Konzentriert in der Defensive und schnelles Umschalten – der FC Basel biegt den FC Bayern
Champions League 24.Februar.2012 Alexander Semeliker 1
Dank eines späten Treffers des eingewechselten Valentin Stockers gewann der FC Basel das Hinspiel des Achtelfinales der UEFA Champions League gegen den FC Bayern München mit 1:0. Vor 36.000 Zuschauern im St. Jakob-Park hatte der deutsche FCB zwar mehr Spielanteile, agierte aber zu ausrechenbar und verzweifelte an Basels Schlussmann Yann Sommer. Der FCB aus der Schweiz hingegen glänzte durch geschlossen starkes Defensivspiel und schnelles Kontern.
„Kein Ergebnis ist planbar“, hatte Basel-Coach Heiko Vogel seiner Mannschaft vor dem Spiel auf den Weg gegeben. „Wir haben nicht mit einem 1:0 gerechnet, aber wir waren uns durchaus bewusst, dass wir gewinnen können“, so der ehemalige Bayern-Nachwuchstrainer. Dass sein Team gewonnen hat lag in erster Linie an der starken Defensive mit Torwart Sommer als sicheren Rückhalt, aber auch daran, dass der FC Bayern sein Spiel erneut zu eindimensional gestaltete und seinerseits Lücken in der Abwehr anbot.
Dragovic und Alaba in der Startelf
Vogel schickte seine Mannschaft in der zu erwartenden Formation aufs Feld. Das heißt auch ÖFB-Legionär Aleksandar Dragovic stand in der ersten Elf – bereits zum 25. Mal in der laufenden Spielzeit. Im flachen 4-4-2-System bildete er mit David Abraham die Innenverteidigung. Neben ihnen interpretierten die beiden Außenverteidiger, Ex-Salzburger Steinhöfer und Südkoreas Nationalspieler Park Joo Ho, ihre Positionen sehr modern, hatten ihre Gegenspieler größtenteils gut im Griff und setzten sich auch mit Vorstößen in Szene. Im Vierermittelfeld davor waren die Augen vor allem auf Neo-Bayer Xherdan Shaqiri gerichtet.
Bayern-Trainer Jupp Heynckes schenkte einmal mehr David Alaba das Vertrauen im zentralen Mittelfeld. Im Vergleich zum madigen 0:0 beim SC Freiburg stellte er aber an zwei Positionen um. Statt Luiz Gustavo begann Tymoshchuk an der Seite von Österreichs Fußballer des Jahres. Zudem verdrängte Robben WM-Torschützenkönig Müller auf die Bank.
„Robbery“ – unterschiedliche Spielanlage, aber gleich ungefährlich
Dass Jupp Heynckes an letzterer Umstellung das ganze Spiel über festhielt, stieß auf eine Menge Unverständnis. Zwar lässt sich aufgrund der Statistik – 75 Ballkontakte, 5 Schüsse, 89% Erfolgsquote bei 56 Pässen, 3 Key Passes – vermuten der Niederländer sei ein wichtiger Aktivposten im Spiel des deutschen Rekordmeisters gewesen, das war er jedoch nicht. Zu ausrechenbar ist sein Spiel. Brauchte man einst bis zu drei Verteidiger um seinen Haken nach innen zuzustellen, konnte Robben teilweise selbst gegen Park alleine kaum Akzente setzen. Versuchte er zu Beginn der Begegnung noch sich die Bälle von hinten zu holen um mit Tempo aus der Tiefe zu kommen, versteifte er sich mit Fortdauer immer mehr auf sein herkömmliches Spiel und verharrte hauptsächlich an der Seitenlinie. Etwas flexibler zeigte sich auf der gegenüberliegenden Seite Ribery. Der Franzose zog ein ums andere Mal ins Zentrum oder versuchte gemeinsam mit Robben die rechte Seite zu überladen.
Basel perfekt eingestellt
Effektiv war jedoch beides nicht, da die Hintermannschaft der Schweizer perfekt eingestellt war. Wie die 4-4-2-Grundordnung bereits impliziert zogen die Heimischen vor der Abwehr eine weitere Viererkette auf, die sich knapp vor der eigentlichen aufstellte. Da sich die beiden Spitzen am Defensivspiel kaum beteiligten übte einer der beiden zentralen Mittelfeldspieler, vorrangig Huggel, bei Spielverlagerungen der Bayern Druck auf den zentralen Bayern-Spieler auf. Das war deshalb möglich, weil die beiden Außenspieler Shaqiri und Frei weit einrückten und das Zentrum noch mehr verdichteten. Somit hatte Kroos kaum Zugriff zum Spiel. Egal ob er auf die Flügel auswich, sich fallen ließ oder mit Teamkollegen rochierte, der Zehner der Bayern kam nicht zur Entfaltung. Doch nicht nur defensiv war man sich der Schwächen der Münchner bewusst, auch in Ballbesitz zogen die Schweizer die richtigen Konsequenzen. So konterte man hauptsächlich über die Seiten, wo die Bayern mit den weit aufgerückten Außenverteidigern viele Räume ließen, in die Basels Außenspieler oft vorstießen.
Bei Basels Spielaufbau war, neben den weit aufgerückten Außenverteidigern, besonders auffällig, dass sich Xhaka vom defensiven Mittelfeld zwischen die beiden Innenverteidiger fallen ließ und von dort aus die Bälle verteilte – ähnlich wie es beim FC Barcelona der Fall ist. Der 19-Jährige legte zudem mit 12,25km die meiste Distanz seiner Mannschaft zurück und überzeugte mit seiner Ballsicherheit und Zweikampfstärke, womit er trotz seiner Jugend der Ruhepol im Zentrum war. Selbst durch phasenweise hohes Pressing der Bayern ließ man sich nicht in Unruhe bringen und spielte unbeirrt von hinten raus.
Amateurhafte Fehler in Bayerns Verteidigung
Kann man sich in der Offensive noch auf die kompakte Basler Hintermannschaft und die Topleistung von Keeper Sommer ausreden, offenbarten die Bayern in der Defensive einmal mehr wie anfällig man in der Rückwärtsbewegung ist – und das nicht nur bei Kontern. Grundsätzliche Fehler in Raumaufteilung und Absprache untereinander waren keine Seltenheit, was durch folgende Szenen verdeutlicht werden soll.
Die Zuteilung in der Mitte – fünf Bayern gegen vier Baseler – passt zunächst. Doch Badstuber achtet in dieser Szene ausschließlich auf den Ball, wodurch sich Dragovic im Rücken davonschleichen und fast zur Führung einköpfen kann. Nur kurze Zeit später hatten die Hausherren erneut die Chance aufs 1:0, als Frei freistehend an die Latte schoss.
Durch einfaches Herausziehen des Innenverteidigers – hier Boateng – öffnet Streller den Raum, so dass der Ballführende Park nach einem Doppelpass frei flanken kann. In der Mitte hat man zwar eine drei-zu-eins-Überzahl, dennoch scheint eine eindeutige Zuordnung nicht gegeben zu sein. Badstuber will den Weg zum Tor zustellen, Alaba orientiert sich zu Shaqiri am „Zwanziger“ und Lahm spekuliert auf Abseits.
Auch vorm entscheidenden Treffer wimmelte es von individuellen Fehlern. Zunächst kommen Lahm, Alaba, Müller und Badstuber gegen den querlaufenden Zoua nicht in den Zweikampf, da sie zu weit weg stehen, dann rückt Rafinha ohne erklärbaren Grund aus der Kette raus und lässt somit Stocker alleine. Der Joker schiebt schließlich trocken zum umjubelten 1:0 ein.
ÖFB-Legionäre und Fazit
Den Grundstein für den Erfolg legte der FC Basel mit einer souveränen Defensivleistung, die auch ÖFB-Teamverteidiger Dragovic zeigte. Der ehemalige Austrianer schirmte gemeinsam mit Nebenmann Abraham Torjäger Gomez exzellent ab, ließ den Führenden der Bundesligatorschützenliste gerademal zu 31 Ballkontakten kommen. Weiters waren sie mit zusammen 20 Clearances – acht davon von Dragovic – hauptverantwortlich dafür, dass die 17 geschlagenen Flanken und fünf Ecken der Bayern in keiner Torchance mündeten. Und auch in der Spieleröffnung agierte der 20-Jährige souverän, brachte von 37 Pässe 86% an den Mann.
Noch höher war die Erfolgsquote bei David Alaba. Beachtliche 93% seiner 59 Zuspiele fanden das Ziel. Außerdem stieß das Bayernjuwel oft energisch ins letzte Drittel vor und das sehr variabel. So wich er zum Beispiel auf die linke Seite aus wenn Ribery ins Zentrum zog, war bemüht das Überladen der rechten Seite zu unterstützen und beim Pressing war er oft bereits neben Spielmacher Kroos zu finden – alles in allem also durchaus ähnlich mit der Spielweise von Bastian Schweinsteiger. Dennoch sehnt man an der Säbener Straße die Rückkehr des 27-Jährigen herbei. Denn an die Führungsqualitäten kommt der junge Österreicher natürlich lange nicht ran. Unterm Strich steht bei Alaba trotzdem eine grundsolide Partie, womit er zu den besten Akteuren seines Teams zählt und man aus österreichischer Sicht absolut zufrieden sein kann. Wer hätte vor nicht allzu langer Zeit gedacht, dass zwei Österreicher in einem Champions League-Achtelfinale zu den besseren Spielern gehören?
axl, abseits.at
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