Am fünften Spieltag der UEFA Champions League, ging es für den österreichischen Meister de facto um alles. Die Bullen, die sich trotz mitunter starker Leistungen bislang punktetechnisch nicht dafür belohnen konnten, lagen mit nur einem Zähler am Tabellenende und damit zwei Punkte hinter Lok Moskau, die Atletico zweimal ein Remis abtrotzen konnten. Das hieß für Salzburg, dass man auf einen Sieg angewiesen war, um ein Überwintern im internationalen Bewerb nicht zu gefährden und in der Tabelle hinter den Russen zu laden. Selbstvertrauen für diese Aufgabe holte man sich am Wochenende, wo man sich warm schoss und St. Pölten mit 8:2 aus dem Stadion katapultierte.
Russen überraschen mit noch mehr Destruktivität
Red Bull Salzburg stand also vor keiner einfachen Aufgabe und aufgrund der Ausgangssituation, herrschte ein zusätzlicher Druck auf den österreichischen Meister. Lok Moskau präsentierte sich auch in der bisherigen Champions League-Saison als ebenbürtiger Gegner und verlangte auch den beiden Top-Teams Bayern und Atletico in den Duellen alles ab. Das zeigte sich auch im Hinspiel zwischen den beiden Mannschaften, wo Salzburg zwar phasenweise die Russen im Griff hatte, allerdings speziell im ersten Durchgang Probleme hatte und erst eine Systemumstellung auf eine Raute zur Besserung verhalf. Daher stand nun die Frage im Raum, wie es Salzburg in diesem Spiel anlegen würde. Trainer Jesse Marsch entschied sich dafür, seine bewährte 4-4-2 Formation auf das Feld zu schicken, wo man aufgrund der personellen Besetzung sehr flexibel agieren konnte.
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Diese Flexibilität war auch vonnöten, denn der Gastgeber überraschte mit seiner Aufstellung zunächst doch etwas. Trat man bislang meist mit einem kompakten und schwer zu knackenden 4-4-2 auf, veränderte man gegen Salzburg die Formation und schickte ein 5-3-2/5-2-1-2 auf das Feld – ergo eine Fünferkette. Damit versuchte man auch die Bedeutung dieses Spieles zu unterstreichen, denn Moskau reichte auch bereits ein Unentschieden, um sich in eine glänzende Ausgangsposition zu bringen und das direkte Duell für sich zu entscheiden. Daher galt es für die Russen auch, um jeden Preis die Salzburger zu stoppen und den vollen Fokus auf die Defensive zu legen. Dabei trat man von Anfang an so auf, wie man es von so einer defensiven Aufstellung mit nominell nur drei Offensivspielern auch erwarten würde: äußerst destruktiv und tiefstehend, mit einem klaren Plan, die Salzburger vom eigenen Tor fernzuhalten. Durch das 5-3-2 konnte man ein äußerst massives Zentrum gewährleisten, dieses mit den eigenen Spielern quasi überladen und dementsprechend die Räume verengen.
Situativ wurde daraus auch ein 5-2-1-2, sofern man etwas weiter aufrückte und versuchte, den Spielaufbau der Gäste mit einem formativen „2-1 Dreieck“ mannorientiert zu verfolgen, um so die beiden Innenverteidiger und Sechser Camara abzudecken. So versuchte man situativ den eigenen Rhythmus etwas zu verändern und nicht nur ausschließlich tief zu stehen. Sofern man den Ball gewann, versuchte man so schnell wie möglich die beiden physischen Spitzen in Szene zu setzen und die Tiefe zu suchen, wobei man auch probierte, mit Spielverlagerungen die ballferne Seite zu attackieren.
Kontrollierte Bullen-Offensive mit Tempoverschärfungen
Wie man gut nachvollziehen kann, keine einfache Ausgangssituation für die Salzburger. Man verfügt zwar über genügend Erfahrung beim Bespielen von destruktiven Gegnern, allerdings ist dies in der Champions League eher selten der Fall. Was dachten sich die Bullen dagegen aus? Zunächst versuchten sie nicht in die Falle von Moskau zu tappen und stürmten daher nicht auf Teufel komm raus, sondern versuchten eher einen kontrollierten Ansatz. Angriffspressing gab es daher zunächst keines zu sehen und stattdessen eher vereinzeltes Anlaufen der Verteidigung des Gegners. Das passte auch zum systematischen Ansatz, denn gegen den Ball formierte man sich nicht etwa zu einem 4-4-2, sondern zu einem 4-2-3-1. Berisha rückte eine Etappe zurück und gesellte sich auf eine Höhe zu Mwepu und Szoboszlai, während Koita alleine in der Spitze verblieb. Die offensive Dreierrehe stand dabei recht kompakt zueinander, um den zentralen Raum zu kontrollieren, während Koita vorne „absammeln“ ging. Warum entschieden sich die Salzburger für diese Variante?
In erster Linie zielte es darauf ab, Stabilität und einen Zugriff im Kampf um die zweiten Bälle zu gewährleisten. Man war sich relativ sicher, dass man Moskau recht einfach zu langen Bällen zwingen konnte bzw. sie dies auch selber im Sinn hatten. Das stellte sich auf dem Feld dann auch tatsächlich so dar, weshalb die Bullen mit den beiden tiefstehenden Sechsern Camara und Junuzovic gut auf dieses Spiel vorbereitet waren. Dementsprechend stabil war man auch bei den zweiten Bällen und ließ in dieser Hinsicht kaum Gefahr aufkommen. Daher konnte man auch relativ rasch den Fokus auf das eigene Offensivspiel legen. Diese präsentierte sich zunächst ebenfalls nicht bedienungslos nach vorne gerichtet, sondern eher auf Kontrolle ausgelegt. Man bespielte etwa das Zentrum zu Beginn ebenfalls nicht auf Teufel komm raus und streute auch immer wieder aus dem Spielaufbau heraus lange Bälle in die Spitze ein, um auf die zweiten Bälle zu gehen.
Erst nach und nach und als man ein Gefühl für das Spiel und den Rhythmus bekam, ging man mehr Risiko ein und bespielte auch die Schwachstellen des tiefstehenden Blocks. Vor allem über die rechte Seite fand man immer wieder Durchbruchsmöglichkeiten vor und baute da ein durchschlagskräftiges Dreieck mit Kristensen, Mwepu und Koita auf, die immer wieder Lösungen und den Weg in den Strafraum fanden. Oftmals ließ man aber auch den Ball zunächst ruhig in den eigenen Reihen und auf dem Flügel zirkulieren, um dann überfallsartig das Tempo zu verschärfen und per Direktspiel das Zentrum zu attackieren. So zu sehen auch beim ersten Abseitstreffer der Salzburger, wo man sich sehenswert und per Direktspiel vor das Tor kombinierte. Garniert mit dem mittlerweile bekannten starken Gegenpressing, hatte man die Partie im Griff und nicht nur wesentlich mehr Ballbesitz, sondern auch die gefährlicheren Szenen. Nach 28 Minuten belohnte man sich dann für die Überlegenheit und nach mehreren Abschlussversuchen sprang der Ball Berisha vor die Füße, der zum 1:0 traf.
Damit war man voll auf Kurs in Richtung des wichtigen Erfolgs und Moskau machte auch danach nicht wirklich Anstalten, offensiver und aktiver zu werden. Einzig eine Serie von Standards brachte die Bullen für einen kurzen Moment etwas unter Druck und kamen da die Russen zu Möglichkeiten, die sie jedoch nicht nutzen konnten. Die Gäste antworteten aber auf diese kurze Phase im Stile einer Spitzenmannschaft, indem man einen Konter und einem sensationellen Pass von Koita mit dem 2:0 Treffer veredelte und so den Vorsprung nochmal zusätzlich ausbaute. Damit ging man mit einer komfortablen Führung in die Halbzeitpause.
Weitere Systemumstellung und Nachlässigkeiten im Konterspiel
Nach dem 0:2 Rückstand und der schwachen Vorstellung im ersten Durchgang, musste natürlich Lok Moskau Veränderungen im eigenen Spiel vornehmen und aufwachen. Man löste daher auch die Fünferkette auf und kehrte nicht nur zum 4-4-2 Stammsystem zurück, sondern wechselte auch mit Miranchuk jenen Mann ein, der den Bullen im Hinspiel einige Probleme bereitete. Damit versuchte man das eigene Offensivspiel in Gang zu bringen und die langen Bälle sollten ebenfalls reduziert werden, um mehr spielerische Linie in das Auftreten der Gastgeber zu bringen. Das waren natürlich gute Nachrichten für die Bullen, denn dadurch boten sich klarerweise mehr Räume und Möglichkeiten für die eigene Offensive und das starke Umschaltspiel. Salzburg-Trainer Marsch antizipierte dann auch in der Halbzeitpause die kommenden Umstellungen vom Gegner und nahm selber einige Änderungen vor.
So kehrte man vom 4-4-2/4-2-3-1 ab und wechselte zum rautenförmigen 4-3-1-2, womit man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen wollte. Einerseits hatte man mit Camara, Junuzovic und Mwepu drei laufstarke Akteure im Zentrum, die in beiden Richtungen des Feldes ihre Stärken einbringen konnten und für Stabilität im Zentrum sorgten, während man andererseits Youngstar Szoboszlai hinter die beiden Spitzen beorderte, um den Ungarn besser in das Spiel zu bringen. Am Flügel hatten ihn die Russen recht gut unter Kontrolle und waren eng an ihm dran, weshalb er nicht so richtig in die Partie fand. Durch die Umstellungen hatte man nun auch konstant drei Spieler für das Umschaltspiel in der vordersten Front, was sich auch prompt positiv auf die Konter der Bullen auswirkte. Mehrmals konnte man nach Ballgewinnen mit mehreren Spielern die Verteidigung des Gegners mit Tempo attackieren, zeigte sich jedoch beim Abschluss oder beim letzten Pass etwas nachlässig, weshalb man zunächst keine Vorentscheidung herbeiführen konnte.
So blieb für die Salzburger die Gefahr bestehen, dass Lok Moskau mit einem Anschlusstreffer Rückenwind bekam und das Spiel zum Kippen brachte. Doch davon war zunächst wenig zu sehen, hatte man doch die Russen vollkommen im Griff. Das lag vor allem daran, dass Salzburg die starke linke Seite der Gastgeber vollkommen abmontierte und es am Duo Ramalho/Kristensen schlicht kein Vorbeikommen an diesem Abend gab. Doch in der Schlussviertelstunde leistete sich dann Ramalho ein völlig unnötiges Foul im Strafraum, wodurch Moskau einen Elfmeter zugesprochen bekam. Diesen verwandelte Miranchuk auch trocken und erzielte so aus dem Nichts den Anschlusstreffer. Durch die Szene im Nachgang des Gegentreffers, kam dann auch noch zusätzlich Hektik und Emotion in das Spiel, was für die Bullen tendenziell sehr gefährlich hätte werden können.
Doch der österreichische Meister antworte erneut schonungslos und nur wenige Augenblicke nach dem Gegentreffer startete der eingewechselte Adeyemi temporeich durch und behielt alleine vor dem Kasten die Ruhe und traf zum 3:1. Damit war auch der Wille der Russen endgültig gebrochen und Salzburg brachte das Ergebnis über die Runden.
Fazit
Es war wiedermal ein überzeugender Auftritt der Salzburger in der Champions League und anders als in den Spielen zuvor, belohnte man sich auch endlich mit einem Sieg für die eigene Leistung. Trainer Marsch sprach im Anschluss von der besten Leistung seiner Mannschaft in der Gruppenphase, wobei man darüber noch streiten könnte. Fakt ist jedoch, dass man sehr gut vorbereitet in das Spiel ging, den Matchplan perfekt umsetzte und über nahezu die gesamte Spieldauer die Partie unter Kontrolle hatte. Darüber hinaus erzielte man die Treffer immer im richtigen Moment und konnte dem Gegner so den Wind von den Flügeln nehmen. Einzig beim Verwerten der zahlreichen Konterchancen zeigte man sich etwas nachlässig, um dann dennoch im richtigen Moment eine wichtige Umschaltsituation auszunutzen und den Deckel auf die Partie zu legen. Nun hat man alle Trümpfe in der Hand, sogar noch ins Achtelfinale der Champions League einzuziehen und mit einem Sieg über Atletico Madrid im abschließenden Gruppenspiel, würde man dies sogar bewerkstelligen können.
Dalibor Babic
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