Der FC Bayern München wird am 19. Mai 2012 als erstes Team in der Geschichte der UEFA Champions League das Finale der Königsklasse im... CL-Halbfinalkrimi geht an Bayern – das Finale „dahoam“ ist perfekt

Der FC Bayern München wird am 19. Mai 2012 als erstes Team in der Geschichte der UEFA Champions League das Finale der Königsklasse im heimischen Stadion bestreiten. Im Halbfinale setzte sich der deutsche Rekordmeister nach intensiven 120 Minuten im Estadio Santiago Bernabeu gegen Real Madrid im Elfmeterschießen mit 3:1 durch. Zuvor kämpften sich die Münchner nach einem frühen 0:2-Rückstand heran und erzwangen so eine Verlängerung.

Bereits in der sechsten Spielminute brachte Cristiano Ronaldo die Heimischen per Elfmeter in Front. Bitter aus österreichischer Sicht: Ausgerechnet David Alaba verursachte den Strafstoß mit einem Handspiel, für das er obendrein auch noch Gelb sah und so das Endspiel versäumen wird. Als Ronaldo in der 14. Minute schließlich auf 2:0 erhöhte, schien das Spiel in klare Bahnen gelenkt. Doch Bayern gab sich nicht auf, verkürzte auf 1:2 und jubelte nach 30 Extraminuten und neun Elfmetern über den Finaleinzug. Sowohl Cristiano Ronaldo als auch Kaka scheiterten an Manuel Neuer, während Sergio Ramos seinen Versuch übers Tor hämmerte.

Die Formationen

 

 

 

 

 

Im Vergleich zum 2:1-Sieg im Clasico am Samstag und dem 1:2 in der Allianz Arena veränderte Jose Mourinho seine Startelf nur an einer Position. Der im Hinspiel schwache Coentrao musste Marcelo weichen – ein nachvollziehbarer Wechsel, gilt der Brasilianer doch als offensivstärker. Genau das zeigte Marcelo auch in der Anfangsphase, unterstützte Ronaldo mit seinen Vorstößen – mitunter ein Grund, warum der Superstar im Gegensatz zum Hinspiel mehr zur Geltung kam. Desweiteren griff Mourinho einen zweiten stark kritisierten Punkt aus der Niederlage in München auf: Di Maria besetzte konsequent den rechten Flügel, während sich Özil im Zentrum frei bewegte und es so generell kaum zu Rochaden kam. Auch der deutsche Nationalspieler zog seine Lehren aus dem Hinspiel, ließ sich phasenweise bei gegnerischem Ballbesitz zurückfallen und stellte somit das nominelle 3-zu-3-Gleichgewicht im Mittelfeldzentrum her.

 

 

 

 

 

Als nicht unwesentlicher Faktor wurde vor dem Spiel die Fitness der Spieler ausgemacht. Anders als Real konnte Bayern seine Spieler am Wochenende schonen, trat bei Werder Bremen nur mit einer B-Elf an. Aus der obigen Elf standen an der Weser nur Neuer, Luiz Gustavo und Schweinsteiger beim Ankick auf dem Spielfeld.

Die drei Phasen des Spiels

In drei verschiedenen Phasen, die zyklisch wechselten und hauptsächlich in Viertelstunden-Häppchen auftraten, bekamen die über 80.000 Zuschauer diese hochspannende und hochklassige Begegnung präsentiert. Zunächst dominierte Real das Geschehen, war sich von Beginn an klar, dass es mindestens ein Tor braucht um ins Finale einzuziehen. Etwa 15 Minuten lang – also bis kurz nach dem 2:0 – setzten die Weißen das Pressing hoch an, drückten den Kontrahenten weit zurück, zwang ihn zu vielen Befreiungsschlägen und hatten, begünstigt durch Bayerns abwartende Haltung, in der eigenen Hälfte, viel Platz um das Spiel aufzuziehen. Wie schon in der Hinspiel-Analyse angemerkt werden die Angriffe in erster Linie von Xabi Alonso und dessen präzisen, langen Diagonalpässen eingeleitet. Der tiefliegende Spielmacher lässt sich oftmals zwischen die beiden Innenverteidiger fallen oder driftet bei Marcelos Vorstößen auf die linke Seite ab. Mit der 2:0-Führung im Rücken zog sich Real etwas zurück, gleichzeitig ging Bayern in der Folge offensiv engagierter zu Werke. Durch diese Maßnahme erschlug man mehrere Fliegen mit einer Klappe. Alonso hatte durch das hohe Stehen der Angriffs- und Mittelfeldreihe keine Zeit seine langen Pässe vorzubereiten, kam erst gar nicht auf Verteidigerhöhe.

 

 

 

 

 

 

Ebenso band man Marcelo durch den hochgezogenen Lahm und die breite Stellung Robbens hinten, beschnitt ihn so seiner Offensivstärke. Ein weiterer markanter Punkt warum Bayern zum Anschlusstreffer kam war, nicht nur aufgrund des herausgeholten Elfmeters, Mario Gomez. Der Stürmer, der oft als statisch und unbeweglich bezeichnet wird, wurde nach der kalten Dusche zu Beginn aktiver. Er suchte als Wandspieler an vorderster Front die Räume zwischen den Verteidigern der Viererkette, zog dadurch die Innenverteidiger aus ihrer Position und schuf so Platz für seine Kollegen.

 

 

 

 

 

 

Die dritte Phase – nach Bayerns Anschlusstreffer bis zur Halbzeitpause bzw. ab der 75. Minute bis Schlusspfiff – kann man als klassische, aber keinesfalls langweilige Pattstellung charakterisieren. Zwar fanden beide Teams keine hochkarätigen Torchancen vor, dennoch gab es interessante taktische Aspekte, die nun erläutert werden sollen.

Bayerns polyvalentes Zentrum und Überladen der Flügel

Wie schon im Hinspiel war Toni Kroos, nicht nur aufgrund seiner Zehnerposition, ein zentraler und wichtiger Akteur im Team des FC Bayern. Im Gegensatz zu Özil und vor allem Kaka ließ er sich konsequent die ganze Spielzeit über fallen – häufig auch in die eigene Spielfeldhälfte – um die Geschicke des deutschen Vizemeisters zu lenken. Zwischen den Linien zeigte er dann wieder sein präzises Passspiel, brachte bei 110 Ballkontakten stolze 89% seiner Zuspiele ans Ziel. Nicht minder beeindruckend liest sich die Statistik von Bastian Schweinsteiger: 133 Ballkontakte und 88% Prozent angekommene Pässe bei 121 gespielten zeigen einmal mehr, dass der 27-Jährige der Chef im roten Mittelfeld ist. Besonders der Aktionsradius macht ihn als solchen für seine Mannschaft unverzichtbar und bekräftigt die These, dass Bayern ohne seine Verletzung trotz der starken Saison von Borussia Dortmund Meister geworden wäre. Ähnlich wie Alonso auf der anderen Seite kippte er von der Sechserposition beim Spielaufbau auf die linke Abwehrseite ab, während Alaba weit aufrückte. Schweinsteiger stieß aber in seiner unnachahmlichen Art mit dem Ball am Fuß ins Angriffsdrittel vor und attackierte beim Pressing den ballführenden Madrilenen als Erster. Damit riss er jedoch ein ums andere Mal ein Loch in den Defensivverbund, da sich die Viererkette relativ weit hinten aufstellte, während die Angreifer vorne Druck auf Reals Hintermannschaft ausübten. Ähnlich fasste Kroos sein Spiel auf, dementsprechend ähnlich ist seine Heat Map. Auch Rochaden zwischen den beiden Nationalspielern kamen öfter vor.

Ein weiteres beliebtes taktisches Mittel, das die Bayern anwandten um, ähnlich wie im Hinspiel, Gefahr auch über die Seiten auszustrahlen war das Überladen einer der beiden Flügel. War es in der Hinrunde noch hauptsächlich Riberys linke Seite, die von mehreren Offensivspielern besetzt wurde, variierte man diese Strategie mit Fortdauer der Saison – so auch gegen Real. Gefährliche Hereingaben waren aber trotzdem Mangelware, nur 6 von 21 kamen erfolgreich an.

Reals manndeckende Spielmacher und weitere Besonderheiten

Dass Xabi Alonso im Angriffspiel von Real Madrid eine wichtige Komponente ist, wurde bereits mehrfach ausgeführt, doch auch im Spiel gegen den Ball konnte man einen interessanten Punkt entdecken. Der 30-Jährige bekam offenbar die Anweisung Kroos zu neutralisieren, folgte ihn bis in die gegnerische Spielhälfte, was insofern interessant ist, als Khedira landläufig als „Drecksarbeiter“ bekannt. Die Aufgabe des Deutschen war es aber sich je nach Stellung seines Partners zu positionieren und die Räume zuzustellen. Die Bewachung von Schweinsteiger erledigte, auch aufgrund dessen oft tiefer Position, Landsmann Özil, der seinerseits ebenfalls oft außerhalb seiner eigentlichen Position zu finden war. Ein weiterer Punkt, der wesentlich mit Alonso verbunden ist, ist die Linkslastigkeit im Spiel des spanischen Rekordtitelträgers. Da er ungewohnt viel Druck seiner Gegenspieler spürte, konnte er, wie bereits erwähnt, kaum Diagonalpässe spielen, womit er hauptsächlich die Spieler in Ballnähe anspielen. Da Alonso nominell links spielte waren dies hauptsächlich Ramos, Marcelo und vereinzelt auch Ronaldo. Zusammen mit der Tatsache, dass Reals Nummer 14 teamintern die meisten Ballkontakten hatte (107) und Arbeloa ungleich offensiv agierte wie Marcelo, ergab das eine markante Asymmetrie.

 

 

 

 

Fazit

In einem durchaus ausgeglichenen Duell war es die logische Folge, dass dieses Halbfinale im Elfmeterschießen entschieden werden musste. Die Statistik sieht, wie schon im Hinspiel, den FC Bayern im Vorteil – 55%:45% Ballbesitz, 20:15 Torschüsse, 37:29 gewonnene Tacklings – was einem dazu neigen lässt zu sagen, die Münchner hätten sich den Finaleinzug ein klein wenig mehr verdient. Auch die moralische Darbietung der Gäste lässt diesen Schluss zu, denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man im Bernabeu nach einem so schnellen Rückstand derart stark zurückkommt und Real die Stirn bietet. Dass dem Ganzen auch Mourinho nur wenig entgegenzusetzen hat, unterstreicht diese Tendenzen. „Ich habe gelernt, mich mit meinem Gegner zu freuen“, sagte der Portugiese nach dem Spiel.

axl, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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