Erhobenen Hauptes in die Europa League: Rapid schrammt knapp an Sensation vorbei
Champions League 26.August.2015 Alexander Semeliker 0
Bis zum Schluss war der Traum von der Champions League für den SK Rapid realistisch, letztlich musste man ihn aber dennoch begraben. Im Rückspiel holten die Hütteldorfer bei Shakhtar Donezk zwar ein 2:2-Remis, was nach dem 0:1 in Wien jedoch nur für die Europa League reichte. abseits.at analysiert das knappe Scheitern.
Fünf Minuten lang war der SK Rapid fiktiv in der Champions League. Mit einem Doppelschlag von Louis Schaub und Steffen Hofman drehte man den Rückstand zwischenzeitlich um. Dann setzte sich die Klasse von Shakhtar jedoch durch. Die Ukrainer zeigten den Gästen ihre taktischen Grenzen auf. Diese dürfen jedoch erhobenen Hauptes die Europa League in Angriff nehmen.
Grahovac statt Schwab in Startelf
Zoran Barisic setzte in diesem wichtigen Spiel auf dieselbe Aufstellung wie bei der Niederlage in Wien. Das bedeutete, dass Stefan Schwab nach seiner Sperre zunächst auf der Bank platznehmen musste und Srdjan Grahovac gemeinsam mit Thanos Petsos die Doppelsechs bildete. Von der Raumaufteilung agierten die Grün-Weißen wie gewohnt: sowohl mit als auch gegen den Ball konnte man die 4-2-3-1-Grundordnung meistens gut wiedererkennen. Auch bei Shakhtar konnte man von einem 4-2-3-1 ausgehen, jedoch war es letztlich eher ein 4-4-2.
Alex Teixeira stand oft auf einer Linie mit Stürmer Olexandr Gladkiy, bewegte sich jedoch weiträumiger als der Ukrainer. Im zentralen Mittelfeld war Taras Stepanenko nach seinem Zusammenprall im Hinspiel wieder fit und stand ebenso in der Startelf wie Serhiy Kryvtsov. Der 24-Jährige rückte statt Olexandr Kucher in die Startelf, was wohl der Ausrichtung geschuldet war. Während die Elf von Mircea Lucescu in Wien weitestgehend abwartend agierte, spielte man zuhause aktiver. Im Vergleich zum kantigen Kucher ist Kryvtsov beweglicher, er zeigte jedoch auch einige Unsicherheiten.
Shakhtars unglaublicher Anfangsdruck
Die Gastgeber starteten mit einer unglaublichen Power sowie einer sehr offensiven, fluiden und aggressiven Ausrichtung in diese Partie, was im völligen Kontrast zum Hinspiel stand. Mit ihrem Angriffspressing schnürten sie die Rapidler an deren Strafraum ein. Nach einigen Versuchen, sich kombinativ von diesem enormen Druck zu befreien, ließen sich diese meist auf keine Spielereien ein und schlugen den Ball nach vorne. Dort versuchten sie zwar ebenso hoch zu pressen, was jedoch nicht so gut klappte wie bei den Ukrainer.
Vor allem hier sah man den Qualitätsunterschied zwischen den beiden Teams. Shakhtar hielt die Wege zum Gegner jeweils sehr kurz, die Spieler attackierten vorausschauend, antizipierten oft und richtig. Bei Rapid hingegen hatte man stets das Gefühl, dass sie dem Ball eher hinterherliefen als ernsthaften Zugriff zu haben. Erst wenn ein Pass wirklich gespielt wurde, attackierten sie. Andererseits war Shakhtar in dieser Spielphase auch am Ball reifer.
Rapids, aufgrund des gegnerischen Pressing rudimentär ausgeprägtes Aufbauspiel wirkte meist statisch. Es gab – bis auf vereinzeltes Zurückfallen der offensiven Mittelfeldspieler bzw. abwechselndes Abkippen der Sechser – kaum Rochaden, was den ohnehin vorausschauenden agierenden Ukrainern das Pressing erleichterte. Diese hingegen konnten den Ball in den eigenen Reihen halten, weil die Aufbauspieler variabel agierten. Stepanenko kippte nicht ständig stur ab, die Außenverteidiger rückten bei Bedarf in die Halbräume ein, Fred bewegte sich auf die Seiten und auch Torhüter Andriy Pyatov wurde besser eingebunden als Jan Novota aufseiten Rapids.
Leichtfertige Fehler vorm ersten Gegentor
Dass Shakhtar in Führung gingen würde, schien nur eine Frage der Zeit, die nach zehn Minuten geklärt wurde. Das Tor durch Marlos, der bereits im Hinspiel den Sieg besorgte, sonst aber weitestgehend unsichtbar blieb, war jedoch weniger auf das aggressive Pressing der Ukrainer zurückzuführen. Vielmehr war es eine Folge von bekannten Schwächen Rapids und Stärken Shakhtars. Der enorm starke Passgeber Yaroslav Rakitskiy wurde an der Mittellinie nicht unter Druck gesetzt, konnte einen hohen Ball in den Zwischenlinienraum spielen.
Dort setzten sich Marlos und Gladkiy in der Luft gegen Christopher Dibon durch. Dem anschließenden Abstimmungsproblem zwischen Stephan Auer, Mario Sonnleitner und Novota – provoziert vom Nachsetzen Teixeiras – folgte dann ein weiterer taktischer Punkt, den wir in unserer Vorschau erwähnt haben: das passive Verhalten der Abwehrspieler im Gegenpressing. Dibon und Sonnleitner orientierten sich im eigenen Strafraum(!) nach hinten, sodass Marlos genügend Platz bekam und den rückwärtspressenden Grahovac mit einem einfachen Haken aussteigen lassen und einnetzen konnte.
Vertikale und horizontale Kompaktheitsprobleme
Dadurch, dass Rapid diesen Rückstand schnell wettmachte, sahen sich die Grün-Weißen anschließend erneut einer ständigen orange-schwarzen Penetration ausgesetzt, der sie nicht gewachsen waren. Erneut legten sie viele leere Kilometer zurück, ohne wirklich Zugriff zu bekommen. Dabei konnte man die Probleme in der Kompaktheit in einigen Szenen wieder sehr gut erkennen. Das erste Gegentor und die ins leere laufenden Angriffspressingversuche waren Beispiele dafür, dass es in der vertikalen Staffelung Löcher gab, aber auch in Horizontalen war diese nicht immer perfekt.
Hier sieht man, dass Rapid zwar vertikal eng steht, aber in der Breite nicht kompakt ist. Vor allem die Abstände zwischen den äußeren zu den zentralen Mittelfeldspielern sind relativ groß. Dadurch konnte Shakhtar nicht nur ohne Druck verlagern, sondern kam immer wieder – trotz der erwähnten vertikalen Kompaktheit – zwischen die Positionen der Hütteldorfer. Auf den Seiten konnten die Ukrainer so Passdreiecke herstellen, über die sie dann verlagerten oder direkt auf das Tor zogen. In diesem Beispiel konnte man beides sehen. Der abschließende Schuss von Marlos fand beinahe seinen Weg ins Netz.
Kontrolle vs. Kampf in Hälfte zwei
Nachdem Shakhtar die erste Halbzeit mit derselben Power wie zuvor zu Ende spielte, traten sie in der zweiten Halbzeit erneut abwartend auf. Sie standen zwar nicht so tief wie im Hinspiel, attackierten den Gegner aber nicht mehr so aggressiv wie in den ersten 45 Minuten. Vielmehr konzentrierten sie sich auf das Leiten und Isolieren von Rapids Ballbesitzspiels auf eine Seite. Infolge dessen konnten die Gäste zwar mehr Ballbesitzanteile verbuchen, wirkten weniger hektisch, aber griffen aufgrund der guten Ordnung der Ukrainer oft zu langen Bällen. Genau darauf dürfte Shakhtar sein Spiel angelegt haben, denn die zweiten Bälle konnten sie mit ihrem guten Gegenpressing stets gewinnen.
So plätscherte das Spiel nach dem Seitenwechsel weitestgehend vor sich hin, bis Rapid zu einer enorm kampfkräftigen und aufopferungsvollen Schlussphase ansetzte. Zwei hochkarätige Chancen durch Robert Beric und Philipp Prosenik schauten heraus. Beide wurden weniger spielerisch eingeleitet, sondern waren Beispiele dafür, was Rapid an diesem Abend auszeichnete und auch gegen Ajax weiterbrachte: eine außerordentliche Einsatzbereitschaft.
Gerade auf derart hohem Niveau braucht es jedoch auch andere Faktoren um erfolgreich zu sein, zum Beispiel individuelle Qualität und präzise taktische Abläufe. In beiden Punkten hatte Shakhtar die Nase vorne. Der vierte grundlegende und unbeeinflussbare Punkt im Fußball gab aber schließlich den Ausschlag, dass es Rapid nicht in die Champions League schaffte: der Zufall.
Alexander Semeliker, abseits.at
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