Fokus auf das Spiel gegen den Ball – Das ist die Spielweise von Atletico Madrid
Champions League 22.Oktober.2013 Alexander Semeliker 0
Am dritten Spieltag der Gruppenphase der UEFA Champions League empfängt die Wiener Austria im Ernst Happel Stadion Atletico Madrid. Unter Diego Simeone etablierten sich die Spanier hinter dem FC Barcelona und Real Madrid als klare dritte Kraft in der Primera Division. Während die beiden Großklubs vor allem in Ballbesitz überzeugen, liegt die Stärke von Atletico im Spiel gegen den Ball.
Als Diego Simeone im Dezember 2012 die Rojiblancos übernahm, standen sie auf Tabellenplatz zehn und hatten die drittmeisten Gegentore erhalten. Das Hauptproblem war also schnell ausgemacht und wurde vom Argentinier ebenso schnell behoben. In den ersten sechs Spielen fing man sich nämlich kein einziges Gegentor. Diese Arbeit wurde in der Folgezeit weiter verfeinert, was zur Folge hat, dass Atletico mittlerweile ein äußerst effizientes Pressing spielt.
Wenig Ballbesitz, indirekter Druck
Dass es die Madrilenen am liebsten haben wenn der Gegner den Ball hat, lässt sich auch anhand diverser Statistiken ablesen. So haben sie trotz Tabellenplatz zwei im Schnitt nur 47,7 Prozent Ballbesitz, was nur von acht Mannschaften unterboten wird. Gleichzeitig lassen sie aber nur 10,1 Schüsse pro Spiel zu, was der drittbeste Ligawert ist. Ebenfalls im Spitzenfeld sind sie bei den Balleroberungen im Zweikampf (26,6 pro Spiel – Bestwert) sowie den abgefangenen Pässen (17,2 pro Spiel – Platz fünf). Zusammen mit den durchschnittlichen 15,1 Torschüssen pro Spiel, die nur vom FC Barcelona und Real Madrid übertroffen werden, sind das allesamt Indikatoren für ein wirksames Konterspiel.
Allerdings unterscheidet sich die Spielweise von den weitverbreiteten, jagenden Pressingstrategie, wie sie beispielsweise der FC Barcelona etablierte. Die Katalanen setzten auf bedingungsloses Gegenpressing und erlauben ihrem Gegner im Schnitt nur 9,08 Pässe bis sie den Ball zurückerobern. Atletico konzentriert sich vielmehr auf ein kompaktes Verschieben, mit dem sie den Gegner zunächst in die Enge treiben und dann zuschlagen. Gegen keine andere spanische Mannschaft muss man so viele Pässe spielen (47,72) um aufs Tor zu schießen. Das Spiel wird nämlich aufgrund der hohen Kompaktheit weit vom eigenen Tor ferngehalten. So befindet sich der Ball zu 31 Prozent der Spielzeit im gegnerischen Drittel – nur bei Barca- und Real-Spielen ist dieser Anteil höher.
Fokus auf die Seiten und Antizipation von Querpässen
Die Zonen, in die sie den Gegner steuern wollen, sind stets die Außenbahnen. Dies ist darin begründet, dass man als Ballführender mit der Seitenlinie im Rücken ein äußerst eingeschränktes Aktionsfeld hat. Man hat nur eine Seite, in die man den Ball spielen kann und diese ist in aller Regel von vielen Spielern verstellt. Oft bleibt daher nur ein Pass zurück oder, wenn man mutig ist, ein Querpass. Dieser ist allerdings sehr riskant, da Atletico auf solche Zuspiele wartet und abfängt. In der nachstehenden Grafik erkennt man das Muster.
Die Balleroberungen (links) finden meist auf den Seiten statt, während man bei den abgefangenen Bällen (rechts) erkennt, dass dies auch in zentralen und phasenweise höheren Zonen der Fall ist. Das ist insofern wichtig, als ein abgefangener Querpass viel gefährlicher ist, da man dadurch automatisch weniger Spieler hinter dem Ball stehen hat als bei einem vertikalem Pass nach vorne.
Die defensiven Abläufe im Detail
Besonders wichtig bei dieser Spielweise ist, dass die beiden Sechser eine hohe Laufleistung zeigen. Sie sind dafür hauptverantwortlich, dass der Gegner nicht in die Mitte spielt. Unter diesem Gesichtspunkt ist es also nur allzu verständlich, dass die ersten drei Zentrumspieler im Kader eher Kämpfertypen als Passmaschinen sind. Anhand einer Szene aus dem Auswärtsspiel gegen Real sei das Pressingverhalten nun genauer ausgeführt.
Hier sieht man die 4-4-2-Grundordnung von Atletico, die sich zügig zum aktiven Flügel verschiebt. Die beiden Viererketten stehen dabei sehr eng beieinander um dem Gegner wenig Platz zwischen den Linien zu bieten und die beiden ballnahen Außenspieler rücken vor. Dem ballführenden Real-Spieler bleibt aufgrund der guten Ordnung nur ein Pass nach hinten.
In diesem Bild erkennt man nun, dass Atletico dem Gegner eine Seitenverlagerung anbietet. Besonders an der sehr engen Position des linken Mittelfeldspielers ist das zu sehen. Ein Pass in die Mitte soll unter allen Umständen verhindert werden.
Nach dem Wechselpass ergibt sich die obige Situation. Atletico schiebt gut nach und stellt auch hier eine klare Überzahl her. Dabei sind die Spieler primär nicht auf den direkten Ballgewinn aus, sondern orientieren sich zum zentralen Real-Angreifer. Auch hier bleibt nur der Pass zurück.
Das Zentrum ist weiterhin fest in der Hand von Atletico. Ein Pass in die Spitze ist nicht möglich, da der Ballführende von drei Spielern frontal gestellt wird. Die Folge ist ein weiterer Seitenwechsel und das Spielchen beginnt wieder von vorne.
Diego Costa als Verbindungsspieler
Zum Abschluss wollen wir noch kurz auf die Aufgaben des Mannes schauen, der die Medien beherrscht, Diego Costa. Der Angreifer ist der Topscorer der Liga und übernimmt die Aufgabe als Verbindungsspieler. Man erkennt dies in der Grafik unten.
Er weicht immer wieder auf die Seiten aus um den Ball zu halten und auf nachrückende Mitspieler zu warten oder direkt den Stürmer einzusetzen. Bereits mit Radamel Falcao harmonierte der 25-Jährige perfekt und auch mit David Villa scheint er sich sehr gut zu verstehen, wie das nachstehende Video zeigt.
Doch Costa eignet sich nicht nur als Verbindungsspieler sondern geht gerne auch selbst Richtung Tor, insbesondere im Umschaltspiel. Genau auf diese Momente muss die Wiener Austria besonders aufpassen. Atletico ist ein brandgefährliches Konterteam und wenn man seine eigenen Angriffe nicht entsprechend gut absichert, fängt man sich schnell das eine oder andere Gegentor.
Alexander Semeliker, abseits.at
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