Atlético Madrid gewann das Hinspiel im Cl-Semifinale gegen den FC Bayern München mit 1:0. Wir wollen uns ansehen, wie dieser Heimsieg zustande kam. Prinzipielle... Analyse: Atléticos unglaubliche Flexibilität im Defensivspiel gegen den FC Bayern

Atletico Madrid - Wappen mit FarbenAtlético Madrid gewann das Hinspiel im Cl-Semifinale gegen den FC Bayern München mit 1:0. Wir wollen uns ansehen, wie dieser Heimsieg zustande kam.

Prinzipielle Ausrichtungen

Atlético formierte sich im gewohnten 4-4-2 und agierten mit einem tiefen Mittelfeldpressing in der Defensive. Die Doppelspitze Torres-Griezmann hatte als primäre Aufgabe das Zustellen des Bayern-Spielers im Sechserraum (meist Alonso, situativ mit Lahm/Vidal gemeinsam) und das Anlaufen der Innenverteidiger. Dieses Anlaufen geschah meist bogenartig, damit man die Deckungsschatten geschickt nutzen und Gegner, meist Alonso, nicht anspielbar machen kann. Das Ziel Atléticos war es die Bayern auf den Flügeln einzukesseln und dort mit aggressivem Zweikampfverhalten und Zustellen der Passwege den Ball zu gewinnen. Elementar für diese Spielweise ist vor allem die enorme Laufbereitschaft, die die Colchoneros an den Tag legen. Vor allem im Gegenpressing wurde immer schnell reagiert und in hohem Tempo der Gegner nach Ballverlust sofort wieder unter Druck gesetzt.

Im Spiel mit den Ball agierte Atlético ähnlich wie in der Defensive, und zwar sehr direkt und zielgerichtet. Zwar wird der Ball in seltenen Phasen geduldig von eine Seite auf die andere zirkuliert, dies wurde jedoch nur bei keiner sinnvollen Anspielstation in die Vertikale gemacht. Gabi und  Fernandez halfen im Aufbau in einer Doppelsechs, wenngleich der Ball oft wieder auf die Flügel gespielt wurde, beziehungsweise suchte man diagonale Zuspiele auf die weit einrückenden, situativ als Zehner agierenden, Flügelstürmer Koke und Saúl. Unter Bedrängnis war der hohe Ball ebenfalls ein gern verwendetes Mittel, dieser kam jedoch meist in dicht besetzte Zonen, wo der Zugriff für das Gegenpressing ideal gegeben war. Sehr interessant ist auch die Dribbelstärke Atléticos, der Ballvortrag geschah oft über das Laufen mit dem Ball. Vor allem über links wusste sich Filipe Luis immer wieder aus brenzligen Situationen zu befreien und half bei Angriffen Fahrt aufzunehmen. Aber auch Griezmann, Koke und natürlich Saúl, wie er eindrucksvoll bei seinem Tor bewies, verfügen über eine enorme Qualität im Dribbling. Nach Ballgewinnen war es oft Torres, der als ausweichender Stürmer auf den Flügeln für Pässe in die Tiefe anspielbar war, Griezmann gab öfter den zentraleren Fixpunkt.

Die Bayern formierten sich in einem, für Pep-Verhältnisse zumindest, recht orthodoxem 4-1-4-1 mit „richtigfüßigen“ Flügelstürmern. Im Aufbau fächerten die Innenverteidiger wie gewohnt auf, einzig Lahm schob meist in den Halbraum, während Bernat Breite und Höhe im ersten Drittel gab, jedoch höher ebenfalls oft im Halbraum zu finden war, damit Costa bis auf die Außenlinie schieben konnte. Bernat stieß bei Flankenläufen von Costa auch immer wieder in den Strafraum, beziehungsweise sicherte die Halbräume für Zugriff im Gegenpressing. Wenn Alonso abkippte besetzten Vidal und Thiago, unterstützend situativ auch Lahm, den Sechserraum, während der andere Achter dann den Zehnerraum besetzte. Coman hatte auf rechts einige Probleme, hatte immer wieder mit Unterzahl zu kämpfen. Zwar ist dies nicht immer ein Problem für den jungen Franzosen, die Verteidiger Atléticos doppelten ihn jedoch oft und ließen kaum zu, dass er Tempo aufnimmt. Da Lahm nicht so oft hinter- beziehungsweise vorderlief musste Coman meist den Rückpass wählen.

Das Pressing der Bayern, das meist ein 4-1-4-1 Konstrukt annahm, war nicht allzu oft zu sehen, da man einerseits deutlich mehr Ballbesitz als Atlético hatte, und andererseits Atlético meist schnelle Konter fahren wollte, sodass man primär Gegenpressingsituationen hatte. Prinzipiell hatte man dafür meist auch die geeigneten Staffelungen, jedoch konnten sich die Madrilenen aufgrund der vorher bereits erwähnten Dribbelstärke oft aus diesen engen Situationen befreien.

Intensity helps, tactics rule

Die Bayern hatten erhebliche Durchbruchsschwierigkeiten, Atlético hatte in jeder Zone, auf jeder Höhe ein passendes Konzept um das Bespielen der eigenen Formation zu verhindern. Die Intensität, in der sie das Anlaufen, das Zustellen und die Zweikämpfe durchführen machte es den Bayern sehr schwer, trotz versuchter schneller Zirkulation. Immer wieder kamen Bayern-Spieler in Unterzahlsituationen die nur sehr schwer zu lösen waren. Atlético zeigte seine Flexibilität im Defensivspiel, wusste genau wann und wohin man die Pässe leiten wollte, um dort dann Überzahl zu generieren. Da die Colchoneros jedoch meist schnell genug entweder gegenpressen oder hinter den Ball kommen konnten, ging auch von Kontern keine Gefahr aus, wenngleich diese nicht sogar das beste Mittel an diesem Tag gewesen wären. In den passenden Situationen rückte Atlético auch weit auf, vor allem Torres und Griezmann liefen hier mit hohem Tempo an und störten den Aufbau. Kleine Fouls und Einwürfe störten den Spielfluss zusätzlich. Vidals teils unpassende Bewegungen aus dem Zentrum heraus auf die Flügel halfen diesbezüglich auch nicht, ganz im Gegenteil. Vidal war zwar in den letzten Wochen teilweise sogar so etwas wie ein Hauptprotagonist in einigen Partien des deutschen Rekordmeisters zeigte jedoch in diesem Spiel, wie auch gegen Juventus, dass das Positionsspiel nicht sein größtes Asset ist.

In Halbzeit eins zeigte sich auch immer wieder die enorme Konterstärke Atléticos, die nach Ballgewinnen oft mit hohen Bällen operierten, wobei meist der schnelle Griezmann das Ziel war, der zwei Mal die Chance hatte die Führung der Heimmannschaft zu erhöhen.

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Bernat im 4 vs 1

Bayern beißt sich die Zähne aus

In Halbzeit zwei positionierte sich Atlético auch teilweise zwangshalber etwas tiefer, die Zirkulation der Münchner war nun besser, das Positionsspiel sauberer. Vor allem die Halbräume wurden nun besser besetzt als in Halbzeit eins. Durch die großen Probleme sich in den Strafraum der Gastgeber zu spielen gab es eine kurze Phase, in der die Deutschen es verstärkt mit Flanken versuchten, die jedoch natürlich nichts einbrachten und für die spanischen Innenverteidiger überhaupt kein Problem darstellten. Mit Müllers Einwechslung wollte man eine flexiblere Strafraumbesetzung bringen, zudem wechselte Costa mit der Einwechslung Ribérys auf rechts, die inversen Flügelstürmer sollten durch diagonale Dribblings und vielleicht auch Abschlüssen für mehr Variabilität in der Kreierung von Chancen sorgen, dies gelang jedoch kaum. Die Bayern hatten auch im zweiten Durchgang deutlich mehr Ballbesitz, schaffte es aber prinzipiell etwas besser, die Formation Atléticos zu bespielen. Die Colchoneros hielten aber dicht, waren herausragend in der Strafraumverteidigung und konnten weiterhin immer wieder Nadelstiche in Form von Kontern setzen.

Fazit

Atlético bewies, warum man mit Juve zu den derzeit stärksten Mannschaften Europas zählt. Die unglaubliche Flexibilität im Defensivspiel, die es ermöglicht auf verschiedene Offensivmittel der Bayern zu reagieren, macht die Mannschaft Simeones aus. Die Bayern konnten kaum eine ganz große Torchance verbuchen, bekamen jedoch auch kein weiteres Gegentor und die Chance fürs Weiterkommen besteht natürlich weiterhin.

David Goigitzer, abseits.at

David Goigitzer

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