Napoli empfängt Arsenal: Ein vorläufiges Endspiel im San Paolo
Champions League 11.Dezember.2013 Lennart Kühl 0
Heute Abend um 20:45 Uhr geht es in Italiens fußballverrückter Hafenstadt für den ansässigen Spitzenklub noch einmal um drei Punkte in Europas Königsklasse. Und es ist gut möglich, dass das in dieser Saison das letzte Mal der Fall sein wird. Napoli steht kurz vor dem Aus, muss das Spiel gegen den Tabellenführer der Premier League höchstwahrscheinlich gewinnen, um überhaupt eine Chance auf das Weiterkommen zu haben. Unser Artikel zum Spiel beschäftigt sich mit Personalfragen beider Teams.
Die Heimmannschaft steht dabei sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand, wobei die Frage nach den Tickets für das Achtelfinale insgesamt kompliziert ist und auch von der Punkteausbeute der zeitgleich in Marseille spielenden, ersatzgeschwächten Borussia aus Dortmund abhängt. Gewinnt sie, kann der SSC an ihnen in keinem Fall vorbeiziehen und müsste den Gast aus London im direkten Vergleich in die Knie zwingen. Hierfür bräuchten sie einen Sieg mit mindestens drei Toren Differenz.
Verändertes Napoli unter Benitez
Und dazu sind die Neapolitaner in guter Form durchaus in der Lage. Nicht ohne Plan reinvestierten sie die vielen Millionen des Cavani-Deals mit Paris zielsicher in den Kader und einen neuen Trainer -nach dem ebenfalls erlittenen Abgang Walter Mazzarris. Rafa Benitez konnte bisher mit seinem Team alle Heimspiele in der Champions League gewinnen und baut unter anderem auf eine neu eingeführte Formation. Das auf der ganzen Welt vielpraktizierte 4-2-3-1 mit Hang zum 4-4-2 ist für den Spanier typisch und löste die unter Mazzarri favorisierte Formation mit Dreierabwehrkette ab.
Zúñigas Ausfall schmerzt
Innerhalb des Defensivverbundes geschahen auch bisher die meisten personellen Veränderungen vor und innerhalb der Saison. Benitez konnte seine Idealformation bisher, teils auch aufgrund von Verletzungen, nie wirklich einspielen lassen. Sorgenkind bis zum heutigen Tage ist dabei vor allem Linksverteidiger Zúñiga, der aufgrund von Knieproblemen seit längerem fehlt und wohl auch für das Duell mit dem englischen Hauptstadtklub nicht fit werden wird. Dabei wäre er ungemein wichtig für Napolis Offensivspiel, sehr variabel in seinen Bewegungen, athletisch wie technisch gleichermaßen stark und vor allem: Ein brandgefährlicher Flügelläufer. Wie sein Gegenüber Christian Maggio ist er es von früher gewohnt die komplette Seite zu bearbeiten und entsprechend auch in der Offensive gefährlich zu werden, ob mit Flanken oder als Initialzündung für Kombinationen. Sein Fehlen wird Napoli merklich schwächen.
Neue Aufgabenverteilung
Nicht begeistert ist der Trainer bisher von den Leistungen, welche er von seinen nominellen Sechsern geboten bekommt. Immer wieder wechselt er durch, doch dem Spiel der Hellblauen Eleganz oder hochgradige Präzision zu verleihen vermag bisher keiner seiner Spieler wirklich. Und das obwohl dieser Mannschaftsteil früher einmal neben dem Sturm um Cavani als Prunkstück galt. Dies hat vor allem mit der neuen Aufgabenverteilung zu tun. Noch unter Mazzarri waren ihre Rollen sehr vertikal orientiert, allein Inler und Dzemaili durften ihre gefährlichen Distanzschüsse, welche auch gegen Arsenal unter Umständen wieder eine Waffe sein könnten, sehr viel häufiger und eindrucksvoller anwenden als es derzeit der Fall ist. Aktuell sollen sie eher die pfeilschnellen Stürmer wie Higuain oder Callejón nach erfolgreichem Mittelfeldpressing bedienen, doch das gelingt nicht vollends. Nicht umsonst machten im Sommer innerhalb der Stadt immer wieder Gerüchte um mögliche Verpflichtungen ehemaliger Benitez-Schützlinge für die Schaltzentrale, wie etwa Xabi Alonso, die Runde.
Hamsik weiterhin fraglich
Doch diese wurden nicht getätigt. Das Mittelfeld des SSC ist letztendlich in Normalform zu schwach, um den Gegner ausschließlich mit der neu erprobten Spielweise in der nötigen Höhe zu schlagen. Mindestens eine kleinere Modifizierung seitens ihres Coachs wird nötig sein, um Arsenal beizukommen. Aber auch das wird kein leichtes Unterfangen. Allein das wohl sichere Fehlen Hamsiks, Kopf und wohl mit Higuain bester Individualist des Teams, wiegt schwer. Möglicherweise zu schwer, als dass die Kracher Inlers oder Dzemailis, die wohl auf der Sechs beginnen werden, aus der Distanz und ein zu erwartender Hexenkessel genügen werden, um nachhaltig zu beeindrucken.
Auch Arsenal braucht noch „Sicherheits-Punkte“
Denn entgegen stellt sich mit den Gunners ein Gegner, der bereits ihren (fast) besten Anzug mit 2:0 aus dem heimischen Emirates Stadium nach Hause schicken konnte. Dabei überrannten die Nordlondoner teilweise den defensiv kompakten Block Neapels und schossen ihre beiden Tore bereits nach einer Viertelstunde, obwohl sie selbst nicht in Bestbesetzung antreten konnten. Aktuell ist ihr Lazarett zwar immer noch nicht vollends geräumt, doch einige wichtige Spieler des Stammkaders meldeten sich wieder fit. Englands Tabellenerstem reicht beim SSC ein Unentschieden, um den Gruppensieg perfekt zu machen und so unangenehmen Gegnern wie wohl dem FC Bayern zumindest im Achtelfinale aus dem Weg zu gehen. Allein dies dürfte Anreiz genug sein, das Spiel mit voller Konzentration und Hingabe anzugehen. Wengers Mannen konnten bisher alle ihre Auswärtspartien in der Königsklasse für sich entscheiden, es wartet schon allein deswegen ein spannendes Duell auf die Zuschauer.
Viele nominell Zentrumsspieler im Arsenal-Mittelfeld
Arsenal wird dabei wie so oft in dieser Saison mit vielen nominell zentralen Akteuren im Mittelfeld an den Start gehen, ihr französischer Trainer liebt es, wenn seine Mannschaft in engen Spielen das Zentrum kontrollieren und sich Chancen mit Kurzpassstafetten herausspielen kann. In fast allen Gruppenspielen kamen bisher für das zentrale Mittelfeld ausgebildete Spieler auf den offensiven Flügeln zum Einsatz, so auch im Hinspiel. Mit Ramsey und Rosicky hatten sie immer wieder sichere und konstruktive Passoptionen im zweiten Spielfelddrittel. Dies könnte gegen das zwar sich noch findende aber dennoch schon unangenehm zu bespielende Pressing der Neapolitaner wieder ein großer Pluspunkt Arsenals werden. Auch dürften unter diesem Aspekt Rochaden innerhalb der Mittelfeldreihe der Kanoniere von Vorteil sein; in dieser Saison gelingen ihnen solche von Zeit zu Zeit gut. Ein Grund hierfür ist mit Sicherheit auch Neuverpflichtung Özil.
Die Rolle der Defensivspezialisten und Girouds Vorzüge
Denn der Deutsch-Türke versteht wie kaum ein Zweiter Räume effektiv anzuvisieren und auszunutzen. Gerne bewegt er sich dabei wie auch beispielsweise Wilshere in den Sechzehner und wird für die generische Deckung gefährlich. Im Hinspiel zeigte er sich herausragend darin, aus den von seinen Kollegen bespielten und geöffneten Bereichen des Platzes Kapital zu schlagen. Als Raumöffner fungierte hierbei häufig Olivier Giroud. Ihm kommt in dieser Saison nicht nur aufgrund seiner Tore wie dem 2:0 im Hinspiel eine wichtige Rolle zu, vor allem hat er sich technisch und gruppentaktisch in seinem ersten Jahr bei den Gunners enorm entwickelt. Als Profiteur seiner starken Physis macht er Bälle an vorderster Front fest und kann seine Mitspieler mittlerweile auch sehr gut in Szene setzen. Seine angestammte Position verlässt er dabei und driftet durch die Halbräume bis teilweise an die Außenlinien, hauptsächlich orientiert er sich nach rechts. Giroud spurtet hierbei nach erfolgreichem Durchstecken des Spielgerätes öfter mit viel Dynamik ins Sturmzentrum, um etwaige Zuspiele in den Rückraum im gegnerischen Kasten zu versenken. So ist zum Beispiel sein Tor gegen den SSC entstanden. Gegen Napoli war außerdem die Aufstellung Mathieu Flaminis neben Mikel Arteta als zusätzlicher Defensivspezialist sehr wichtig, um gegen des Gegners stürmische Offensive nicht selbst zu offensiv anzutreten und den Artisten für ihre Show Raum und Zeit zu geben.
Napolis Abschied aus der Champions League?
Diese wird Neapel zu verhindern wissen müssen. Im Hinspiel fiel es ihnen sehr schwer, sie sind spielerisch noch nicht da, wo Benitez letztendlich hinwill. Doch Fußball ist Tagesgeschäft, jedes Spiel beginnt bei 0:0 und kann durch kleine Fehler und Geistesblitze von Trainern wie Spielern gleichermaßen entschieden werden. Vielleicht wird es ja doch nicht Napolis letzter Auftritt in dieser Königsklasse gewesen sein.
Lennart Kühl, abseits.at
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