Am vierten Spieltag der UEFA Champions League empfing Real Madrid den Tabellenführer der Gruppe D, Borussia Dortmund. Rund 75.000 Zuschauer im Estadio Santiago Bernabeu... Dortmund kratzt am Sieg – Özils spätes Freistoßtor rettet Real einen Punkt

Am vierten Spieltag der UEFA Champions League empfing Real Madrid den Tabellenführer der Gruppe D, Borussia Dortmund. Rund 75.000 Zuschauer im Estadio Santiago Bernabeu sahen eine packende Partie, in der Marco Reus die Gäste in Führung brachte. Nach dem Ausgleich durch Pepe geriet Real kurz vor der Pause aufgrund eines Eigentors von Alvaro Arbeloa erneut in Rückstand. Mesut Özil besorgte kurz 89. Minute den 2:2-Endstand.

Schon am zweiten Spieltag bei Manchester City kassierte Borussia Dortmund in der Schlussphase einen unglücklichen Ausgleich, dieses Mal sprang der Ball nach einem Freistoß von Özil von der Stange ins Netz. In der ersten Halbzeit war das Spiel weitestgehend ausgeglichen, die zweiten 45 Minuten lief das Spiel hingegen nur auf das Tor von Roman Weidenfeller zu. Gegen den Schlussmann und seine wacker kämpfenden Vorderleute fanden die Madrilenen trotz mehrmaliger Formationsanpassung aus dem Spiel heraus aber kein Mittel.

Drei Änderungen bei Real

Die Hausherren stellten verglichen mit dem Hinspiel an drei Positionen um, was vor allem verletzungsbedingte Gründe hatte. Karim Benzema und Sami Khedira musste passen, ersetzt wurden sie von Gonzalo Higuain und Luka Modric, die jedoch andere Spielertypen sind. Der Kroate ist als vertikaler Sechser eine spielaufbauende Alternative zu Xabi Alonso, seinem Partner auf der Doppelsechs. Die Unterschiede zwischen Higuain und Benzema zeichnen sich vor allem im Laufspiel ab. Während der Franzose stark die Breite bearbeitet, gilt der Argentinier als statischer Stürmer im Angriffszentrum mit vertikalem Drang zum Tor. Die augenscheinlichste Veränderung fand man aber auf der linken Abwehrseite – die Schwachstelle vom Spiel in Dortmund. Statt Michael Essien lief mit Arbeloa zwar ein eigentlicher Außenverteidiger auf, der Welt- und Europameister konnte aber nicht die erhoffte Stabilität gewähren und sah bei beiden Gegentoren unglücklich aus.

Box-to-Box statt Pferdelunge

Aufseiten der Dortmunder fand man nur einen neuen Namen auf dem Spielbericht. Ilkay Gündogan, der im Hinspiel noch leicht angeschlagen war, ersetzte Sven Bender, was ebenfalls spielerische Auswirkungen hatte. Der Deutsch-Türke ist ein klassischer Box-to-Box-Mittelfeldspieler, der zudem aufgrund seiner Ballsicherheit sehr pressingresistent ist – ein wichtiger Faktor gegen einen dominant auftretenden Gegner. Ansonsten zeigten die Jungs von Jürgen Klopp das gewohnte Spiel: laufstark und aufopferungsvoll gegen den Ball, vertikal und geradlinig mit ihm. Lukasz Piszczek hatte einmal mehr die Aufgabe Reals Superstar Cristiano Ronaldo zu neutralisieren, was dazu führte, dass Dortmund seine Angriffe vorrangig (40%) über die linke Seite mit Marcel Schmelzer und Kevin Großkreutz fuhr. Stürmer Robert Lewandowski tauchte zwar kaum gefährlich vor dem Tor auf, zeigte aber einmal mehr, dass er auch für das Kombinationsspiel seiner Mannschaft ein wichtiger Baustein ist, indem er vor beiden Tore den Ball per Kopf ablegte.

Weniger Abhängigkeit von Alonso

Wenn man Real Madrid Punkte abnehmen will, ist dabei ein wichtiger Punkt, dass man Xabi Alonso in der Tiefe neutralisiert und ihm keine Zeit gibt seine gefürchteten Diagonalbälle zu schlagen. Im Hinspiel ist das dem BVB sehr gut gelungen, erst mit der Einwechslung von Modric bekam er mehr Platz. Auch in diesem Spiel zeigte sich ein interessanter Einfluss des Kroaten, denn v.a. in der Anfangsphase gewann er viele Bälle und retournierte abgeschlagene Bälle um der BVB-Defensive keine Verschnaufpause zu gönnen. Die nebenstehende Grafik (angekommene Pässe in der ersten Halbzeit) zeigt die unterschiedliche Ausrichtung der beiden. Während Alonso (14) meist Seitenverlagerungen ausführt, setzt Modric (19) auf weit gestreute kurze Pässe.

Ein Grund warum Modric im Spielaufbau mehr eingebunden war als Alonso ist die defensiv schwach besetzte linke Seite, von der man den Ball so gut es geht fernhalten wollte. Sergio Ramos hatte beispielsweise unglaubliche 127 Ballkontakte und war aufgrund seiner Positionierung im defensiven Halbfeld eine wichtige Anspielstation. Diese anfängliche Rechtslastigkeit war auch ein Grund dafür, dass Dortmund seine Angriffe zu Beginn nach Umschaltmomenten hauptsächlich von links abschloss.

Reals Abstände zu groß

Dafür, dass Real 64% Ballbesitz hatte, waren sie hinsichtlich der Torschussausbeute nur wenig effektiv. Lediglich 14 Schüsse gaben Ronaldo & Co. aus dem Spiel heraus ab, davon 59% außerhalb des Strafraums, was ein Hinweis dafür ist, dass Dortmund vorm eigenen Sechzehner kompakt und gut organisiert stand. Zum Vergleich: Die Schüsse der Westfalen kamen in 70% der Fälle von innerhalb des Strafraums. Dass Real nicht zwingend genug war, hat aber nicht nur mit dem gegnerischen Defensivspiel zu tun, sondern auch mit dem eigenen Aufbauspiel. In vielen Fällen waren die Abstände zwischen den einzelnen Linien zu groß, wodurch keine flüssigen Kombinationen aufgezogen werden konnten – ein Problem, das man zum Beispiel auch von Rapid kennt. Özil zeigte bis auf sein Tor ein sehr schwaches Spiel, wurde entweder zwischen den Linien nicht gefunden oder positionierte sich schlicht zu hoch (siehe Bild rechts). Dortmund hatte im Mittelfeld die Majorität und konnte aufgrund der großen Abstände flache Pässe in die Spitze leicht abfangen.

Ronaldo weicht ins Zentrum aus

Es war das Schlüsselduell in der ersten Begegnung und auch in Madrid waren viele Augen auf den Zweikampf zwischen Ronaldo und Piszczek gerichtet. Wie bereits erwähnt wurde der Torjäger vom Polen stark und sehr gut manngedeckt, wodurch er sowohl im Hin- als auch im Rückspiel kaum zur Geltung kam. Vor zwei Wochen zockte er einmal richtig, dann falsch; auch in diesem Spiel war es eine Gratwanderung, wie etwa eine Aktion in der 23. Minute zeigte. Lewandowski verzichtete auf einen Pass auf den mitgelaufenen, freistehenden Piszczek und verlor stattdessen den Ball, der postwendend zu Ronaldo kam. Dessen Schuss konnten Neven Subotic und Mats Hummels nur mit vereinten Kräften blocken.

Zu Beginn der zweiten Hälfte wechselte Jose Mourinho zweimal, nahm unter anderem den angeschlagenen Higuain vom Feld und stellte auf eine Art 4-2-4-0 mit Özil und dem eingewechselten Jose Maria Callejon auf den Flügeln. Di Maria und Ronaldo, der nun mehr Freiheiten hatte, bearbeiteten fortan die offensive Zentrale bzw. die Räume zwischen den Linien oder den Innenverteidigern, was vor allem dem Portugiesen zugutekam. In der Mitte hatte er mehr Platz (siehe rechts) und dadurch einen direkteren Zugriff auf das Spiel, was dadurch zustande kam, da Piszczek die Manndeckung fallen lassen musste. Gegen Callejon verzichtete er gänzlich auf sie, wodurch dieser einige Male gefährlich vors Tor kam.

Umstellung auf Dreierkette bleibt wirkungslos

Diesen Effekt konnte man allerdings nur in den ersten rund 25 Minuten der zweiten Halbzeit ausspielen. Danach befreite sich Dortmund wieder vom großen Druck des Gegners und das Problem mit den zu großen Abständen kehrte zurück. Eine weitere Antwort von Mourinho darauf, und weil die Zeit immer knapper wurde, war die Einwechslung von Kaka für Arbeloa. Der Brasilianer sollte im Mittelfeld gemeinsam mit Özil, der statt Di Maria wieder ins Zentrum rückte, für die Verbindungen in die Spitze sorgen. Da sich aber immer mehr Hektik breit machte, kam vonseiten Reals kein flüssiges und zwingendes Kombinationsspiel zustande, vielmehr packte man die Brechstange aus. Gefruchtet haben im Endeffekt aber weder die hohen Bälle in den Strafraum noch Mourinhos taktischen Umstellungen; und so blieb es Özil vorbehalten die Achtelfinalträume seiner Landsleute aufzuschieben.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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