Manchester United empfängt den FC Bayern München | Robin van Persies Ausfall Fluch oder Segen?
Champions League 1.April.2014 Rene Maric 0
Vor einiger Zeit wäre dies noch wohl das Schlagerspiel dieser Runde gewesen – doch in dieser Saison haben sich die Vorzeichen gedreht. Beide Mannschaften haben den Abgang eines großen Trainers hinter sich. Die Münchner hatten sich im letzten Jahr mit Jupp Heynckes in Richtung Fußballolymp katapultierten, dieses Jahr sorgt Pep Guardiola dafür, dass sie dort bleiben. Von United kann man das freilich nicht behaupten. Seitdem Moyes für Ferguson im Amt ist, kriselt es beim Noch-Meister der englischen Liga. Diese Krise sorgt auch dafür, dass ein Weiterkommen Manchesters als ähnlich unwahrscheinlich wie der griechische Sieg bei der Europameisterschaft 2004 gilt.
4-4-2 gegen totale Flexibilität
Neben dem Spielermaterial und möglichen internen Problemen bei United sind es auch und insbesondere die Differenzen in puncto Taktik, welche für den aktuellen Leistungsunterschied zwischen den beiden Mannschaften sorgen. Die Bayern befinden sich trotz des kleinen Patzers gegen Hoffenheim in Topform. United scheint nur das nächste Opfer zu sein. Besonders das statische 4-4-2 der Moyes-Mannschaft in der Defensive könnte für große Probleme verantwortlich sein.
Bayern ist hervorragend dabei die Flügelstürmer für direkte Pässe aus der Innenverteidigung anspielbar zu machen, indem sie gegnerischen Außenstürmer durch das Einrücken der Außenverteidiger wegziehen und die eigenen Flügelstürmer zurückfallen lassen. United könnte damit große Probleme erhalten, da ihnen die gruppentaktische Sauberkeit im Übergeben fehlt und die Zuteilungen nicht immer stimmen.
Ein weiteres Problem ist natürlich das Wechselspiel im Mittelfeld. Kroos, Schweinsteiger, Lahm, Javi Martinez oder auch Mario Götze streiten sich im zentralen Mittelfeld um die drei Plätze. Auf dem Feld werden die Positionen aber sehr flexibel interpretiert, es gibt immer wieder Rochaden und Positionswechsel. Neben der Überzahl im Mittelfeld durch das 4-3-3 kommt auch noch das herausragende Nutzen des defensiven Halbraums hinzu. Durch das diagonale Zurückbewegen der Sechser/Achter werden die offenen Räume des 4-4-2 bespielt.
Ansonsten könnte ein abkippender Sechser ebenfalls eine Option für Bayern sein. Indem Lahm zwischen die Innenverteidiger zurückfällt, können die Innenverteidiger auffächern. Im ersten Drittel wird dadurch Überzahl gegen die zwei Stürmer erzeugt, die Innenverteidiger können außerdem in die Halbräume aufrücken und die Außenverteidiger schieben weiter nach vorne. Sollte Moyes nicht überraschend die Defensivformation umstellen, könnte es somit gegen die vielen Möglichkeiten der Bayern im Aufbauspiel Probleme geben.
Eventuell wird Moyes aber seiner Mannschaft auch ein paar interessante taktische Ideen mitgeben. Eine davon könnte sogar aus der Not geboren worden sein.
Van Persies Ausfall: Fluch oder Segen?
Ohne Frage ist Robin Van Persie ein herausragender Mittelstürmer, der durch seine technische Sauberkeit, seine herausragende Abschlussstärke, seine Fähigkeiten am Ball und seine intelligenten Bewegungen absolute Weltklasse verkörpert. Diese Saison hatte er jedoch einige Probleme, unter anderem mit wiederkehrenden Verletzungen und taktischen Wechselwirkungen mit Wayne Rooney auf der Zehn. Seine mangelnde Dynamik und Beteiligung am Pressing ist ebenfalls ein Aspekt, der seine ansonsten herausragenden Fähigkeiten etwas schmälert.
Gegen die Bayern könnte es darum womöglich sogar Glück im Unglück für United sein, dass van Persie wegen einer Verletzung nicht auflaufen kann. Bayerns enormes Pressing, die Innenverteidiger und ihre Spielweise sowie das Aufbauspiel der Bayern und ihre Fähigkeiten im Sechserraum würden Van Persies positive Eigenschaften etwas schmälern und seine Schwächen fokussieren.
Stattdessen könnte nun Wayne Rooney als Mittelstürmer auflaufen. Er ist sehr umtriebig, intelligent und aktiv im Pressing, verfügt über ein herausragendes und raumgreifendes Passspiel für einen Mittelstürmer, desweiteren harmoniert er sehr gut mit Shinji Kagawa, der eine Option für die Zehner-Position darstellen könnte. Kagawa zeigte schon einige starke Spiele gegen die Bayern im Trikot des BVB, seine hervorragenden Fähigkeiten im Pressing und in engen Räumen wären ideal, um die Bayern im Sechserraum unter Druck zu setzen.
Alternativ könnten auch Rooney und Danny Welbeck das Sturmduo bilden, was ebenfalls viel Laufarbeit und gutes Pressing verspricht. Theoretisch wäre es sogar möglich, dass Moyes mit Fellaini als Zielspieler vor einer Doppelsechs bestehend aus Carrick und Fletcher oder Giggs spielt. Giggs könnte dann lange Bälle nach vorne spielen, Fellaini wäre eine Anspielstation für diese Bälle und würde versuchen auf Rooney abzulegen, um dann mit den schnellen Flügelstürmern Young und Valencia hinter die aufgerückte Münchner Defensive zu kommen.
Somit wird es auch eine Stilfrage: Will man mit Kagawa, Rooney und eventuell einer Flügelzange aus Januzaj und Welbeck eher mit schnellen Kurzpasskombinationen durch enge Räume kommen oder will er sich eher mit Welbeck/Fellaini und Rooney im Zentrum sowie schnellen Flügelstürmern überfallartig hinter die Abwehr kommen?
Eventuell könnte es dann auch sein, dass man gar kein hohes Pressing versuchen wird, sondern sich – obwohl man zuhause spielt – wirklich auf Strafraumhöhe barrikadieren wird.
Ist Moyes auf Schadensbegrenzung aus?
Eine solche Spielweise mit extrem tiefer Abwehr verspricht natürlich wenig offensive Durchschlagskraft. Gleichzeitig könnte man aber die nötigen Konterräume schaffen, um überhaupt nach vorne zu kommen. Mit Young, Nani und Valencia gibt es sehr schnelle Flügelstürmer zur Verfügung, wobei Nani wohl noch nicht wieder einsatzbereit ist. Fellaini als Zielspieler auf der Mittelstürmerposition vor einem ballverteilenden Rooney auf Zehn wäre eine sogar denkbare und realistische Option.
Die größten Vorteile dieser Ausrichtung wären aber natürlich defensiv. Mit dieser möglichen sehr tiefen und extrem kompakten Spielweise würde man sich auf die Strafraumverteidigung konzentrieren, was insbesondere den Altstars wie Ferdinand und Vidic entgegenkommt. Wegen der Strafraumorientiertheit wäre es sogar möglich mit Jones und Evans oder Smalling auf den Außenverteidigerpositionen zu spielen und sich rein auf die Defensive zu konzentrieren. Dies erscheint zwar unwahrscheinlich, könnte aber wegen der Spielstärke der Bayern und Uniteds Problemen in den vertikalen Abständen eine Option sein.
Aktuell sind nämlich weder Vidic noch Ferdinand in Topform, außerdem sind sie nicht für ein hohes Pressing geeignet. Den jungen Spielern wie Smalling, Evans und Jones fehlt es noch an der nötigen Abstimmung mit dem zentralen Mittelfeld, um ein höheres Pressing gegen die Bayern konstant durchzuhalten. Auch die Außenverteidiger Büttner und Rafael haben immer wieder Probleme im Herausrücken. Ein extrem tiefes 4-4-1-1 würde sich darum anbieten. Ansonsten sind noch viele weitere Ideen möglich, doch in der Regel wird nur eine Mannschaft ihre (abstruseren) Ideen umsetzen.
Große Umstellungen möglich, aber nur einseitig wahrscheinlich
Eigentlich könnte United auch mit einem 3-4-3/5-4-1 spielen, weil sie mit Evans, Jones und Smalling die Innen- und Halbverteidiger für die Dreierabwehr sowie mit Valencia, Büttner, Rafael und potenziell sogar Young die nötigen Flügelverteidiger haben. Rooney, Welbeck und Kagawa könnten dann vor einer Doppelsechs aus Carrick, Fellaini, Fletcher oder Giggs agieren. Mit dieser Spielweise wäre durch das Bilden eines kompakten 5-4-1 womöglich große Stabilität gegeben.
Wenn aber eine solche große und bisher nicht getestete Anpassung in dieser Partie umgesetzt wird, werden es eher die Bayern sein. Pep Guardiola hat in dieser Saison schon oftmals experimentiert und passt seine Mannschaft ununterbrochen an die jeweiligen Gegner an, um das eigene herausragende Spielermaterial maximal zu nutzen. Auch während des Spiels darf man davon ausgehen, dass der Katalane bei möglichen unerwarteten Problemen schnell umstellen wird, obwohl ihm Thiago Alcantara wegen einer Verletzung fehlt.
Insgesamt muss United also auf einen hervorragenden Matchplan von Moyes, eine schlechte Verfassung des Gegners und etwas Glück hoffen. Sollte das nicht eintreffen, haben sie wohl in der aktuellen Form auch vor eigenem Publikum nicht den Hauch einer Chance gegen die Münchner. Wenn sich der deutsche Meister auch passend einstellt, wie es zu erwarten ist, könnte es sogar eine Blamage werden. Aber: Im Fußball ist alles möglich. Oder wie war das 2004 nochmal?
René Maric, www.abseits.at
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