Anekdote zum Sonntag (41) – Tschickschnorren für den Rapid-Sieg
Champions League 27.September.2015 Marie Samstag 1
Ein Wunder brauchte Rapid 2005 um Lok Moskau zu schlagen und ein Wunder bekam Rapid. Düdelingen aus Luxemburg wurde zuvor von Evergreen Steffen Hofmann – damals noch frisch wie ein morgendliches Kaisersemmerl – und seinen Recken mit 6:1 geschlagen. Die Reise ins Fürstentum mutierte zum lustigen Betriebsausflug, daheim im Hanappi-Stadion wurde den Grün-Weißen dann aber anders, als die Amateure zur Pause mit zwei Toren führten. Lawaree und Dollinger sorgten noch für einen glücklichen Rapid-Sieg, die Peinlichkeit eines Ausscheidens sollte Salzburg einige Jahre später nachholen.
Gegen die Russen war eine deutliche Leistungssteigerung von Nöten, das wusste der amtierende österreichische Meister. Im Vorfeld ließ man sich die Vorbereitung ein bisschen etwas kosten und Trainer Hickersberger arbeitete ein telefonbuchdickes Dossier über die letzte Hürde auf dem Weg in die CL durch. Beim Spiel in Wien dann sorgte Loks Samedov nach einem Konter vom Allerfeinsten für den ersten Treffer. Das Hütteldorfer Wunder nahm jedoch langsam Gestalt an, als Torhüter Payer die Bälle wie mit Magnethänden anzuziehen schien und seine Rapid so im Spiel hielt. Die anschließende Aufholjagd brachte den Ausgleich: Nach einem Foul an Akagündüz verwandelte Jozef Valachovic den fälligen Elfmeter. Ein 1:1 zuhause ist ganz ok, doch Lokomotive hatte in den letzten zwei Jahren kein internationales Heimspiel verloren. Die vielgepriesene Rapid-Familie – zumindest der engste Kreis: Präsidium, Mannschaft und Hardcorefans – flog nach Moskau. Die Taktik lautete: Gut verteidigen, lange ein 0:0 halten und dann komme-was-da-wolle auf Sieg stürmen. Am 22. August 2005 landete der Rapid-Tross in russischen Gefilden, am 24. August um 1:07 Uhr kam er wieder in Wien-Schwechat an. Dazwischen, am 23. August, schaffte Rapid das Wunder.
Als die Grün-Weißen nicht blind ins offene Messer liefen, wuchs mit jeder vergangenen Minute die Unsicherheit der Gastgeber. Die Wiener verteidigten ordentlich und nach der Pause tauschten Ivanschitz und Hofmann die Plätze: Lok war verwirrt. Doch es kam zu keinem Tor – weder hüben, noch drüben. Unter den 28.000 Zuschauern befanden sich auch knapp 200 tonangebende Rapid-Fans, selbstverständlich war auch der damalige Rapid-Präsident zur Nervenprobe mitgereist. Edlinger, seit fünf Jahren Nichtraucher, wurde, so wie die meisten Fans, um die 70. Minute herum immer nervöser. Schon im Mai hatte der Ex-Finanzminister seinen Sitznachbarn, Kuratoriumsmitlied Franz Schnabl, um eine Beruhigungszigarette gebeten: Im Nachtragsspiel in der Südstadt standen die Hütteldorfer damals knapp vor dem Meistertitel, doch die Admiraner kämpften als ginge es ums nackte Überleben. Als alles schon nach einem torlosen Unentschieden aussah, konnte Edlinger nicht mehr und bettelte um einen Glimmstängel und das obwohl er schon so lange „trocken“ war. Zwei Züge aus der Marlboro-Light später erzielte Ferdl Feldhofer mit einem Kopf-Schulter-Oberarmstoß das 1:0. Die Dämme brachen: Wildfremde Rapidler lagen sich in den Armen, Hickersberger stürmte das Spielfeld. Das grüne Wien trug seine Helden in Mödling auf den Schultern, der Grundstein für den Meistertitel war gelegt.
In Moskau war vielen Rapid-Fans euphorisch-kribbelig zumute, weil sie spürten: Da geht heut‘ was! Da bildete auch der oberste Grün-Weiße keine Ausnahme: „Host an Tschick?!“, brummte der gelernte Lithograph nach einigen qualvollen Minuten schließlich. Prompt händigte ihm sein Sitznachbar mit zittrigen Fingern eine Zigarette aus und das vielzitierte Wunder sollte beginnen: Kaum war der teerige Glücksbringer angesteckt, bekam Rapid einen Eckball zugesprochen: Kapitän Hofmann trat von links an, sämtliche Spieler sprangen hoch, der Hinterkopf der Nummer 26 lenkte den Ball ins lange Eck ab. Tormann Owtschinnikow sah der mit roten Sternen verzierten Kugel nur mehr hinterher und nach Millisekunden, die einer Ewigkeit glichen, zappelte das Ding endlich im Netz. Unhaltbar. Oberkörperfreie Rapid-Fans brüllten ihr Glück in den Nachthimmel. Edlinger riss es reflexartig vom Sessel, vermutlich hat er dabei die geschenkte Zigarette fallen gelassen. Egal, ihren Zweck hatte sie sowieso bereits erfüllt. „Ein Zauber um den blauen Dunst war“, hätte Schiller eventuell gereimt – unter der Bedingung, dass er noch leben und Rapid-Fan sein würde. Zweimal in einem Herzschlagfinale Instant-Lungenkrebs-Macher abzuschmeicheln muss ein hexerisches Ritual sein. Nicht nur deswegen, sondern weil wir Menschen eben Gewohnheitstiere sind, musste sich Rudi Edlinger ab jener Moskauer Nacht bei sämtlichen Spielen, die nicht gut liefen oder noch nicht entschieden waren, von seiner Umgebung Tschick anbieten lassen. Bis zu jenem Zeitpunkt als er offiziell wieder zum Raucher wurde: Fußball ist wahrlich eine Leidenschaft, die Leiden schafft.
Marie Samstag, abseits.at
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