehrt in das Stadion gehen, internationale Erfolge oder spannende Matches würden positiv dazu beitragen. Die Bundesliga und ihre Vereine sind gefordert.
David Ryborz, abseits.at
David Ryborz
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