Marotten, Rituale oder doch die Suche nach einem Strohhalm? Rapids Weg zurück in die Zukunft
Champions League 19.August.2015 Daniel Walter 0
Um im Spitzensport besondere Erfolge feiern zu können benötigt es nicht immer nur ausschließlich eine außergewöhnliche Leistung auf dem Feld. So mancher Akteur hat seine eigenen Marotten und Rituale um so vielleicht die stets entscheidende Zutat – das Glück – auf seine Seite zu bringen. Wenn sich selbst begnadete Weltklassespieler nicht ausschließlich auf ihr Talent verlassen möchten, lohnt sich wohl auch ein Blick auf die Champions League Geschichte der Hütteldorfer. abseits.at begibt sich auf Spurensuche und findet interessante Parallelen bei den Rahmenbedingungen, welche am Ende des Tages vielleicht ihren Teil zu einer weiteren grün-weißen Sternstunde beitragen.
Spitzensportler auf der Suche nach dem Glück
Rituale, Aberglaube und Omen haben mehrere Dinge gemeinsam. In erster Linie erfüllen sie die Aufgabe, die jeweilige Person in ihrem Vorhaben zu bestärken und Vorzeichen mit ähnlich verlaufenen Erlebnissträngen mit positiven Emotionen zu konnotieren. Einige Spieler hüpfen auf einem Fuß die ersten Meter auf das Spielfeld oder berühren den Boden stets mit der gleichen Hand. Selbst Weltklasseathleten versuchen quer durch alle Sportarten mit teilweise skurrilen Methoden dem eigenen Glück auf die Sprünge zu helfen.
Rafael Nadal richtet die Etiketten der Trinkflaschen immer so aus, dass sie auf seine Hälfte des Tenniscourts zeigen, Manchester United Legende Eric Cantona pflegte an Spieltagen stets ein fünfminütiges Bad zur immer gleichen Uhrzeit zu nehmen und einer der größten Sportler aller Zeiten – Michael Jordan – trug unter seinem Chicago Bulls Trikot bei sämtlichen Spielen die Hose seiner Collegemannschaft.
Letztendlich dreht sich alles um die ständige Wiederholung und Integrierung in die ganz normale Spielvorbereitung, den vermeintlichen Aufbau von zusätzlichem Selbstvertrauen und den Versuch, das kleine Quäntchen Extraglück bereits mit auf das Spielfeld zu nehmen.
Ähnlich verhält es sich mit Omen, also Vorzeichen. Treten bestimmte Konstellationen und Ereignisse vermehrt auf, kann sich das bei den Akteuren durchaus positiv auf die Einstellung auswirken und zusätzliche Kräfte freimachen. Wie auch die persönlichen Rituale können Omen auf verschiedenen Ebenen relevant sein.
Im Detail haben wir, neben den hervorragenden Ergebnissen im Jahr 2015 und lediglich einer Niederlage seit einem Jahr in der temporären Heimstätte drei Vorzeichen gefunden, welche sich die Hütteldorfer heute Abend im Happelstadion stets in Erinnerung rufen sollten.
Ein 850 Kilometer Radius öffnet das Tor zur europäischen Königsklasse
Der österreichische Rekordmeister qualifizierte sich bisher zwei Mal für die Gruppenphase der Champions League. In beide Duelle startete man als Außenseiter und sah sich jeweils mit Mannschaften aus dem Osten konfrontiert. 2005 schaltete man in einem dramatischen Rückspiel dank Jozef Valachovic‘ Kopfballtor in der Schlussphase den russischen Spitzenverein Lok Moskau aus. Knapp zehn Jahre davor, in der Saison 1996/97, gelang der viel umjubelte Aufstieg gegen einen Verein aus der Ukraine. Das Heimspiel wurde unter Anderem mit dem heutigen Trainer Zoran Barisic 2:0 gewonnen, auswärts erzielte der legendäre Libero Trifon Ivanov zwei der vier Tore, die letztendlich klar zum Aufstieg gegen Dynamo Kiew reichen sollten.
Mit einem Triumph gegen Shakhtar Donetsk könnte man diese Region in der Champions League Geschichte endgültig grün-weiß einfärben, trennt doch keine dieser drei Städte mehr als 850 Kilometer Luftlinie, für Rapid hält diese Region also durchaus fruchtbaren Boden bereit. Der Weg zu den größten internationalen Triumphen führte stets über einen Verein aus diesem geographischem Gebiet, während sich iberische oder türkische Teams in den allermeisten Fällen als unüberwindbares Hindernis präsentierten.
Wie aus einem Nachteil ein Vorteil wird
Unter Fußballfans und Experten tief verankert ist die allgemeine Meinung, dass es ein riesiger Vorteil ist, das zweite Spiel daheim bestreiten zu dürfen. Die Mannschaft ist in gewohnter Umgebung selbstsicherer, fühlt sich in der Regel wohler und hat keine anstrengende Anreise hinter sich. Das heimische Publikum sichert zudem den lautstarken Rückhalt auf den Rängen und sorgt dafür, letzte Kräfte zu mobilisieren und dem Kontrahenten seine Grenzen aufzuzeigen.
Rapids Europacupauftritte in der Vergangenheit widerlegen diese Annahme eindrucksvoll. Es ist bereits 15 Jahre her, dass Rapid das letzte Duell vor einer etwaigen Gruppenphase verloren hat, wenn zuerst das Heimspiel zu absolvieren war.
In diese Zeit fallen unter anderem das „Wunder von Kazan“, als Rapid einen 0:2-Rückstand auswärts in ein 3:0 verwandelte, der letztmalige Einzug in die Gruppenphase gegen Lok Moskau, sowie die Duelle gegen Aston Villa, oder erst kürzlich die Überraschung gegen Ajax Amsterdam. Die Hütteldorfer können also im Idealfall im Heimspiel vorlegen und schaffen es seit eineinhalb Jahrzehnten in sämtlichen fremden Stadien dem Druck standzuhalten und in der Endabrechnung die Oberhand zu behalten. Man erzielt zudem stets zumindest ein Tor und hat lediglich beim ersten Antritt in Birmingham verloren.
Für die größten Pleiten in der jüngeren Vergangenheit sorgten mit Sicherheit Anorthosis Famagusta und HJK Helsinki. Allerdings ist man gegen beide Vereine zuerst auswärts angetreten und verabsäumte es, im Rückspiel die Wende zu schaffen
Neben dem Champions League Einzug gegen Lok Moskau, fixierte man auch die erste Teilnahme beim Rückspiel in der Ukraine.
Besondere Kraft mit der Kurve im Gesicht
Falls Rapid beim Münzwurf den ersten kleinen Sieg am Spielfeld erringen kann, sollte der Kapitän unbedingt danach trachten, dass die Mannschaft in der zweiten Hälfte bei ihren Angriffsbemühungen stets die Heimkurve im Augenwinkel sieht. Sämtliche furiose Aufholjagden der jüngeren Vergangenheit glückten in der zweite Hälfte vor dem mächtigen und lautstarken Heimblock. Der Auftakt gelang gegen den größten nationalen Konkurrenten von Shakhtar Donetsk. Dynamo Kiew führte im Rahmen der letzten Europa League Gruppenphase 2:0, allerdings zeigte Rapid nach dem Wechsel ein komplett anderes Gesicht und konnte nach einem Tor von Christopher Trimmel in der Nachspielzeit noch einen verdienten Punkt bejubeln.
Gegen die Austria verlor man in der letzten Saison zwar letztendlich 2:3, konnte das 0:3 aber in den Schlussminuten fast noch ausgleichen. Gegen die Veilchen knapp an der Sensation vorbeigeschrammt, explodierte das Happelstadion nach dem Ausgleichstreffer von Philipp Prosenik zum 3:3 gegen Red Bull Salzburg, welcher in letzter Sekunde den zwischenzeitlichen 0:3-Rückstand ausgleichen konnte.
In der heurigen Saison brachte dieser Umstand schon zwei Mal Glück. Nach einer schwachen ersten Hälfte und einem 0:1-Rückstand gegen den WAC konnte Rapid das Spiel noch drehen und durch zwei Tore von Florian Kainz gewinnen.
Das herausragendste und sportlich, wie finanziell wichtigste Comeback gelang allerdings gegen Ajax Amsterdam. Zur Pause mit einem 0:2-Rückstand noch sehr gut bedient, besann man sich in der zweiten Hälfte der Rapid-Tugenden und glich durch Robert Beric genau zu Beginn der Rapidviertelstunde aus.
Selbst am vergangenen Sonntag in Graz spielte man in der zweiten Hälfte in Richtung der Auswärtsfans und konnte ebenfalls ein 0:2 wettmachen.
Vorzeichen alleine gewinnen gewiss keine Spiele, aber sie können positive Auswirkungen auf das Gefühl der Spieler haben und letztendlich ihren Beitrag leisten, dass der Schuss in der spielentscheidenden Phase nicht im zweiten Rang, sondern im Tor landet.
Sportlegenden versuchen aufgrund ihrer Marotten die Chancen zu verbessern, letztendlich ist es nur konsequent, wenn auch die Fans all ihre Möglichkeiten und Hoffnungen ausschöpfen. 48.000 Menschen werden Rapid heute nach vorne peitschen und wie man so schön sagt, kann auch der Glaube bekanntlich Berge versetzen. In jedem Fall aber erzeugt er eine positive Atmosphäre, welche Rapid gegen diesen starken Gegner mit Sicherheit gut gebrauchen kann.
Daniel Walter, abseits.at
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