Am sechsten und damit letzten Spieltag der UEFA Champions League Gruppenphase, kam es für Red Bull Salzburg im Duell gegen Atletico Madrid zum großen... Analyse: Unglückliche Salzburger verabschieden sich aus der Königsklasse

Am sechsten und damit letzten Spieltag der UEFA Champions League Gruppenphase, kam es für Red Bull Salzburg im Duell gegen Atletico Madrid zum großen Finale um einen möglichen Einzug in das Achtelfinale. Dabei gingen die Bullen durchaus mit Zuversicht in das Spiel, legte man doch bislang ausschließlich gute Auftritte in der Königsklasse hin und verlangte bereits im Hinspiel dem spanischen Tabellenführer alles ab. Nun hieß es für die Salzburger, nochmal alles aus sich herauszuholen, um die Sensation doch noch irgendwie möglich zu machen.

Ultraaggressive Bullen setzen Atletico zu

Dass sich die Salzburger in dieser Champions League Saison bislang deutlich unter Wert geschlagen haben, ist mittlerweile kein Geheimnis. Trotz der guten Auftritte, speziell gegen die beiden Favoriten in der Gruppe Bayern und Atletico, ging man letztlich mit leeren Händen aus den Spielen heraus und musste sogar um den dritten Platz in der Gruppe zittern. Dank des 3:1-Auswärtssieges in der vergangenen Woche gegen Lok Moskau, hat man sich allerdings in die Pole Position zurückgebracht und diesen Platz zumindest weitestgehend abgesichert. Daher galt auch der volle Fokus darauf, das Spiel gegen Atletico zu gewinnen und doch noch den ganz großen Coup zu landen. Wie wollte man das bewerkstelligen? Zunächst musste Trainer Jesse Marsch etwas nachjustieren, fiel doch mit dem gesperrten Camara eine Säule im zentralen Mittelfeld aus. Die Antwort darauf war, dass man mit dem wiedergenesenen Torjäger Daka eine zusätzliche Offensivkraft ins Spiel brachte, was zusätzlich das Vorhaben und die Überzeugung der Bullen unterstreichen sollte. Systematisch wählte man dafür eine 4-3-1-2-Formation aus, in der Zielspieler Berisha etwas hängend hinter den beiden Spitzen positioniert wurde und man damit mit nominell drei Angreifern in die Partie hineinging.

Die Ambitionen und das Vorhaben waren damit also quasi schon klar, nämlich voll in die Offensive und aufs Ganze zu gehen. Von der ersten Minute an legten die Bullen auch prompt eine Intensität und Aggressivität auf den Rasen, wie man es selbst in dieser Form eher selten von den Gastgebern sah. Atletico wurde förmlich über den ganzen Rasen gejagt und im Vollsprint stetig unter Druck gesetzt, womit man Ballverluste und das gesamte Spiel an sich reißen wollte. Das hatte auch sofort eine Wirkung bei Atletico, die viele Ballverluste erlitten und kaum Ruhe ins Ballbesitzspiel brachten – und das trotz einiger Klassespieler in den eigenen Reihen.

Wenn jedoch ständig mehrere Gegenspieler im Volltempo ansprinten und der Druck förmlich von allen Seiten kommt, hat dies klarerweise Auswirkungen. Die Salzburger gingen auch ein großes Risiko ein, stachen laufend aus der Abwehr nach vorne und spielten mit einer hohen Abwehrlinie, wodurch die Gefahr bestand, dass auch mal ein Ball hätte durchrutschen können. Allerdings waren die Abwehrspieler der Bullen meist sehr aufmerksam und gewannen ihre Zweikämpfe – oder das Gegenpressing schlug davor schon zu.

Und in der Offensive? Da ging es ebenfalls mit sehr viel Zug und Tempo nach vorne und speziell wenn man das Zentrum bespielte, versuchte man mit „Steil-Klatsch-Steil“-Passmustern die hervorragende Defensive der Spanier zu knacken. Das klappte zu Beginn auch wunderbar und Berisha kam schon nach wenigen Minuten zu einem guten Abschluss, den er an die Stange setzte. Das deutete schon die Gefährlichkeit der Salzburger an, die durchaus auch System hatte. Die Gastgeber überlegten sich nämlich einige Kniffe, wie sie den 4-4-2-Block der Madrilenen knacken konnten. Aus dem Spielaufbau heraus wurde das System bei den Bullen ein 3-4-1-2, da Mittelfeldspieler Mwepu auf die rechte Seite abkippte und kurzzeitig eine aufbauende Dreierkette entstand.

Was war das Ziel dieser Dreierkette? In erster Linie zielte diese Vorgehensweise darauf ab, die eigenen Außenverteidiger in gewisse Positionen zu bekommen. Diese rückten nämlich durch die Dreierkette extrem weit auf und gaben quasi Flügelstürmer, wodurch wiederum das die zentralen Bereiche „überladen“ werden konnten, da die nötige Breite gegeben war. Alles unter der Prämisse, eine ausgewogene Struktur und gute Passverbindungen zu haben.

Beabsichtigt oder nicht, zog dies nämlich etwa Flügelspieler Carrasco nach hinten mit, wodurch Atletico oftmals im 5-3-2 verteidigte, statt im 4-4-2. Das brachte die Zuordnung der Gäste etwas durcheinander und Mittelfeldspieler Saul rückte u.a. auf Mwepu heraus, wodurch Salzburg in dessen Rücken große Räume vorfand und bespielen konnte. Das erhöhte die Dominanz und Präsenz der Bullen im Mittelfeld, da man damit über die ersten beiden Spielfelddrittel eine klare Überzahl herstellen konnte und die Spanier sich nach hinten orientieren mussten.

Das bedeutete allerdings, dass die Salzburger Lösungen gegen einen massiven Abwehrverbund finden mussten. Zumeist gelang dies nach Ballgewinnen und schnörkellosem Direktspiel nach vorne, der österreichische Meister fand jedoch auch kombinative Lösungen gegen den Defensivblock der Gäste. Sei es über diagonale Zuspiele ins Zentrum, Dreiecksbildung und Fortsetzung des Spiels über den freien Mann im ballfernen Raum, es waren einige Muster zu sehen, wie man ins letzte Drittel vordrang. Dementsprechend dominant waren die Bullen auch und sie hatten die Partie unter Kontrolle. Daher musste sogar Atletico teilweise zu einer Sechserkette (!) greifen, da die beiden offensiven Flügelspieler nach hinten rückten und quasi die Außenverteidiger gaben, um die Angriffe irgendwie verteidigt zu bekommen.

Balancesuchende Bullen, Atletico zeigt Qualität

Man kam auch zu einigen Torchancen, vermochte es jedoch nicht, diese aus teils aussichtsreichen Positionen zu verwerten. Hier fehlte schlicht die Abgebrühtheit einer Spitzenmannschaft mit Erfahrung, denn alleine zweimal knallte man den Fuß in den Boden und traf so den Ball beim Abschluss nicht richtig. Das ist oftmals der Unterschied in dieser Saison gewesen und deshalb hat man wesentlich weniger Punkte auf dem Konto, als man leistungstechnisch haben sollte. Nach gut 25 Minuten und nachdem man die starke Anfangsphase mit zahlreichen Chancen nicht in eine Führung ummünzen konnte, schalteten die Bullen in punkto Intensität einen Gang zurück und wechselten den Rhythmus.

Das ist der Unterschied zu früheren Mannschaften der Bullen, die über 90 Minuten Vollgas gaben und immer am Limit spielten. Unter Marsch versucht man mehr Balance hineinzubekommen, mal den Gegner kommen zu lassen und situativ auch mal auf ein Mittelfeldpressing zu setzen. Das war auch hier der Fall, weshalb Atletico besser ins Spiel fand und längere Ballbesitzphasen verbuchte. Das brachte auch Entlastung und die Spanier zeigten in dieser Phase auch ihre spielerischen Qualitäten, zumindest bis ins letzte Drittel. Kapitän Koke zog im Mittelfeld die Fäden und verlagerte meist sehr klug die Seite, wodurch der Ballbesitz gesichert werden konnte.

Doch so richtig gefährlich wurde es kaum, da die Gastgeber in der Strafraumverteidigung sehr aufmerksam agierten und die Situationen meist rechtzeitig bereinigen konnten. Allerdings leistete man sich kurz vor der Pause ein dummes Foul in der Nähe des Strafraums, das folgenschwer war. Atletico brachte einen scharfen Ball in die Mitte und verwertete die erste richtig gute Chance im Spiel. Das war natürlich Wasser auf den Mühlen der Spanier, denn mit der Führung im Rücken konnte man sich wieder vollkommen auf das eigene Kerngebiet und die Spielanlage konzentrieren – nämlich die Bullen von eigenen Tor fernzuhalten.

So mutierte die gesamte zweite Halbzeit auch zu einem Spiel wie auf einer schiefen Ebene. Atletico parkte im eigenen Strafraum den sprichwörtlichen Bus, die beiden Stürmer standen als Verteidiger teilweise 25 (!) Meter vom eigenen Tor entfernt und versuchten ihre Kollegen in der Verteidigung zu unterstützen. Man verteidigte im wahrsten Sinne mit Mann und Maus das eigene Gehäuse. Daher ähnelte die zweite Halbzeit auch eher einem Handball-, als einem Fußballspiel. Salzburg rückte mit allen Spielern in die gegnerische Hälfte auf, spielte sehr viel von links nach rechts rund um den Block und wartete geduldig auf Lücken. Das Verhältnis der Torschüsse zeigte nach knapp 60 Minuten mit 18:3 ein klares Plus für den österreichischen Meister. Es taten sich allerdings nur selten Lücken auf und wenn doch, gelang es Atletico meist im letzten Moment die Salzburger erfolgreich zu stören. Einzig bei einem sehenswerten Doppelpass zwischen Berisha und Szoboszlai, konnten die Bullen die Abwehr der Gäste aushebeln, allerdings versagten die Nerven des Ungarn und dieser setzte alleine vor dem Kasten das Spielgerät neben das Gehäuse.

Von Minute zu Minute hatte man dann immer seltener das Gefühl, dass die Salzburger den Ausgleich besorgen konnten und der Glaube schwand sichtlich. Atletico bekam in der Schlussphase auch durch die extrem offensive Ausrichtung der Gastgeber immer mehr Möglichkeiten zum Kontern und nutze eine dieser Gelegenheiten kurz vor Schluss für die endgültige Entscheidung, als Carrasco zum 2:0 traf. Das war dann auch der Schlusspunkt in dieser Partie.

Fazit

Für die Bullen ist es zum Mäusemelken, denn zum wiederholten Male stand man in dieser Champions League Saison trotz einer starken Leistung mit leeren Händen da. Man hat Atletico erneut alles abverlangt, war über die gesamte Spielzeit gesehen die bessere Mannschaft und bereitete dem spanischen Tabellenführer große Probleme. Vor allem das Pressing und die hohe Intensität setzte den Madrilenen zu und diese konnten sich lange Zeit nicht aus der Umklammerung befreien, was eine Auszeichnung für die Salzburger ist.

Gegen eine der besten Defensivreihen Europas zu einigen klaren Torgelegenheiten zu kommen, ist nicht selbstverständlich und zeugt davon, dass man vieles richtig gemacht hat. Letztlich fehlt allerdings etwas die Abgebrühtheit in den entscheidenden Situationen und auch das Glück war nicht immer auf der Seite der Salzburger. So geht es nun in der Europa League für die Bullen weiter, wo man allerdings mit solchen Auftritten sehr weit kommen könnte.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic