Nach dem spektakulären Halbfinale zwischen Real und den Münchner Bayern traf nun der Topfavorit FC Barcelona auswärts auf eine schwere Aufgabe. Seit Roberto di... Hoher kämpferischer Einsatz wurde belohnt: Chelsea schlägt den FC Barcelona mit 1:0

Nach dem spektakulären Halbfinale zwischen Real und den Münchner Bayern traf nun der Topfavorit FC Barcelona auswärts auf eine schwere Aufgabe. Seit Roberto di Matteo die Blues übernahm, haben sie eine extrem starke Punktausbeute. Die Londoner verloren nur gegen Manchester City und spielten Unentschieden gegen Fulham und die Spurs. Alle anderen Spiele wurden gewonnen. Dieses Mal zwangen sie mit einer ungemein kämpferischen Leistung den katalanischen Favoriten in die Knie. Mit einem zu-Null-Erfolg waren sie sogar die erste Mannschaft, welche Barcelona unter Pep Guardiola in einem Spiel der Champions League torlos zurückließ.

Von Beginn an waren die Gäste die überlegene Mannschaft. Allerdings kontrollierten sie zumeist nur den Raum im zweiten Drittel, im letzten Spielfelddrittel stießen sie auf mehrere Probleme. Zwar konnten sie in der ersten Halbzeit einige Chancen erspielen, doch im zweiten Spielabschnitt wurden diese etwas weniger. Letztlich konnten sie sich in der Schlussphase noch ans Unentschieden herantasten, ein Tor war ihnen nicht mehr vergönnt. Ein Schuss aufs Tor reichte Chelsea aus, um dieses Spiel zu gewinnen. Ein Sieg, der fast an eine Sensation grenzt.

Chelseas Aufstellung

 

 

 

 

 

 

Die Engländer begannen mit einem 4-5-1-System, welches schnell zu einem 4-3-3 werden konnte. Im Konterspiel fokussierte man sich aber hauptsächlich auf den linken Flügel. Die Ursache dahinter war, dass Alves ungemein offensiv spielte und sehr hoch agierte. In diesen Raum versuchte man sich festzuspielen. Deswegen lief Ramires von Beginn an auf der linken Außenbahn auf. Der Brasilianer spielte statt Mata auf dieser Seite. Roberto Di Matteo wollte damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ramires ist nicht nur defensivstärker, er besitzt auch eine höhere Athletik und Schnelligkeit. Mata mag technisch und im Normalfall offensiv eine bessere Wahl sein, gegen Alves jedoch nicht. Zu weit würde er in der Defensive zurückfallen, um hinten auszuhelfen. Schnelle Vorstöße in den offenen Raum wären für ihn dann nahezu unmöglich. Der nimmermüde Ramires hingegen ist dazu in der Lage und war schließlich für das 1:0 mitverantwortlich.

Juan Manuel Mata spielte wiederum auf der rechten Seite. Er sollte mit seinem linken Fuß nach innen ziehen und weite Pässe spielen können. Wenn er ins Zentrum zog, hatte er die Möglichkeit, entweder weite Bälle nach vorne zu schlagen oder einfache Diagonalbälle mit dem Innenrist in den Lauf Ramires‘ zu spielen. Damit gab es ein sehr simples taktisches Mittel (neben den Konterangriffen nach Ballgewinnen), um das Spiel auf den Alves-Flügel zu forcieren. Hier sah Roberto Di Matteo wohl die einzige Möglichkeit hinter die Abwehr Barcelonas zu kommen. Diese Einschätzung sah man im Grunde auch an der Spielweise Drogbas. Der ehemalige Weltklassestürmer ging einige Male überraschend einfach zu Boden und wollte auf diese Weise Freistöße schinden. Ein gängiges taktisches Mittel gegen eine dermaßen kopfballschwache Mannschaft wie Barcelona. Desweiteren konnte man Barcelona dadurch wieder etwas zurückdrängen und sich selbst ein bisschen Zeit in Ballbesitz erzwingen. Dies funktionierte allerdings nicht wirklich effektiv.

Im Mittelfeld sah man eine weitere überaus interessante Spielweise Chelseas. Mit einem Dreiermittelfeld  wollten die Londoner sehr kompakt agieren. Dadurch, dass sich die fünf Mittelfeldspieler in der Defensive auf einer Höhe befanden, konnten die Außen sehr gut abgesperrt werden. Mata und Ramires okkupierten zumeist die gegnerischen Außenverteidiger, die Viererkette konnte dadurch sehr eng spielen. Diese Enge schloss die Schnittstellen in der Abwehr. Da sich Chelseas Viererkette nur noch auf die offensiven Spieler konzentrieren konnte, wurden sie auch nicht so einfach auseinandergezogen. Barcelonas Standardspielzug, der Diagonalpass auf Alves, verlor deutlich an Wirkung.

Weiters hatte di Matteo sogar dafür vorgesorgt. Mit Mikel als tieferem Spieler im Dreiermittelfeld bot sich eine weitere die Defensive stabilisierende Option an. Falls Barcelona ins letzte Spielfelddrittel kam und über die Außen mit zwei Mann spielte, veränderte sich die Formation der Platzherren. Sie bildeten dann eine Doppelsechs, wobei sich Mikel zwischen die beiden Innenverteidiger fallen ließ. Die Mitte wurde eng gemacht und Rückpässe Barcelonas waren genau das – Rückpässe ohne Raumgewinn. Normalerweise kommen danach schnelle vertikale Bälle in die offenen Lücken, dank Mikel konnten dies allerdings nicht mehr einfach gespielt werden. Dies zwang Barcelona zu einer Ballzirkulation im Mittelfeld. Hier erhielt Mikel ausreichend Zeit sich wieder in die Mitte zu orientieren. Der Innenverteidiger sowie der Außenverteidiger, welche nach außen gezogen wurden, konnten sich wieder richtig formieren. Das Bollwerk war wieder aufgebaut.

Dies war auch die Ursache, wieso Lampard und Meireles vor Mikel spielten. Beide sind im Stande als Teil einer Doppelacht zu spielen und Meireles gar als alleiniger Sechser. Dies sorgte dafür, dass man bei Mikels Zurückfallen keine Probleme in der defensiven Ordnung hatte und die Mitte kompakt hielt. Im weiteren Spielverlauf konnten die beiden dann in der taktischen Ordnung mit dem richtigen Timing nach vorne rücken. Hier ist besonders das Timing zwischen ihrem Aufrücken und der Rückkehr Mikels auf seine Position gemeint. Dies musste möglichst zeitgleich erfolgen, sonst würde man vor der Abwehr Lücken zwischen den Linien öffnen. Diese kämen dann Messi entgegen, der besonders in solchen Situationen hervorragend agiert. Das 4-1-4-0-1 respektive 4-5-1 war extrem kompakt und eng, der Hauptgrund war eben das Eingrenzen Messis. Di Matteos Mannschaft gewann schließlich auch dank eines Ballverlustes Messis, welchem ein schneller Konter folgte.

Barcelonas Aufstellung

 

 

 

 

 

 

Die Gäste traten dieses Mal wieder mit einer sehr offensiven Viererkette an. Davor spielten drei Mittelfeldspieler und zumindest drei nominelle Stürmer. Das heißt, dass es eine gewisse Abkehr vom oft verwendeten 3-4-3/3-3-4 gab. Letzteres wird nämlich hauptsächlich gegen Mannschaften mit zwei Stürmern verwendet. Der Grund liegt auf der Hand, denn bei einem gegnerischen System mit zwei Stürmern können defensiv zwei Leute die jeweiligen Stürmer übernehmen und man besitzt einen freien Mann gegen Konter. Im Spielaufbau sind es ebenfalls drei eigene gegen zwei fremde Spieler und dies erleichtert das Aufbauspiel. Egal, wohin die beiden verschieben, solange niemand aus dem Mittelfeld nachrückt, hat Barcelona Überzahl. Falls jedoch die zentralen Spieler nachrücken, so kann Barcelona im Mittelfeld ihre Schlüsselspieler einfacher einsetzen.

Beim System mit der Viererkette spielen die Katalanen allerdings überaus asymmetrisch. Dani Alves positioniert sich sehr hoch, Adriano spielt eine relativ balancierte Rolle auf der linken Außenbahn. Dazwischen sichern Mascherano und Puyol gemeinsam ab. Dies bedeutet allerdings auch, dass man ohne wirklichen Spielmacher aus der Innenverteidigung herausspielt. Viel mehr konzentriert man sich hier auf eine saubere Zweikampfführung und einfache Pässe. Stattdessen kompensiert man dies mit einer noch höheren Zahl an Mittelfeldspielern in der Startelf. Damit ist gemeint, dass Iniesta auf der Position des linken Außenstürmers aufläuft. Somit sind nur Messi und Sanchez wirkliche Stürmer, beide wurden aber auf dem Flügel ausgebildet. Um die nötige Torgefahr neben Messi zu erzeugen, spielt Fabregas extrem aggressiv im Mittelfeld.

Immer wieder stößt er in die Lücken der Abwehr und tauscht die Position mit Messi. Sanchez läuft horizontal an der Viererkette entlang, um zwei Sachen zu provozieren. Einerseits Probleme beim Übergeben zu erzeugen, die entweder ihm oder dem Mittelstürmer Räume öffnen und andererseits um die Außenverteidiger nach innen zu ziehen. Hier ist es Alves, welchem er Platz beschert und Variabilität in das Spiel Barcelonas bringt.

Zentral agierten die Gäste mit Xavi und Busquets. Diese beiden kümmerten sich gemeinsam um den Spielaufbau, wobei sie unterschiedlich hoch aufrücken. Busquets bietet sich zumeist als Verbindung zwischen Abwehr und Mittelfeld an, das gleiche macht Xavi eine Ebene weiter. Er ist das Bindeglied zu den Außenstürmern und spielt deutlich mehr tödliche und lange Bälle. Busquets hingegen beschränkt sich auf Kurzpässe mit möglichst hoher Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit ist deswegen entscheidend, weil vor der Abwehr die Fehler meistens am gefährlichsten sind. Aus dem Zentrum könnten die Gegner beide Seiten anspielen und die Außenverteidiger sind zumeist beide aufgerückt. Da Busquets über extrem hohe Ball- und Passsicherheit verfügt, erleichtert er auch den Innenverteidigern das Leben. Diese könne über ihn das Spiel ungemein schnell weiterleiten und Raum schaffen. Der Gegner kann fast nie so schnell verschieben, wie Busquets den Ball verarbeiten kann.

Bei Xavi verhält sich dies in der Offensive ähnlich. Er spielt sehr horizontal, um besonders den Außen zu helfen. Diese sind durch die Außenlinie etwas eingegrenzt und benötigen Unterstützung, um sich aus engen Situationen befreien zu können. Hierzu verschiebt Xavi teilweise extrem und läuft sehr viel in einem gleichmäßigen Tempo. Dies schützt ihn vor Ermüdung und bietet ihm über 90 Minuten die Möglichkeit das Spiel seines Teams zu kontrollieren. Barcelonas Schwäche im vertikalspielerischen Bereich an diesem Abend entstand deswegen, dass Chelsea so flach agierte. Teilweise schob die Viererkette vor Mikel stärker zurück und man hatte eine noch kompaktere Formation. Mit nur zwei erkennbaren Linien in der Formation (Drogba spielte in Halbzeit zwei etwas in einer Freirolle) konnte man ganz simpel die Räume klein halten. Messi fand deswegen nie die Möglichkeit, Fahrt aufzunehmen oder sich als dritter Spielmacher einzubinden. Iniesta wurde durch seine Rolle auf dem Flügel ebenfalls aus dem Spiel genommen.

Andrés Iniesta und Branislav Ivanovic

Für viele Experten war es nicht spielentscheidend, in Wahrheit war das allerdings ein Schlüsselduell. Beziehungsweise ein “Nicht-Duell“. Andrés Iniesta wurde bereits oft von Pep Guardiola auf dem Flügel eingesetzt. Dieses Jahr insbesondere wegen der Verpflichtung Cesc Fabregas‘. Guardiolas Ziels scheint es zu sein, möglichst viele passstarke Spieler zu besitzen, positionsunabhängig. Fabregas soll letztlich ein wichtiges Puzzlestück sein, da er die nötige Torgefahr mitbringt, um hinter Messi zu agieren. Er kann dessen Position übernehmen und selbst Tore machen – dass Messi so viele Tore macht, ist nämlich auch ein Eingeständnis an die wenigen Schwächen das katalonischen Systems.

Allerdings ist die Lösung bislang suboptimal. Besonders gegen Chelsea zeigte sich, wieso. Wäre Iniesta ein Linksfuß oder Alves einer, würde sich das Problem wohl von selbst erledigen. Mit Adriano hinter sich, der aufgrund mangelnder Dynamik und Laufstärke nicht so extrem wie Alves agieren darf, wird Iniesta nur teilweise entlastet. Zu selten hinterläuft Adriano ihn, dadurch ist Iniesta oftmals isoliert. Um dem zu entgehen, zieht er logischerweise ins Zentrum. Allerdings ist dann die Seite verwaist und das Spiel ist nicht breit genug. Die Mitte ist überladen und sogar Barcelona tut sich schwer, dass sie passsicher und dynamisch kombinieren.

Gegen Chelsea traf er außerdem noch auf Ivanovic. Dieser spielt als gelernter Innenverteidiger überaus defensiv und ist sehr zweikampfstark. Für Iniesta ein großer Nachteil, seine Dribblings sind schwer anzubringen und die Räume sind eng. Ivanovic weiß genau, wie weit er ihn verfolgen darf und ab wann er ihn überlassen kann. Die dichte Formation Chelseas im Mittelfeld tat ihr übriges. Wenn Iniesta in die Mitte ging, sah er sich Mikel und Lampard gegenüber, Mata konnte dynamisch von hinten mitpressen. Ohne Iniesta tut sich allerdings Barcelona immer schwer. Für viele ist der blasse Spanier aus Fuentealbilla nur einer von vielen Weltklassespielen, hierbei darf man aber seinen wirklichen Wert nicht übersehen. Ungemein geduldig, extrem ballsicher und hervorragend im Passspiel. Mit diesen Attributen kann er zusammen mit Xavi den Ball nahezu endlos halten und langsam den gegnerischen Raum infiltrieren. Fabregas und Messi hingegen sind zu ungeduldig, sie gehen sehr oft den direkten Weg und riskieren Ballverluste – wie schon zum erwähnten 1:0.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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