Im Hinspiel des Viertelfinales der UEFA Champions League gewann der FC Bayern München gegen Juventus Turin 2:0. In einer einseitigen Partie brachte ÖFB-Legionär David... Bayern legt Juves Schwächen offen – 2:0-Sieg dank zweier Buffon-Patzer

Bayern MünchenIm Hinspiel des Viertelfinales der UEFA Champions League gewann der FC Bayern München gegen Juventus Turin 2:0. In einer einseitigen Partie brachte ÖFB-Legionär David Alaba den deutschen Rekordmeister nach nicht einmal 30 Sekunden in Führung. Danach kontrollierten sie das Geschehen und legten in der zweiten Halbzeit noch einen Treffer drauf. Bei beiden Gegentoren machte allerdings Juve-Keeper Gianluigi Buffon eine schlechte Figur.

Als Alaba den ersten Schuss des Spiels von weit außerhalb des Strafraums abfeuerte benötigte der ehemalige Welttorhüter für seine Verhältnisse eine gefühlte Ewigkeit bis er ins rechte untere Eck abtauchte. Auch dem 2:0 ging ein Weitschuss voraus, den Buffon nicht festhalten konnte. Mario Mandzukic, der jedoch davor im Abseits stand, legte quer zu Thomas Müller und dieser schob aus kurzer Distanz ein. Neben diesen zwei Patzern des Routiniers prägte aber vor allem die taktische Überlegenheit der Bayern das Spiel.

Positive Auswirkungen des Kroos-Ausfalls

Die Gastgeber begannen in ihrer gewohnten 4-2-3-1-Formation, allerdings musste Trainer Jupp Heynckes geringfügige Änderungen gegenüber der Idealbesetzung vornehmen. In der Innenverteidigung begann in Abwesenheit des langzeitverletzten Holger Badstuber nicht Jerome Boateng sondern Daniel van Buyten. Im Mittelfeld musste man mit Javi Martinez einen Schlüsselspieler gesperrt vorgeben. Ersetzt wurde der spanische Neuzugang von Luiz Gustavo, der trotz technischer Nachteile eine sehr souveräne Partie spielte – vor allem defensiv.

Davor begann die nominelle „Einser“-Offensive, die jedoch nach einer Viertelstunde aufgrund einer Verletzung von Toni Kroos gesprengt wurde. Im Spiel gegen den Ball übernahm er als Zehner die obligatorische Pirlo-Manndeckung, mit ihm verteilte er die Bälle gewohnt stark aus seiner zentralen, offensiven Position. Nachdem er ausgewechselt wurde veränderte sich das Spiel etwas, Thomas Müller rückte in die Zentrale und Arjen Robben ging auf den rechten Flügel.

Schwarz-weißes Stürmerproblem

Auch Juventus startet aus der üblichen 3-5-2-Grundordnung und mit der nominell stärksten Elf – zumindest auf neun Positionen. Die Dreierkette, bestehend aus Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini bildet auch in der Squadra Azzurra das Gerüst in der Defensive. Rechtsverteidiger Stephan Lichtsteiner zählt vor allem offensiv zu den besten Europas. Auf den Halbpositionen im Mittelfeld agierten mit Claudio Marchisio und Arturo Vidal zwei Spieler, die sowohl technisch als auch physisch sehr stark sind.

Zwischen ihnen fand man das Metronom des Juve-Spiels: Andrea Pirlo. Der 33-Jährige musste sich wie erwähnt die meiste Zeit mit einer Manndeckung herumplagen. So konnte er nicht entscheidend eingreifen – unterm Strich standen für ihn nur 56 Ballkontakte – und das Offensivspiel der Italiener war lahmgelegt. Dies lag auch am Sturmduo. Sowohl Fabio Quagliarella als auch Alessandro Matri sind eher statisch veranlagt, was gemeinsam mit weiteren Problemen für ein großes kreatives Loch im Zentrum sorgte.

Unterlegen auf den Seiten und in den Halbräumen

Eine weitere, offensichtliche Bruchstelle stellte Linksverteidiger Federico Peluso dar. Nicht nur, dass er schon alleine aufgrund seiner Vorgeschichte – der 29-Jährige wechselte erst im Winter von Abstiegskandidat Atalanta nach Turin – als Schwachstelle abgestempelt wurde, auch im taktischen Konstrukt von Antonio Conte bekleidete er eine solche. Während die Bayern ihre Außenbahnen doppelt besetzt hatten, stand dort bei den Gästen nur jeweils ein Spieler.

Besonders nach dem frühen Wechsel wurde diese Schwachstelle sichtbar, denn obwohl Robben in den letzten Monaten seinen Glanz verloren hat, gilt er weiterhin als individuell starker Flügelspieler. Gemeinsam mit Hintermann Philipp Lahm ließ er Juves Linksverteidiger kaum eine Chance und die beiden flankten von der Seite unermüdlich in den Strafraum – acht Hereingaben waren es unterm Strich. Aber auch auf der anderen Seite wurde die numerische Unterzahl schlagend; so kam etwa Ribery sogar auf sieben Flanken.

Kompensieren wollten die Italiener den numerischen Nachteil dadurch, dass sie die Halbspieler situativ auf die Seite rausschoben – siehe Grafik (durchschnittliche Positionen) rechts. Allerdings eröffnete dies dann Räume in den Halbpositionen für nachstoßende Bayernspieler. Die eingangs erwähnten Schüsse wurden letztlich genau aus jenen Zonen abgefeuert, die üblicherweise von den Halbspielern abgedeckt werden würden. Während Vidal wenigstens noch kämpferisch dagegenhielt, kam der Auftritt von Marchisio (45 Ballkontakte, 73% Passgenauigkeit) einem Totalausfall gleich.

Probleme bei Bayerns Pressing

Der Italiener litt besonders unter den situativen Manndeckungen durch Luiz Gustavo und Bastian Schweinsteiger, die mit insgesamt sieben Tackles vor der Abwehr aufräumten. Aber auch im Spielaufbau nahmen die beiden Sechser entscheidende Rollen ein, in dem einer von ihnen – meist Schweinsteiger – aus der Mitte herauskippte und so auf der Seite anspielbar war. Die beiden Stürmer verloren dadurch den Zugriff – ähnlich wie es dem U21-ÖFB-Team gegen England widerfuhr. Zudem wurden die Außenverteidiger aufgrund der numerischen Unterlegenheit auf den Seiten gezwungen zurückzuweichen.

Anders verhielt es sich beim Aufbauspiel von Juve. Die Münchner fuhren dabei zwei Strategien. Die erste sieht man im rechten Bild. Man versuchte das Spiel auf die rechte Seite der Bianconeri zu lenken, was in diesem Fall sogar in einem Fehlpass von Buffon mündete. Vielmehr sah man dort aber potenziell größere Räume nach Ballgewinnen, da Lichtsteiner bei Juve-Ballbesitz weit offensiver agierte als Peluso. Die andere Vorgehensweise war, dass sich die Bayern etwas fallen ließen und durch Mandzukic gewissermaßen Scheinpressing gegen die Dreierabwehr praktizierten.

Da Pirlo zugestellt war, schlugen die Verteidiger immer wieder lange Bälle nach vorne, wo die Bayern aber im Gegenpressing meist die Oberhand behielten und die zweiten Bälle erobern konnten. Auch dies ist in erster Linie auf Überzahlsituationen zurückzuführen, da bei Juve alleine in der ersten Aufbaulinie drei Spieler – eben jene Abwehrspieler – standen.

Umstellungen greifen nur kurz

Nach etwas mehr als einer Stunde griff Conte ins Spiel ein, brachte Sebastian Giovinco und Mirko Vucinic für das bis dahin komplett blasse Sturmduo (zusammen nur 37 Ballkontakte). Durch diesen Doppeltausch erhoffte man sich, das Loch im Aufbauspiel besser füllen zu können, da sich beide im Zwischenlinienraum wohler fühlen. Tatsächlich wurde das Angriffsspiel danach in Ansätzen wieder etwas gefährlich, als zum Beispiel Vidal an Neuer scheiterte. Mit Fortdauer des Spiel kehrte der italienische Rekordmeister aber wieder zu alten Mustern zurück. Die Lücke zwischen Angriff und Mittelfeld bildete sich wieder aus.

Als man mit der Hereinnahme von Paul Pogba auf ein 4-4-2 umstellte um auf den Seiten wieder mehr Zugriff zu erlangen, ging dies jedoch auf Kosten des Zentrums und die Dominanz der Hausherren setzte sich fort. So muss – nicht zuletzt aufgrund des großen Chancenplus‘ – erwähnt werden, dass dieses 2:0 nicht das Optimum für den FCB war und er auch in Turin ans absolute Leistungsmaximum gehen muss. Im Juventus Stadium wird das Spiel aber vermutlich einen anderen Kurs nehmen, da anzunehmen ist, dass Juve ballbesitzorientierter agieren wird. Das wiederrum kommt ihrer Grundformation entgegen.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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