Loris Karius hat mit seinen zwei Fehlern das Finale der Champions League entschieden. Torhütern wird ja meist nachgesagt, sie seien verrückte Einzelgänger. Das trifft... Loris Karius: Die Leiden des Torhüters

Loris Karius hat mit seinen zwei Fehlern das Finale der Champions League entschieden.

Torhütern wird ja meist nachgesagt, sie seien verrückte Einzelgänger. Das trifft sicherlich nicht auf alle Vertreter dieser speziellen Gattung zu. Jedoch muss ein Keeper eine gewisse Leidensfähigkeit und einen Hang zum Masochismus mitbringen. Schließlich ist er oder sie die letzte Bastion zwischen dem Gegner und dem Tor. Fehler werden dadurch sofort bestraft, führen in den meisten Fällen zu einem Gegentor. Mit dieser Verantwortung, diesem Druck muss man erst einmal umgehen können.

Diesen Druck spürt sicherlich auch die Nummer Eins eines Kreisligisten. Er wird aber je nach Größe der Bühne noch einmal potenziert. Im Finale der Champions League am letzten Samstag in Kiew zwischen dem FC Liverpool und Real Madrid – also die größtmögliche Bühne im Fußballgeschäft – hatte es den Anschein, als wäre der Druck für Reds-Keeper Loris Karius zu groß gewesen. Mit zwei furchtbaren Fehlern hat er das Finale zugunsten der Spanier entschieden.

Man konnte es dabei vor dem Fernsehbildschirm fast spüren, dass etwas passieren wird, als Karius in der 51. Minute zögerlich durch den Strafraum irrte und versuchte, den Ball zu einem Mitspieler zu werfen. Am Ende hat er auch einen Spieler gefunden. Das Problem: Sein Name war Karim Benzema und der spielt bekanntlich für Real Madrid. Karius warf den Ball direkt auf den Fuß des Franzosen, von wo aus er in das Tor kullerte. 1:0 für Real Madrid. Das Entsetzen in den Gesichtern der Liverpool-Fans wurde nur noch von dem Entsetzen im Gesicht von Loris Karius übertroffen.

Bereits kurz zuvor hätte ein Fehler des Deutschen fast für einen Treffer gesorgt. Ohne Not verließ er in der 47. Minute sein Tor, Isco setzte den Ball aber nur an die Latte. Schon zu früheren Zeitpunkten in der Saison hatte Karius den Anhängern von Liverpool mit ähnlichen Kamikaze-Einlagen den Schweiß auf die Stirn getrieben. Nach dem umgehenden Ausgleich durch Sadio Mane (55.) war Karius wohl die Person im Olympiastadion, der der größte Stein vom Herzen fiel.

Zum großen Bedauern aus Karius‘ Sicht sollte dieses Gefühl nicht allzu lange anhalten. Ein Kunstschuss des eingewechselten Gareth Bale brachte Real die erneute Führung (64.). Dieses Mal war der Keeper jedoch machtlos. Liverpool hatte bis auf einen Pfostenschuss des starken Mane (71.) danach keine Antwort mehr zu bieten. Schon in der 31. Minute hatte die rote Seele den ersten schweren Schlag erhalten, als sich Superstar Mo Salah nach einem Zweikampf mit Sergio Ramos an der Schulter verletzte. Mit Tränen in den Augen musste der Ägypter den Platz verlassen. Sein Trainer Jürgen Klopp hätte wohl am liebsten mitgeweint.

Für das endgültige Ende aller Hoffnungen Liverpools sorgte dann erneut der unglückliche Torhüter. Wieder war es Bale, der keine Anspielstation fand und daher den Ball einfach mal aufs Tor schoss. Verlegenheitsschuss nennt man so etwas gemeinhin. Karius sah das Spielgerät bereits früh. Zunächst machte er sich bereit zum fausten, dann wollte er ihn doch fangen. Das waren eindeutig zu viele Überlegungen, die der 24-Jährige da anstellte, denn nur wenige Sekunden später zappelte der Ball im Netz. Karius hatte ihn sich selbst reingefaustet. Ihm danach anzusehen, dass es seiner ganzen Willenskraft bedurfte, um nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen – was sicherlich verständlich gewesen wäre.

Für Karius ist an diesem Abend in Kiew der Alptraum jedes Torhüters wahr geworden. Nun darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass Real in diesem Spiel die bessere Mannschaft war und letztlich verdient gewann. Ein eher schwacher Trost für Karius. Er hatte sich erst im Laufe der Saison den Platz von Simon Mignolet erkämpft. Und nun das. Wie Oliver Kahn nach dem Spiel anmerkte, können solche Momente ganze Karrieren zerstören. Denn ohne Fehler fallen im Fußball zwar keine Tore, der Fußball verzeiht Fehler aber nicht so schnell.

Dabei sind sie menschlich. Karius ist am Tag des Finales sicherlich nicht mit der Absicht aufgestanden, sich und seiner Mannschaft den vielleicht größten Moment der Karriere zu sabotieren. So verrückt sind nicht einmal Torhüter. Daher kann man für Karius nur hoffen, dass mit ihm nun fair umgegangen wird. Kritik muss ein Goalie nach solchen Momenten aushalten, ganz klar. Jedoch kommt es auf die Art an, wie sie geäußert wird – sie darf einen Menschen nicht vernichten. Es geht immer noch nur um Fußball.

Karius ist noch jung, er wird aus diesen Fehlern lernen. Hoffentlich gibt man ihm die Gelegenheit dazu. Die ersten Spieler, die Karius nach dem Spiel trösteten, trugen aber übrigens ein weißes Trikot…

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