Die 10 ist voll: Real Madrid bezwingt Stadtrivalen Atletico im Champions-League-Finale
Champions League 25.Mai.2014 Rene Maric 0
In einem hochintensiven Finale kann Real mit etwas Glück und körperlicher Überlegenheit sowie starken Anpassungen Ancelottis den CL-Titel holen.
Real kontrolliert den Ball und sichert sich ab
Der Grundtenor dieses Spiels war zu Beginn der hohe Ballbesitz der Königlichen. Im Halbfinale konzentrierte sich Real häufig auf das Umschaltspiel, überließ den Bayern den Ballbesitz und stand oft tief in der eigenen Hälfte. In dieser Partie übernahm Atlético diese Rolle; sie pressten meistens erst ab Höhe der Mittellinie und wollten dadurch Real nach vorne locken, um nach Balleroberungen im Pressing in die offenen Räume kontern zu können. Diese Balleroberungen gab es allerdings überaus selten, weil Real das Positionsspiel im eigenen Ballbesitz überaus stabil anlegte. Nominell spielte der spanische Rekordmeister in einem 4-4-2, doch die Flügelstürmer bewegten sich asymmetrisch.
Gareth Bale auf rechts rückte in den rechten offensiven Halbraum, doch sein Gegenüber Angel di Maria orientierte sich weiter nach hinten und spielte tiefer im linken defensiven Halbraum. Dadurch entstand eine sehr sichere Staffelung im 2-5-3/2-3-5. Di Maria, Sami Khedira und Luka Modric positionierten sich in einer Dreierlinie, die Innenverteidiger hatten dadurch drei Anspielstationen und die Außenverteidiger waren bei ihren Vorstößen gut abgesichert. Vereinzelt tauschten sogar di Maria und Cristiano Ronaldo, aber das war eigentlich nur in einzelnen Szenen in der Anfangsphase der Fall. Bale, Ronaldo und Karim Benzema positionierten sich meistens in einer Dreierlinie davor und boten sich für Pässe an. Defensiv hatte Real somit immer viele Spieler hinter dem Ball und war gut abgesichert. Offensiv verfolgten sie eine simple Strategie.
Seitenverlagerungen gegen die enge Mittelfeldkette
Atlético Madrid spielt meistens in einem 4-4-2, in welchem die Mittelfeldkette sehr eng und die Abwehrkette etwas breiter spielt. Die beiden Stürmer leiten die gegnerischen Angriffe auf die Seite, ebenso wie das enge Mittelfeldband. Spielt der Gegner auf die Seite, dann verschiebt Atlético aggressiv in diesen Raum und isoliert den Gegner auf dem Flügel. Die strategisch wichtige Mitte bleibt dadurch nahezu durchgehend versperrt und der Gegner tut sich schwer beim Angriffsvortrag über diese Zone. Carlo Ancelotti ließ darum seine Mannschaft mit dieser 2-5-3-Staffelung spielen, wodurch schnelle und einfache Verlagerungen von einem Flügel zum anderen möglich waren. Mit der Fünferreihe im Mittelfeld und insbesondere den drei Mittelfeldspielern in einer Linie vor der Abwehr konnten sie den Ball enorm dynamisch auf die andere Seite zirkulieren. Dort wollten sie mit ihren Weltklassespielern Bale und Ronaldo sowie dem unterstützenden Benzema in der Mitte und den offensiven Außenverteidigern durchbrechen. Lange Zeit gelang dies auch. Real hatte mehr vom Ball, Atlético schaffte es lange Zeit kaum Zugriff im Pressing herzustellen. Darum stellte Diego Simeone auch um.
Atlético stellt auf ein 4-5-1 um
Schon nach ungefähr 27 Minuten gab es eine erste Anpassung Simeones in der Defensivstaffelung seiner Mannschaft. Der zweite Stürmer ließ sich weiter zurückfallen, wodurch eine 4-4-1-1-Formation entstand. Situativ gab es auch da schon ein 4-5-1 zu beobachten, doch diese Formation wurde erst nach der Führung konstant von den Colchoneros genutzt. Nach dem Führungstreffer spielten sie defensiv klar in einem 4-5-1 mit flacher Mittelfeldfünf, wodurch sie die Verlagerungen Reals neutralisierten. Mit den fünf Spielern im Mittelfeld sowie der flachen Aufreihung dieser Akteure hatten sie eine bessere Breitenstaffelung, mussten im Verschieben nach Seitenwechseln weniger dynamisch die Seite wechseln und hatten auf den Flügeln mehr Präsenz durch einen zusätzlichen Akteur als Absicherung im Zentrum.
Ab dieser Phase hatte Real kaum noch wirkliche Dominanz. Sie hatten zwar mehr vom Ball, waren dabei aber deutlich tiefer und fanden kaum noch Möglichkeiten, um in die gegnerische Hälfte aufzurücken und zu Torchancen zu kommen. Desweiteren gab es immer wieder Veränderungen Atléticos in der Pressinghöhe. In der Phase direkt nach dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit gab es zum Beispiel ein hohes Pressing weit in der Hälfte der Madrilenen in einem 4-1-4-1, nur um später häufig im 4-5-1-0 am eigenen Strafraum zu verteidigen; von extremer Aggressivität zu eindeutiger Passivität innerhalb von ein paar Minuten.
Dieses rhythmische Pressing verhinderte, dass Real seinen Rhythmus fand. Sie konnten selten auf dieselben Automatismen zurückgreifen, weil sich die Situation auf dem Spielfeld andauernd änderte. Dadurch hatten sie kaum die Möglichkeit eine funktionierende Idee konstant umzusetzen und fanden teilweise minutenlang nicht den Weg ins letzte Drittel. Das sollte sich eigentlich erst ändern, als sich die personelle Besetzung und Staffelung Reals veränderte – und Atlético nicht mehr den Rhythmus bestimmte.
Ancelottis Wechsel und der körperliche Faktor
Nach gut einer Stunde reagierte Ancelotti auf das 4-5-1 von Atlético und veränderte seine Mannschaft. Ein Aspekt war die Spielerwahl. Im zentralen Mittelfeld der 4-4-2/4-1-3-2-Formation Reals wollte Ancelotti wohl etwas mehr Kreativität und Pressingresistenz haben, weswegen er Isco für Khedira brachte. Isco ist in engen Räumen extrem stark, besitzt ein hervorragendes Dribbling und kann mit starken Schnittstellenpässen Angriffe abschließen.
Auch der zweite Wechsel sorgte für mehr Offensive und einen spielstarken Spieler in engen Räumen. Ancelotti brachte mit Marcelo für Fabio Coentrao außerdem nicht nur einen offensiveren Außenverteidiger, sondern gleich einen komplett anderen Spielertypus für diese Position. Coentrao ist im Aufrücken zum Beispiel ein eher linearer und simpler Typ, auch wenn er sehr starke Kombinationen spielen kann. Marcelo hingegen rückt immer wieder in die Mitte ein, bewegt sich auch viel diagonal und zeigt nur selten das klassische Schema des Klebens an der Linie mit simplem Hinterlaufen seines Vordermanns. Stattdessen betätigt sich der spielstarke Brasilianer lieber als verkappter Spielgestalter. Immer wieder setzte er sich auch in dieser Partie gegen einen oder mehrere Gegenspieler im Dribbling durch, ging in Richtung Zehnerraum und spielte einige kreative Pässe.
Bei Atlético gab es nur noch wenig zu beobachten. Simeone spielte zwar noch mehrfach mit den Staffelungen, ließ z.B. den halblinken Achter konstant höher in einer Art 4-4-1-1/4-5-1 stehen, veränderte die Bewegungen der Flügelstürmer und auch die Offensivbewegungen. Einen Effekt hatte es aber letztlich nicht; dafür war Atlético körperlich schlichtweg zu schwach. Ihre Intensität und ihr Umschaltspiel verblassten im Lichte der Erschöpfung.
Fazit
Den vielen Verletzungen musste Atlético Tribut zollen. Diego Costa wurde früh ausgewechselt, Arda Turan konnte gar nicht erst antreten und auch Filipe Luis musste das Spielfeld verletzungsbedingt verlassen. Juanfran war dazu gar nicht mehr im Stande, weil Atlético gar nicht mehr wechseln konnte. Gleichzeitig waren es in der schwierigen Phase der ersten 90 Minuten, wo es kaum Torchancen gab, die Standards, welche für die einzigen zwei Treffer sorgten. Danach brach Atlético ein und bescherte Real „La Decima“, den zehnten Titel.
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Rene Maric
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