Bayern gegen Juventus ist wohl das interessanteste Spiel dieser Champions-League-Runde. Als brisanter Faktor kam aus Bayern-Sicht noch ein taktischer Aspekt hinzu: Juventus spielt bekanntlich als einzige absolute Spitzenmannschaft mit einem 3-5-2, wodurch die gegnerischen Außenverteidiger vor komplexe Aufgaben gestellt werden. Wie würde sich also unser Legionär David Alaba schlagen?
Vorab muss gesagt werden, dass Alaba mit Stephan Lichtsteiner sogar den stärkeren der beiden Flügelverteidiger vor sich hatte. Doch der Jungstar löste diese Aufgabe mit Bravour und zeigte eine weitere herausragende Leistung.
Die Aufgabenstellung
Juventus‘ Flügelspiel ist nicht nur wegen seiner Rarität so gefährlich, sondern auch wegen den gruppentaktischen Bewegungen. Vidal und Marchisio weichen auf die Flügel aus und überladen diese. Die beiden Mittelstürmer gehen ebenfalls immer wieder auf die Seite und bieten sich als Anspielstation an, um mit Doppelpässen die Flügelverteidiger hinter die Abwehrkette zu bringen.
Soweit ließen es die Bayern und Alaba aber gar nicht kommen. Sie rückten aus der Viererkette heraus und spielten als Manndecker auf die gegnerischen Flügelverteidiger sehr hoch auf dem Feld. Eine solche Spielweise erfordert (taktischen) Mut, eine hohe Spielintelligenz und eine starke Athletik – kein Wunder, dass Alaba diese schwierige Aufgabe fehlerfrei löste. Seine herausragenden Fähigkeiten liegen in diesen Bereichen und durch sein tolles Attackieren Lichtsteiners erfüllte er seine Defensivaufgaben sehr schnell.
Konsequenzen von Alabas starkem und frühem Attackieren
Lichtsteiner konnte wegen des Dauerdrucks und Alaba im Nacken die zu ihm gespielten Bälle kaum kontrollieren. Bei jeder Ballannahme wurde er entscheidend gestört und konnte sich nicht drehen. Dies war aber eklatant wichtig für Juventus; eine Drehung gibt ihm das Sichtfeld nach vorne. Weil Lichtsteiner allein auf seiner Seite spielt und Bayern mit vielen Mannorientierungen agierte, konnte er keine „blinden“ und schnellen einfachen Pässe spielen. Stattdessen musste er entweder nach hinten prallen lassen oder verlor den Ball.
Dieses Prallen-lassen war allerdings ebenfalls kontraproduktiv. Diese Bälle kamen dann zu den Halbverteidigern, welche von Bayern gesondert gepresst wurden. Selbst wenn diese den Ball verarbeiten konnten, waren sie zu weit weg vom Geschehen und zu defensivorientiert, um für Gefahr zu sorgen.
Alabas wohldosiertes und gleichzeitiges aggressives Forechecking sorgte also dafür, dass die gesamte Gefahr über den rechten Flügel aus dem Spiel genommen wurde. Nebenbei wurde damit auch indirekt Arturo Vidal neutralisiert und Juventus erhielt mehr Druck, weil die Halbverteidiger abermals gepresst wurden und der Ball sich weit in der Turiner Hälfte befand.
Alaba in der Offensive
Nachdem Bayern dann die von Alaba provozierten Rückpässe eroberte, gingen sie zu schnellen Kontern über. Hier nahm Alaba abermals eine entscheidende Rolle ein. Um gegen Juventus‘ kompakte Spielweise mit bis zu fünf reinen Verteidigern effektiv zu agieren, musste Ribéry „befreit“ werden. Soll heißen: Alaba musste ihn unterstützen, um Ribéry seine Dribblings und Pässe zu ermöglichen.
Diese Unterstützung war zumeist ein normales Hinterlaufen. Dabei sprintete er so schnell wie möglich nach Ballgewinnen nach vorne, orientierte sich dabei an der Auslinie und gab dem Spiel damit die wichtige Breite. Während Ribéry mit Ball am Fuß vom Flügel in die Mitte zog, lenkte Alaba die Aufmerksamkeit des gegnerischen Flügelverteidigers auf sich.
Dieser konnte dann nicht mit dem Halbverteidiger der Dreierkette auf Ribéry gehen und den Franzosen doppeln. Stattdessen musste sich einer der beiden an Alaba orientieren, was sie vor eine schwierige Entscheidung stellte und oftmals Raum öffnete. Ging zum Beispiel der Flügelverteidiger auf Ribéry, konnte der Franzose meistens vor ihm „weglaufen“; er hatte ihn ja im Rücken. Außerdem öffnete Alaba dann eine große Schnittstelle in der Abwehrkette.
Einige Male war es aber auch Alaba, der Ribéry als Breitengeber nutzte. Dann ging Alaba Richtung Tor mit einem diagonalen Laufweg, was letztlich nicht oft für Gefahr sorgte, aber Juventus psychologisch und taktisch aus dem Konzept brachte.
Alaba im Aufbauspiel
Als letzter Punkt muss noch Alaba im Aufbauspiel genannt werden. Es gab eine Phase in der ersten Halbzeit, gleich nach der Führung für Bayern, wo Juventus sehr aggressiv und effektiv presste. Die Italiener stellten dabei die beiden Innenverteidiger der Münchner zu und ließen ihre drei zentralen Mittelfeldspieler breit und hoch in einer flachen Dreierreihe spielen.
Bayern konterte dies, indem sich Schweinsteiger nach hinten fallen ließ. Dabei kippte er nicht zentral zwischen die Innenverteidiger ab, sondern nach links – also hinter Alaba. Der Linksverteidiger konnte dann nach vorne gehen und wurde dadurch offensiv stärker genutzt. Alabas Ballsicherheit ermöglichte Schweinsteiger aber dann ein frühzeitiges Verlassen dieser Position und der Sechser mit der Nummer 31 konnte sich deswegen sehr früh zurück in die Mitte orientieren.
Dadurch hatte Bayern mehr Kompaktheit und Kreativität in der Mitte, was Alaba zu verdanken war. Die eigentlich negative Auswirkung des Herausrückens gab es somit nicht.
Fazit
David Alaba zeigte eine tolle Leistung, welche er bereits in der 1. Minute mit einem wunderbaren Tor zur Führung krönte. Dieser Weitschuss zeigte alles, was ihn auszeichnet: Zuerst war er taktisch richtig eingerückt, dann hat er sich situativ nach Pirlos Fehlpass nach vorne orientiert und anspielbar gemacht. Er erhielt den Ball und erkannte die Möglichkeit gefährlich abzuschließen, was er auch tat. Zusätzlich kam etwas Ballglück hinzu, aber wir wollen ja nicht auf Kleinigkeiten herumreiten.
Alles in allem war es wie gesagt eine tolle Partie Alabas, der hervorragend bei Überladungsbewegungen war, seine keineswegs einfache taktische Rolle dank seiner Athletik und Intelligenz einfach souverän und auf höchstem Niveau gelöst hat.
René Maric, www.abseits.at
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