In italienischen Medien wird die Champions-League-Begegnung zwischen Atalanta Bergamo und dem FC Valencia Mitte Februar als möglicher Anheizer der Corona-Krise bezeichnet. Behauptungen, die nicht belegbar sind. Und eigentlich niemandem weiterhelfen.
Als möglicher Antreiber für die derzeit höchst kritische Situation in und um die norditalienische Stadt Bergamo wird auch die Champions-League-Begegnung zwischen Atalanta Bergamo und dem FC Valencia in Betracht gezogen. Das Spiel fand am 19. Februar vor insgesamt 44.236 Zuschauern im San-Siro-Stadion zu Mailand statt.
Die italienische Presse befindet sich bezüglich der möglichen Auswirkungen des Spiels in Aufruhr. Die Zeitung La Repubblica beschreibt eine „Explosion der Ansteckung“, der Corriere della Sera spricht gar von einer „biologischen Bombe“. Auch Giorgio Gori, Bürgermeister von Bergamo, spekuliert wild: „Damals wussten wir noch nicht, dass sich das Virus in der Lombardei ausgebreitet hatte. Nicht nur viele der 44.000 Zuschauer in San Siro könnten sich infiziert haben. Viele Fans haben sich in Bergamo in Lokalen oder in den Wohnungen versammelt, um das Spiel im Fernsehen zu verfolgen, dies könnte zur weiteren Verbreitung der Pandemie beigetragen haben.“
Beweise für diese Theorie gibt es jedoch nicht. „Wir haben keine Zahlen, die einen Anstieg der Infektionen in der Provinz Bergamo auf dieses Spiel zurückführen lassen“, sagte eine Sprecherin der italienischen Zivilschutzbehörde, zu deren Aufgabe das Management des Covid-19-Notstands zählt, zur Sportsschau. „Natürlich, die Situation hat sicher nicht geholfen, die Ansteckungsraten abzubremsen. Aber wir haben keine Informationen, die belegen, dass das Match die Infektion massiv weiterverbreitet hat“ so Gerolmina Ciancio, Sprecherin einer italienischen Gesundheitsbehörde, ebenfalls gegenüber der Sportschau.
In einem typischen Reflex, anderen die Schuld zuweisen zu wollen, verbreiten manche italienische Medien gar die These, spanische Fans hätten das Virus nach Mailand mitgebracht. Ein zum damaligen Zeitpunkt scheinbar gewöhnliches Spiel der Königsklasse wird also offensichtlich mehr und mehr zum Politikum.
Dabei kann man sich die Skandalisierung wohl getrost sparen – ein einzelnes Ereignis wird schwerlich als einer der Hauptursachen auszumachen sein. Denn wie in dem Artikel der Sportschau berichtet wird, hätte zum Beispiel die Handelskammer Bergamo noch Ende Februar ausländischen Geschäftspartnern versprochen: „Die Gefahr ist gering, Bergamo läuft weiter.“ Wie wir heute wissen, bewahrheitete sich dies sich auf tragische Weise nicht.
In unserer globalisierten Welt gleicht es der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, Schuldige an der rasanten Verbreitung von Corona auszumachen – und hilft zudem gerade niemandem wirklich weiter. In Zeiten wie diesen bleibt es aber scheinbar ein zutiefst menschliches Bedürfnis, die Schuldfrage klären zu wollen. Durch wen oder welche Ereignisse könnte das Corona-Virus wo und wie verbreitet worden sein, wird in diesem Zusammenhang dann gefragt. Diese Fragen aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu stellen macht sicher Sinn – um vermeintlich Schuldige an den Pranger zu stellen eher nicht.
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