Analyse: Atleticos Auswärtssieg in Eindhoven
Champions League 14.September.2016 David Goigitzer 0
Gestern Abend trafen PSV Eindhoven und Atletico Madrid in der Champions League aufeinander. Wir sehen uns den 1:0-Auswärtssieg der Spanier genauer für euch an!
Prinzipielle Ausrichtungen
Die Madrilenen formierten sich bei Ballbesitz in einem 4-3-3 und hatten im Aufbau vor allem in der ersten Phase ein leichtes Spiel, da sich PSV etwas zurückzog und nicht sehr hoch presste. Die drei zentralen Mittelfeldspieler rotierten etwas, sodass es bisweilen auch 2-1 Formationen gab, in denen einer der drei Mittelfeldakteure den Zehner gab und eine Doppelsechs den Aufbau unterstützte. Auffallend war die Rolle von Filipe Luis, der sich in höheren Zonen oft im Halbraum positionierte, während Koke die Breite gab. Dieser Wechsel ging meist dynamisch vonstatten, weshalb die Holländer sich mit der Zuteilung schwer taten und sich oft aus der Position ziehen ließen, weshalb Durchbrüche für die Spanier aus der Hauptstadt möglich waren.
Im Pressing agierten die Gäste recht hoch, ließen zwar den Abstoß kurz spielen, rückten dann jedoch sofort nach. In einem 4-1-4-1 Pressing war Gameiro der Keil in der Mitte, während die Achter immer wieder aggressiv ansprinteten und die Halbräume in ihre Deckungsschatten stellten. Die Flügelstürmer deckten derweil die Seiten ab, der ballferne Achter verschob weit in die Mitte mit und deckte den tieferen Sechser bei PSV, während der ballferne Flügelstürmer den ballfernen Halbraum abdeckte. Diese Höhe legte sich jedoch nach ungefähr 20 Minuten, man agierte nun etwas tiefer und rückte nur situativ heraus. Zehn Minuten später nahm man nun öfter 4-4-2 Staffelungen an, Griezmann rückte in der Defensive neben Gameiro ins Sturmzentrum. Die beiden versperrten jedoch nicht wie üblich die Mitte sondern bewegten sich recht weit auseinander, man wollte im sogenannten „Trichterpressing“ die Gastgeber in die Mitte einladen und dann dort die Pressingfalle zuschnappen lassen. Diese Umstellung verhalf auch zu besser auszuspielenden Kontersituationen, zu zweit ist dies natürlich einfacher als bei Gameiro zuvor allein.
Ähnlich wie Atlético oft formierten sich die Hausherren in einem tiefen 4-4-2 Mittelfeldpressing. Auf den Flügeln agierte man sehr mannorientiert, die Flügelstürmer folgten ihren direkten Gegenspielern auch ballfern manchmal bis in die letzte Linie, sofern ihr Hintermann schon jemanden deckte. Durch diese Mannorientierungen passierte es zu oft, dass man sich von ausweichenden Gegner wegziehen ließ und Passwege in den Zwischenlinienraum öffnete. Nach ungefähr 25 Minuten passte Cocu an und seine Mannschaft presste von nun an im 5-4-1. So konnte man mit einer Viererkette im Mittelfeld weiterhin sehr kompakt verschieben und das Zentrum besser als davor abdecken, gleichzeitig konnte sich der ballferne Außenverteidiger weiterhin an der Breite orientieren um Wechselpässe abfangen zu können.
Das 4-4-2 formte sich im Aufbau der Mannen von Cocu in ein 4-1-3-2 um, hierbei gab Schwaab den tieferen Sechser, Hendrix rückte auf die Zehn. So weit kam man jedoch oft gar nicht, da die Verteidiger bereits Probleme mit dem spanischen Pressing hatten. Schwaab war hier auch zu passiv, bewegte sich nur wenig um den Ball zu bekommen. Eine Möglichkeit wäre gewesen, seitlich oder zwischen die Innenverteidiger abzukippen, so Staffelungen zu ändern und die Gäste vor ständig wechselnde Aufgaben zu stellen. So griff man meist zu hohen Bällen, welche man auch bei Kontern verwendete. Dies war sowieso das bevorzugte Mittel der Heimmannschaft, da man mit Luuk de Jong einen geeigneten Zielspieler und mit Narsingh als Sturmpartner einen sehr schnellen Spieler hatte, der weitergeleitete Bälle bekommen und in Sprintduelle gegen die Atlético Abwehrspieler gehen sollte. Zwar hatte man immer wieder ein paar sehr kurze Phasen, in denen man den Ball gut zirkulieren lassen konnte, jedoch schaffte man es nicht in diesen Situationen Durchschlagskraft zu generieren.
Atlético mit besserem Start
Die Holländer gingen scheinbar früh in Führung, nach einem Corner konnten die Gäste den Ball nicht wegbringen, die folgende Flanke wurde nach Ablage von De Jong eingeköpft, der Schiedsrichter entschied jedoch auf Abseits. Atlético hatte insgesamt dennoch den besseren Start, zeigte vor allem auf rechts auf dem Flügel immer wieder kurze, schnelle Kombinationen, bei denen die Achter und Gameiro die Zone überluden und bei der Dreiecks- und Rautenbildung unterstützten. Hier zeigte sich ein wenig der Weggang vom hohen Dribbelfokus im Angriff, den man letztes Jahr noch hatte, und vermehrt der Ruck zum Kombinationsspiel.
So erreichten die Spanier auch einige Durchbrüche, Gameiro hatte in den ersten 20 Minuten zwei Mal die Chance die Führung zu erzielen. Nach sehr schnellen Kombinationen mit fluiden Bewegungen brachte man die Mannorientierungen durcheinander und fand Räume vor. Die Bewegungen beinhalteten vor allem Läufe in die Tiefe aus dem Mittelfeld, während andere Spieler aus der ersten Linie sich in den geöffneten Raum zurückfallen ließen und sich oft unbedrängt drehen konnten. Dies ist der Nachteil an Mannorientierungen, wenn sich ein oder mehrere Spieler an den Schnittstellen der Zuständigkeitszonen bewegen und die Zuteilung nicht klar ist. Selbst wenn diese Verwirrung nur eine Sekunde dauert, dies ist für Atlético genug Zeit um durchzubrechen.
Nach ungefähr 20 Minuten kam die PSV besser ins Spiel, Schwaab kippte nun vermehrt auf rechts ab und erzeugte die vorhin bereits erwähnten und vorgeschlagenen Staffelungsänderungen. Auch Guardado zeigte sich immer besser und trieb das Kombinationsspiel im linken Halbraum an, suchte stets den vertikalen Weg nach vorne, ob mit Dribbling oder mit einem Pass. Nach etwas mehr als einer halben Stunde hatte Cocu bereits im Pressing auf 5-4-1 umgestellt, Simeone reagierte darauf und passte ebenfalls an, Atlético agierte von nun an im 4-4-2 mit Doppelspitze Griezmann- Gameiro.
Das nach innen leitende 4-4-2 Trichterpressing Atléticos
Nur wenige Minuten nach der Umstellung sah man die Effekte auf das nun verbesserte Konterspiel, gleich zwei gute Chancen wurden bei Schnellangriffen generiert. Aus eine dieser Chancen folgte ein Corner, der nicht richtig abgewehrt werden konnte. Der Ball kam zu Saúl, der mithilfe eines Seitfallziehers die Führung für die Gäste erzielte. Die Freude währte jedoch nur kurz, denn in Minute 46 entwischte Narsingh nach einer Mitnahme in die Tiefe seinem Gegenspieler Gimenez, der junge Uruguayer rutschte und traf den Stürmer minimal, dennoch entschied Schiedsrichter Atkinson auf Elfmeter, Moreno konnte Oblak jedoch nicht überwinden.
Long balls to de Jong, a mobile Narsingh & a serious degree of U-shaped passing.
No output from FBs.#passmap #PSV pic.twitter.com/lVZBjuNgso— 11tegen11 (@11tegen11) September 13, 2016
Ideenlose Hausherren im Ballbesitz
PSV zahnlos, Atlético verwaltet
Atlético war nach der Halbzeit nicht mehr so flüssig im Ballbesitz wie noch zuvor, dies lag aber auch an der umgestellten 4-4-2 Grundordnung, bei der dies einfach schwieriger ist, selbst wenn man wie die Mannschaft von Simeone eher im 4-2-2-2 spielt. Dennoch schaffte man immer wieder Durchbrüche und hatte nach zehn Minuten bereits wieder zwei Abschlüsse. Die Gastgeber kamen vor allem mit Filipe Luis‘ aufrückender Rolle durch den Halbraum nicht zurecht.
Gegen die Dominanz Atléticos im Defensivspiel wollte PSV mit Halbfeldflanken antreten. Diese sorgten zwar immer wieder für Aufregung, richtige Torchancen kamen hierbei jedoch nicht heraus. Den Holländern fehlte der Plan deutlich. In der Eredivisie gehören sie zu den dominanten Mannschaften, die den Ball gut laufen lassen können und über das Ballbesitzspiel auf den Flügeln und Halbräumen Durchbrüche finden. Die Eredivisie ist jedoch sehr geprägt von Mannorientierungen die leichter zu bespielen sind als das optionsorientierte, perfekt gedrillte Pressing von Atlético Madrid. So war es für die Eindhovener ungemein schwierig effektiv Torchancen herauszuspielen. Dies war schon in der ersten Halbzeit so, als die Torschussbilanz 10:1 für Atlético hieß, wobei der eine Torschuss PSVs der Elfmeter war und neun der zehn Schüsse Atléticos innerhalb des Strafraums abgegeben wurden. Aufgrund der Abwehrstärke konnten die Madrilenen also die Führung ohne Probleme über die Zeit bringen.
Fazit
PSV konnte aus der guten Phase nichts machen, hatte Ballbesitz ohne wenig Penetration, zu viel Aufbau im „U“ (also die Abwehrkette entlang) und viele hohe Bälle auf de Jong zeugten von Ideenlosigkeit. Atlético ließ kaum eine Chance zu und verteidigte wie immer perfekt, spielte sich vor allem in der ersten Halbzeit sehr gute Chancen heraus und gewann verdient.
David Goigitzer, abseits.at
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