Juventus vs Real Madrid – Juve dominiert die erste Halbzeit, aber die Königlichen schlagen eiskalt zurück
Champions League 6.November.2013 Leonard Dung 1
Das Duell zwischen Juventus Turin, dem italienischen Meister, und Real Madrid stellte das Highlight des dritten und vierten Champions-League-Spieltages dar. Juve stand unter Zugzwang, hingegen ging es für Real bereits um den Gruppensieg.
In Madrid hatte Real gewonnen, allerdings ohne restlos zu überzeugen. Sie kreierten durchaus einige Chancen gegen das engmaschige italienische Abwehrnetz, allerdings ließen sie zu viele Torgelegenheiten zu. Weil Chiellini vom Platz gestellt wurde, gelang es Real letztendlich, Juventus‘ Druckphase unter Kontrolle zu bekommen. Trotz der 40-minütigen Unterzahl betrug die Schussbilanz jedoch dreizehn zu dreizehn.
Wie bereits im Hinspiel setzte Conte vor Buffon auf eine Viererkette, die aus Asamoah, Bonucci, Barzagli und Caceres bestand. Davor sollte Pirlo das Spiel aus dem defensiven Zentrum dirigieren, wobei ihn Pogba und Vidal unterstützten. Sowohl der nominelle Linksaußen Tevez als auch der rechte Flügel Marchisio tendierten stark ins Zentrum. Llorente im Sturm komplettierte die Elf.
Real trat ebenfalls im 4-3-3 an, das sich mittlerweile als Stammsystem etabliert hat. In der Champions-League darf Casillas das Tor hüten. Marcelo, Pepe, Varane und Ramos besetzten die Verteidigung. Der genesene Xabi Alonso, Modric auf halblinks und Khedira halbrechts spielten im zentralen Mittelfeld. Auf den Außen tauschten Bale und Ronaldo häufig die Seiten, während Benzema als Sturmspitze fungierte.
Die erste Halbzeit stand ganz im Zeichen der alten Dame. Sie betrieben intensives Gegenpressing, um den Ball schnell zurückzuerobern. Damit erstickten sie das Konterspiel, Reals größte Stärke, im Keim. Besonders nach eigenen Einwürfen mussten die Spanier sehr viele Bälle verloren geben. Bale und Ronaldo lauerten auf Zuspiele in die Spitze, die jedoch nicht erfolgten, da Juve den potentiellen Passsender direkt behinderte. Um das Spiel zu verbinden, ließ sich Benzema fallen, um den Ball weiterzuleiten, allerdings verfolgte Barzagli ihn energisch. Notfalls stoppte Juve die Konter mit einem unscheinbaren Foul.
Wenn Real den Ball länger kontrollierte, ließen sie sich in eine tiefe 4-5-1-Anordnung zurückfallen, wobei immer der ballnahe Spieler leicht vorrückte, um etwas Druck auszuüben. Wegen der geschickten Nutzung des Deckungsschattens war der gefährliche Raum aber dennoch kaum zu erreichen. Die Königlichen konnten keine variablen Passdreiecke aufbauen, um sich hinter die Mittelfeldreihe zu kombinieren. Stattdessen war ihr Positionsspiel recht durchschaubar. Xabi Alonso, der normalerweise mit seinen exzellenten langen Pässen das Mittelfeld bestimmen kann, wurde von Llorente gedeckt.
Real Madrid presste grundlegend anders als Juventus. Sie übten in der ersten Halbzeit weniger Druck auf den Ballführenden aus, außerdem verhielten sich ihre Außenstürmer lange nicht so engagiert. Während Juves Außen den gegnerischen Außenverteidigern bis in den eigenen Strafraum folgten, wenn es nötig war, unterstützten Bale und Ronaldo ihre Abwehr nur sporadisch. Häufiger warteten sie weiter vorne auf Kontergelegenheiten. Diese Bedrohung führte zwar dazu, dass Juves Außenverteidiger nicht sehr offensiv agierten, schwächte Reals Defensive aber trotzdem. Den Raum, um den sich bei Juventus fünf Akteure kümmerten, mussten bei Real drei Spieler abdecken. Deswegen gab es stets Möglichkeiten, mit Spielverlagerungen die Defensive aufzureißen.
Da Benzema hauptsächlich Pirlo verteidigte, wurde Bonucci zum wichtigsten Spieleröffner. In der ersten halben Stunde entfachten seine langen Pässe Gefahr, doch Real stellte sich auf dieses Mittel nach und nach besser ein.
Das erste Tor war symptomatisch für Reals Pressingschwäche. Dort versuchten sie mal aggressiver zu pressen. Es schien als würden sie Juventus in die Enge treiben, doch plötzlich konnten sie sich mit einem einfachen Pass aus der Rechtsverteidigerposition, in den klaffenden Raum in der Mittelfeldzentrale, befreien.
Pirlo prägte die Partie zwar nicht wie gewohnt, dafür drückte Pogba ihr seinen Stempel auf. Generell war die linke Seite Juves gefährlicher. Tevez zog immer wieder mit dem Ball ins Zentrum, um abzuschließen oder den finalen Pass zu spielen. Dadurch erspielte er sich mehrere Gelegenheiten, weil Pogba zeitgleich auf den Flügel kreuzte, um den Außenverteidiger zu binden. Ramos wurde so mit zwei sehr unterschiedlichen Gegnern konfrontiert. Einerseits mit dem wendigen und „stürmerartigen“ Tevez, anderseits mit dem überaus robusten und technisch versierten Pogba. Marchisio fühlte sich hingegen auf der rechten Seite sichtlich unwohl.
Bei Real agierten anfangs Bale links und Ronaldo rechts. Allerdings wechselten sie dann die Positionen. Im Laufe des Spiels gab es zwischen ihnen immer wieder Rochaden, wobei Ronaldo insgesamt öfter links und Bale öfter rechts zu finden war.
In der zweiten Halbzeit reagierte Ancelotti auf den Rückstand. Reals Außenverteidiger agierten erheblich offensiver, um die gegnerische Fünferreihe im Mittelfeld zu strecken. Sie versuchten häufiger, auf den ballfernen Außenverteidiger zu verlagern, um den Angriff anschließend schnell über den Flügel vorzutragen. Zudem gestaltete Madrid sein Pressing etwas chaotischer und überraschender. Seine Spieler bewegten sich nun spontaner und aggressiver zum Ball, weshalb es schwieriger wurde, das Pressing zu umspielen, obwohl sie nicht sehr kompakt waren. Das führte zum Fehler von Caceres, den Real prompt für den Ausgleich nutzte. Die Italiener ließen sich davon offenbar beeindrucken, schließlich häuften sich bei ihnen nun einfache Fehler im Passspiel.
Beim 1:2 ließ sich Caceres von einem hohen Steilpass auf Ronaldo überrumpeln, ehe Juve durch einen Kopfball von Llorente noch ausglich.
Fazit: Im Duell zwischen zwei europäischen Spitzenmannschaften erzielte Real die besseren Resultate, war jedoch nicht überlegen. Bei Real entpuppte sich die exponierte Rolle der Flügelstürmer, insbesondere Ronaldos, als zweischneidiges Schwert. Juventus verteidigte kollektiver und kompakter, während Real in der Liga ebenfalls von Defensivproblemen geplagt wird. Anderseits ist es enorm anspruchsvoll, die Gefahr, die von Ronaldo und Bale ausgeht, über 90 Minuten zu bändigen.
Leonard Dung, abseits.at
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