Der FC Basel schafft die Sensation – durch Nachhaltigkeit und dank eines Journalisten
Champions League 9.Dezember.2011 Georg Sander 2
Die ganze Fußballschweiz stand Kopf. Der Vorjahresfinalist Manchester United wurde nicht nur aus dem Bewerb geworfen, sondern gedemütigt. 3:3 in Old Trafford, 2:1 im St.Jacobs-Park – da gab es viel zu verdauen für Altmeister Sir Alex Ferguson. Der größte Erfolg des jüngeren Schweizer Klubfußballs ist aber kein Zufall.
Die Basler lieferten am Mittwochabend nicht nur ein großes, sondern das größte Spiel seit der Spielzeit 2002/03 ab, als sie in der Zwischenrunde aufgrund des schlechteren Torverhältnisses am Einzug ins Viertelfinale scheiterten. Es war vor allem die Nervenstärke, die die Blau-Roten auszeichnete. Nach dem Traumstart mit der frühen Führung durch Marco Streller (9.) behielt die Abwehr mit Aleksandar Dragovic die Nerven. Ein Weitschuss von Nani (12.) , eine vertendelte Chance von Rooney (30.) und nochmals Nani (36.) sorgten für etwas Gefahr, United war aber nicht zwingend genug. Zu allem Überfluss verletzte sich noch Abwehrchef Vidic kurz vor dem Seitenwechsel. So gingen die Basler mit der Führung in die Pause. Auch nach Wiederanpfiff änderte sich wenig am Spiel. Verlief es in Durchgang eins von links nach rechts, blieb es dabei. Anstatt dass United Druck machte, spielten die Underdogs. Shaqiri (52.) mit einem Schlenzer und Frei mit einem Freistoß (53.), den De Gea mit einer Glanzparade entschärfen musste, sorgten für die Gefahrenmomente. In der 60. Minute brannte es im heimischen Strafraum lichterloh. Doch es war kein Engländer, sondern Ex-Bulle Steinhöfer, der den Ball nach einer Flanke an die eigene Latte schoss. In der Folge stürmte United wüst an, Welbeck und Macheda kamen (65. bzw. 82.), das Tor machte aber Alex Frei nach Shaqiri-Flanke. Zwar kam Manchester durch Jones noch zum Anschlusstreffer (89.), aber Basel war weiter.
Eff Cee Bee & Hoffmann-La Roche
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Engagement von Gisela Oeri „mit Schuld“ an den Erfolgen der Basler ist. Doch es sind nicht nur die Millionen Franken aus dem Erbe der Pharmafirma Hoffmann-La Roche, die den „Eff Cee Bee“ in die KO-Runde der Champions League brachten. Die neun Jahre und gut elf Monate unter Christian Gross brachten den Verein auf Schiene. Unter ihm holte der FC vier Meistertitel bzw. Doubles (02, 03, 07, 08), erreichte 2002 die Champions League-Zwischenrunde und 2005/06 das Viertelfinale des UEFA-Cups. Doch es sind nicht nur die Millionen von „Gigi“ Oeri oder die Trainer Gross, Fink und nun Vogel, die für den Erfolg verantwortlich sind. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet ein interessanter Mann im Hintergrund: Georg Heitz.
Der Journalist
Schon länger hatte Heitz, der sich mit dem Aufstieg ein Geschenk zum 41. Geburtstag am 13. Dezember machte, für die Basler gearbeitet. Der Journalist arbeitete bis 2009 nicht nur als Redakteur der „Basler Zeitung“, Mitarbeiter der Medienabteilung der FIFA oder Autor (Biographie der Yakin-Brüder), sondern als externer Berater des Eff Cee Bee. Nachdem Gross 2009 entlassen wurde, installierte der Verein den Journalisten als Sportkoordinator. Der Blickwinkel des Berichterstatters machte sich bezahlt. Alexander Frei, Adilson Cabral, Xherdan Shaqiri, Markus Steinhöfer, Aleksandar Dragovic, Yann Sommer, Granit Xhaka, Fabian Frei, Joo-Ho Park – fast die gesamte Startelf wurde unter Heitz‘ sportlicher Leitung geholt. Teilweise handelte es sich um große Transfers, wie bei Alexander Frei, Steinhöfer oder dem ÖFB-Verteidiger. Shaqiri oder Sommer und andere kommen aus dem eigenen Nachwuchs. Und der Job ist nicht einfach: Eigenen Angaben zu Folge muss er drei bis 30 Bewerbungen pro Tag sichten, vorselektieren, die Wirtschaftlichkeit prüfen und auch medizinische Test vereinbaren.
Heitz‘ Erfolg und Kritik
Diese exzellente Arbeit im Hintergrund macht sich für den Club bezahlt. Eren Derdiyok (Bayer Leverkusen) oder Beg Ferati (SC Freiburg) sind nur zwei prominente Beispiele für die gute Arbeit. Auch Thorsten Fink als Trainer setzt sich nach zwei Jahren in Basel beim Hamburger SV in Szene. Mit Shaqiri, Xhaka oder auch Dragovic hat der FCB weitere heiße Eisen in der Mannschaft. Doch seine Arbeit ist im Verein nicht ohne Kritik. Einzelne Stimmen werfen dem Management vor, Spieler an Ersatzbänke zu verkaufen. Das ist jedoch eine reaktionäre Meinung, die auch in Österreich bekannt ist. Doch der Verein bewahrt Ruhe und versucht, langfristig zu planen. Die umfassende Kenntnis über das Geschäft und der langjährige Blick von außen auf das Fußballbusiness erleichtern die Arbeit des heimlichen Sportchefs.
Fannähe
Nach dem Spiel am Mittwochabend stand Basel Kopf. In der Innenstadt wurde bis in die Morgenstunden gefeiert, auch die Spieler gesellten sich zu den Feierlichkeiten und tranken wohl das eine oder andere kleine Bier auf den unfassbaren Erfolg. Diese starke Bindung der Fans an den Verein war aber auch nicht immer ungetrübt, die Bilder von den Ausschreitungen nach der verlorenen Meisterschaft 2005/06 sind zwar schon verblasst, aber da. Nichtsdestoweniger pilgern in dieser Saison im Schnitt fast 30.000 Zuschauer in den St.Jacobs-Park, unterstützen den Tabellenführer mit allem, was sie haben.
Viel richtig gemacht
Nach dem bitteren Gang in die Zweitklassigkeit zum Ende der Saison 1987/88 spielt der FC Basel erst seit 1994 wieder in der höchsten Spielklasse. Nachdem das Konzept mit Stars wie Maurizio Gaudino oder Oliver Kreuzer in der Spielzeit 1997/98 fast in einem Abstieg geendet hätte, setzte ein Umdenken ein. Der Verein brachte die Infrastruktur in Ordnung, Oeri finanzierte den Neubau des „Joggeli“ zwischen 1999 und 2001. Hand in Hand mit der Nachwuchsförderung des Schweizer Fußballverbandes (in der Startelf gegen United standen U17-Weltmeister Xhaka sowie die U21-Vizeeuropameister Shaqiri, Frei und Sommer) wurde seit dem Fastabstieg 98 so gut wie alles richtig gemacht. Ein Großteil der Oeri-Franken wurde in die Nachwuchsarbeit gesteckt, so ist aktuell ein Campus für diese in Arbeit. Der Etat der Basler ist übrigens nicht viel größer als jener der Wiener Großclubs.
Natürlich ist der gegenwärtige Erfolg des FC Basel nur eine Momentaufnahme im schnelllebigen Fußballgeschäft. Doch Gross‘ Aufbauarbeit und das gute Auge von Georg Heitz ergeben mit der klugen sowie langfristigen Investition von Gisela Oeri ein Gesamtbild, welches auf Nachhaltigkeit abzielt. Das Rezept für erfolgreichen Fußball abseits von großen Sprüchen, Selbstinszenierung und jovialem Mäzenatentum dürfen durchaus als Wink in die Richtung der Marktführer verstanden werden. Einer dieser bezahlt das mit dem bitteren Gang in die von Franz Beckenbauer als „Cup der Verlierer“ beflegelte Europa League. Kleiner Trost für Alex Ferguson am Rande: Dieser Titel fehlt ihm noch…
Georg Sander, abseits.at
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Georg Sander
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