Extrem bemüht aber nicht kompakt genug – darum verlor Austria Wien gegen den FC Porto
Champions League 1.Oktober.2013 Alexander Semeliker 0
Bevor die Wiener Austria heute bei Zenit St. Petersburg ihr erstes Auswärtsspiel in der UEFA Champions League bestreitet, wollen wir uns noch einmal mit dem Auftaktspiel gegen den FC Porto beschäftigen. Im Ernst Happel Stadion waren die Veilchen zwar extrem bemüht und hätten sich daher einen Punkt durchaus verdient, allerdings agierten sie taktisch nicht geschlossen genug und mussten sich knapp geschlagen geben.
Mit dem einzigen durchdachten und konsequent zu Ende gespielten Angriff des Spiels erzielte der FC Porto in der 55. Minute den 1:0-Siegtreffer. Ansonsten blieb das Team von Paulo Fonseca das gesamte Spiel über ungefährlich und die Austria schnupperte in so mancher Szene am ersten Champions League Tor der Vereinsgeschichte. Allerdings waren dies allesamt keine hundertprozentigen Chancen, was Verbesserungspotenzial zeigt.
Royer anfangs auffällig, Defour-Ausfall schmerzt Porto
Die Austria begann in ihrer gewohnten 4-1-4-1-Grundordnung, in der sie letzte Saison den Meistertitel holte. Allerdings setzt Nenad Bjelica auf ein etwas anderes Personal als sein Vorgänger Peter Stöger. Im zentralen Mittelfeld agiert mit Marko Stankovic ein vertikaler Achter anstelle des, mittlerweile verletzten, Alexander Gründwald, der ein spielmachender Typ ist. Am rechten Flügel hat der FAK mit Neuzugang Daniel Royer einen Spieler, der vor allem individuell stärker als sein Vorgänger, Alexander Gorgon, ist. Der Ex-Rieder war auch in diesem Spiel einer der auffälligsten Spieler und setzte dem hoch veranlagten Alex Sandro vor allem in der ersten halbe Stunde zu.
Aufseiten des FC Porto fehlte mit Steven Defour das wichtigste Bindeglied mit und gegen den Ball. Der Belgier steuert das Pressing und treibt den Ball im Spielaufbau nach vorne. Ersetzt wurde er von Josue, dessen Position am rechten Flügel Silvestre Varela einnahm. Das Fehlen Defours konnte so aber nicht kompensiert werden. Josue spielte kam Pässe in gefährliche Zonen, während sich bei Varela die These, er sein eine Diva, bestätigte. In der Rückwärtsbewegung ließ er Markus Suttner ein ums andere Mal laufen, was dem Linksverteidiger die Möglichkeit zu zwei guten Flanken eröffnete.
Mannorientierte Austria, kontrollierendes Porto
Schon die Grundformationen legten nahe, dass die Austria gegen das 4-2-3-1 der Portugiesen mannorientiert vorgehen würden, was einige interessante Duelle mit sich brachte. So kam es im Sechserraum der Austria zum Duell zwischen James Holland und Lucho Gonzalez, in dem der Australier über weite Strecken des Spiels als Sieger hervorging. Da der Porto-Kapitän recht hoch spielte, konnte Holland, wenn es die Situation erforderte, auch auf die Seiten rausrücken und das Pressing seiner Mannschaft unterstützen. Einzig, dass Lucho den entscheidenden Treffer erzielte, ist ein empfindlicher Schönheitsfleck.
Ebenfalls interessant waren die Duelle auf den Seiten zwischen Austrias Flügelspieler und den brasilianischen Außenverteidiger-Duo von Porto. Während Royer und Tomas Jun in der Anfangsphase noch Druck auf ihre Gegenspieler ausüben konnten, wurden Alex Sandro und Danilo mit Fortdauer des Spiels offensiver und drängten die beiden FAK-Spieler zusehends zurück. So schlug Alex Sandro acht Flanken und ging ebenso oft an einem Gegenspieler vorbei – beides Höchstwerte. Gerade anhand dieser Beobachtungen lässt sich die zunehmende Kontrolle Portos dokumentieren. Knapp zwei Drittel der Spielzeit war der Ball letztlich im Besitz der Portugiesen.
Hohes Pressing (fast) ohne Wirkung
Dieser Ballbesitzdominanz musste die Austria mit viel Laufarbeit bzw. einer guten Pressing-Strategie entgegenwirken. Dass die erste Voraussetzung erfüllt war konnte man leicht erkennen, jedoch brachte man den großen läuferischen Aufwand nicht in Einklang mit einer wirkungsvollen Spielweise. Zwar sah man den Veilchen an, dass sie um jeden Preis an den Ball kommen wollten; dass sie letztlich aber keinen Zugriff auf das gegnerische Aufbauspiel hatten und sich die größte Torchance im Anschluss an eine Standardsituation auftat, zeigt, dass der Spielraum im taktischen Bereich zur europäischen Spitze sehr groß ist – auch wenn man auf den ersten Blick kaum einen Unterschied auszumachen vermag.
Die obige Grafik zeigt, dass er der Austria trotz des offensichtlichen und vielerorts gelobten frühen Attackierens kaum gelang die Kombinationen des Gegners zu unterbrechen. Erst in der eigenen Hälfte kamen die Porto-Angriffe zum Erliegen. Den Grund dafür konnte man schon im Playoff gegen Dinamo Zagreb, aus dem man in erster Linie aufgrund von kämpferischen Qualitäten als Sieger hervorging, sehen. Dem Pressing der Austria fehlt es am nötigen Weitblick. Die Gegenspieler werden erst attackiert, wenn sie am Ball sind, was durch die niedrige Anzahl an Interceptions (14) untermauert wird. Eine weitere Konsequenz war, dass man nach dem Rückstand aufgrund des hohen Kräfteverschleißes nicht mehr zulegen konnte.
Positiv herausgestrichen im Spiel gegen den Ball muss jedoch werden, dass es der Austria gelang bei gegnerischen Abstößen bzw. Freistößen in Strafraumnähe ein Herausspielen Portos zu verhindern. Und das auf sehr elegante Weise. Solostürmer Philipp Hosiner stellte den tiefsten Mittelfeldspieler zu, während sich die Flügelspieler zu den Innenverteidigern orientierten. Dabei positionierten sich Royer und Jun jedoch so, dass sie im Falle eines Zuspiels auf die Seiten sofort auf den jeweiligen Außenverteidiger rücken konnten.
Porto nutzt großen Zwischenlinienraum
Die Folge dessen war, dass die Aufbauspieler der Portugiesen viele lange Bälle spielten – rund 30% ihrer Pässe spielten der Torhüter und die beiden Innenverteidiger über eine Distanz von mindestens 25 Yards. Jedoch fällt bei der Betrachtung der statistischen Werte auf, dass diese vergleichsweise oft – in 72% aller Fälle – ihr Ziel fanden – eine Tatsache, die auf das lückenhafte Spiel gegen Ball vonseiten der Wiener zurückzuführen ist. Einerseits konnte sich der Ballführende aufgrund dessen, dass er relativ spät attackiert wurde, entsprechend lang und gut vorbereiten, andererseits hatten auch die Passempfänger genügend Zeit um den Ball anzunehmen.
Entscheidend dafür war, dass die Viererkette der Austria – wie beispielsweise im obigen Bild – nicht konsequent zur attackierenden Viererkette aufschloss und so ein großes Loch im Zwischenlinien klaffte. Ein möglicher Grund dafür könnte gewesen sein, dass man die Abwehr nicht in Laufduelle mit den flinken Porto-Angreifern schicken wollte. So musste ein Pass hinter die Viererkette extrem gut getimt gespielt werden, da auch Torhüter Heinz Lindner in Reichweite gestanden wäre. Andererseits hatte die Austria gegenüber ihren Gegenspielern nur eine Ein-Mann-Überzahl bei zweiten Bällen, die Porto im großen Zwischenlinienraum nach Abprallern weiterverteilen konnte.
Insbesondere bei Stürmerstar Jackson Martinez, der die meisten Kopfballduelle aller Spieler gewann, konnte man das erkennen. Er wurde oft mit langen Bällen angespielt und konnte rund 20 bis 30 Meter vor dem Tor den Ball auf die Seiten weiterleiten.
Individuelle und taktische Klasse setzt sich durch
Die Stimmen nach dem Spiel gingen im Großen und Ganzen in die gleiche Richtung; die Wiener Austria hätte es sich verdient gehabt, aus diesem Spiel mindestens einen Punkt mitzunehmen. Als Begründung dafür halten in erster Linie das Bemühen und der hohe Laufaufwand her – eine Tatsache, die nicht unter den Tisch zu kehren ist. Unterm Strich waren es vier Kilometer, die die Spieler mehr am Distanzzähler hatten. Allerdings zeigte diese Spiel auf, dass es in der europäischen Königsklasse nicht darauf ankommt, wer mehr läuft, sondern wer richtiger läuft bzw. die Fähigkeiten dazu hat, den Gegner laufen zu lassen. Und in dieser Hinsicht ging Porto als klarer Sieger vom Platz.
Die heikle Anfangsphase, in der die Austria noch bei vollen Kräften war, hat man überstanden, danach das Kommando übernommen. Hinzu kam die individualtaktische Klasse einiger Spieler. So bissen sich die Wiener immer wieder am brasilianischen Sechser Fernando die Zähne aus. Der 26-Jährige verstellte Passwege und nahm seinen Gegenspieler teilweise mit einfachen Bewegungen den Ball ab. Auch Torschütze Lucho sah man seine taktische Reife bei seinem Tor an. Einmal löste er sich von Holland, nutzte den großen Raum zwischen den Linien um auf die Seite zu verlagern und dann abwartend aus dem Rückraum einzuschieben. Deshalb ist dieses Spiel mit dem Schlagwort „Lehrgeld“ und der Erkenntnis, dass es in der Champions League nicht ausreicht viel zu laufen, ad acta zu legen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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