Ohne Herz und Wille geht’s nicht mal gegen Teilzeitkicker – ein Erklärungsversuch wieso Salzburg an Dudelange scheiterte…
Champions League 25.Juli.2012 Georg Sander 3
Das war’s für Red Bull Salzburg in der internationalen Saison 2012/13. Zwei Mal Thierry Steimetz und Aurélien Joachim besiegelten beim 4:3 der Bullen das Ausscheiden dank der Auswärtstorregel. Doch alles der Reihe nach.
Ausgangsposition
Eigentlich war es ganz einfach: Ein Tor aufholen, dann weiter den Frust von der Seele schießen. Roger Schmidt vertraute in der Innenverteidigung auf den defensiven Mittelfeldspieler Stefan Ilsanker, davor auf fünf spielstarke Mittelfeldspieler und Sturmtank Maierhofer. Ganz auf der sprichwörtlichen Nudelsuppe sind aber auch des Gegners Spieler nicht dahergeschwommen.Der 35-jährige Jean-Philippe Caillet absolvierte 79 Spiele in den ersten Ligen Frankreichs und Belgiens, Sofian Benzouien machte 45 Profispiele in Belgien, Thierry Steinmetz lernte bei Lens und Joachim spielte für Bochum und Aachen II – eine bessere Wirtshaustruppe schaut dann auch wieder anders aus. Tormann Jonathan Joubert genoss seine fußballerische Ausbildung beim FC Metz. Jerry Prempeh war bei Troyes. Es ist ja nicht so, dass das nur Badkicker waren, die da aufliefen. Das ist keine Ausrede, sondern Respekt vor der Leistung.
Das Aufstellungsproblem
Im Spiel des Davids gegen den Goliath zog Roger Schmidt die falschen Schlüsse aus dem Stehsatz „Never change a winning team“. Statt eine weitgehend eingespielte Elf auf den Platz zu schicken – sprich mit einem echten Innenverteidiger statt Ilsanker und einem spielenden Stürmer -, stellte er den Brecher Stefan Maierhofer vorne rein. Gegen einen großen Spieler, der technisch nicht der Beschlagenste ist, zu verteidigen, fiel schon dem Regionalligisten WSK nicht schwer. Noch dazu fand Stefan Hierländer nie die Räume vom Samstag, die er für sein Spiel braucht. Selbiges gilt für Georg Teigl. Und für Christoph Leitgeb. Diese drei Spieler kommen gerne aus der Tiefe, können durch ihre technischen Fähigkeiten Räume für andere Spieler schaffen. Das funktioniert aber generell nur dort, wo es diese auch gibt. Und die Gäste aus Luxemburg machten diese über weite Strecken richtig gut zu. Ein krasser Fehler in der Ausrichtung, ganz im Allgemeinen. Es wären Spieler gefordert gewesen, die im eins gegen eins ihre Qualitäten haben, auch ohne großem Anlauf Spieler ausdribbeln können. Dementsprechend versandeten viele Angriffe, das zweite Tor Martin Hintereggers fiel gar aus einem Standard, Cristianos aus einem Elfmeter.
Darum konnte Düdelingen drei Tore schießen
Die Mannschaft des FC Red Bull Salzburg hatte ein großes Problem: Das eigene Können. Das Verlassen auf die im Vergleich mit den Amateurkickern höhere Qualität, die am Samstag gegen Sturm Graz für eine halbe Stunde Hurra-Fußball vom Feinsten reichte. Es schien am Feld kaum jemand damit zu rechnen, dass diese „dahergelaufenen Nicht-Profis“ überhaupt in der Lage sein würden, das Team noch einmal zu fordern. Roger Schmidt, Oliver Glasner und Co. werden sich ihren Mund fusselig geredet, dass Nachlässigkeiten nicht passieren dürfen und sollen. Doch die Spieler ließen die letzte Konsequenz in der Rückwärtsbewegung vermissen und blieben lieber vorne, als die Meter zu gehen, die weh tun, die aber Tore letztlich verhindern können. Erst nach dem dritten Tor der Düdelinger wachte dann auch der Letzte auf, um die Wende noch herbeizuführen. Die Bullen leisteten sich in den letzten Jahren immer solche Ausrutscher, auf die Spitze trieb man es aber 2012.
Ab durch die Mitte
Das Grundproblem war definitiv, dass die Salzburger es viel zu oft durch die Mitte versuchten. Dass Ulmer und Schwegler tief in die gegnerische Hälfte vordrangen, war zwar gut, die Position war schlichtweg falsch. Nachdem Schmidt den Fehler mit Maierhofer zur Pause korrigiert hatte und Cristiano anstatt des „Langen“ ins Spiel gebracht hatte, wurde nicht das wohl Gewünschte – Dribblings, eins gegen eins-Situationen – erreicht. Anstatt dass der Spielaufbau am Beginn des letzten Angriffsdrittels zu Gunsten von Breite begonnen wurde, standen sich Jantscher, Zarate, Cristiano und Co. am Sechzehner im Weg. Wiederum war dies keine schwere Aufgabe, die die Bullen dem Gegner stellten. Nach dem dritten Verlusttreffer musste schon ein erzwungener Elfmeter herhalten, damit der zur Pause gekommene treffen konnte. Zarates 4:3 war dafür sehenswert. Aber solche Aktionen kamen zu selten. Wie schon gegen den Wiener Sportklub und im Hinspiel war ganz vorne zu wenig Bewegung drinnen, kein Aufdoppeln an den Flanken, um hohe Bälle reinzubringen, kaum Kombinationsspiel mit einer gewissen Geschwindigkeit.
Und nun zu Düdelingen
Was soll man dazu sagen? In der Vorwoche noch (unverdient?) nur mit 1:0 gewonnen und dann in Wals-Siezenheim drei Tore geschossen. Die letzten Teams, die das schafften waren Metalist Kharkiv (0:4, 16. Februar 2012), Wacker Innsbruck (2:3, 23. April 2011), der Kapfenberger SV (7:3 bzw. 2:5, 24. Oktober und 22. November 2010), und Hapoel Tel Aviv (2:3, 18. August 2010). Die Luxemburger kassierten ein Handtor, eines aus einem Elfer und waren ab der 74. Minute 21 Minuten lang zu zehnt. Doch das dichte Netz mit einer Viererkette und drei bis fünf Spieler davor, die mit Herz und Hirn gegen den Ball arbeiteten, entschärften die Angriffswellen weitgehend – nochmals: nur zwei der vier Tore fielen aus dem Spiel heraus. F91 erzielte aber alle Tore aus dem Spiel, konnte die Konter mit Können abschließen und konnten bei dem dritten Tor einen perfekten Flachschuss im Tor unterbringen.
Spiele werden im Kopf entschieden
Für die Bullen war das Spiel eine lästige Pflichtaufgabe, die erledigt werden muss, der Höhepunkt sollte erst im Play-Off Ende August erreicht werden. Wie bereits erwähnt fehlte da der nötige Respekt für den Gegner – etwas Unheilbringendes im Fußball. So ehrlich hätten aber auch die Herren Fußballlegionäre sein müssen. Bevor der psychologische Aspekt beleuchtet wird, sollte der Leser sich eines vor die Augen führen: Den grundsätzlichen Fitnessstand herzustellen, der für zwei Mal 90 Minuten an den Tag zu legen ist, ist auch neben dem Beruf erarbeitbar. Genug Spitzensportler in anderen Bereichen zeigen das. Im Kopf war es natürlich so, dass die Luxemburger frei aufspielen konnten, null Druck hatten und sich somit auf das Wesentliche konzentrieren konnten – die nicht gerade inspirierte Taktik der Gegner zu entschärfen. Die Mittel waren dabei so einfach wie effizient. Eine Defensive, die die Räume dicht machte und ein paar schnelle Konterspieler. Wie viele Trainer haben nicht schon genau das gefordert? Dass die Bullen erst nach der roten Karte in der 74. Minute das Spiel zum zweiten Mal drehen konnten, zeigte, wie gut die Luxemburger eingestellt waren.
Defaitismus fehl am Platz
Eine Sache steht nicht zur Diskussion: Das Ausscheiden ist indiskutabel blamabel. Doch aus diesem Ausscheiden abzuleiten, dass alles falsch war, was Red Bull in Salzburg macht, ist populistisch. Auch wenn in Bezug auf die erste Mannschaft der Glaube fehlt, dass gewisse Fehler nie mehr gemacht werden, auch, wenn das Gebaren in Bezug auf Pasching, Anif und Lieferung seltsam ist und so weiter: Nun alles abzublasen, wäre grundsätzlich falsch. Bei aller Häme ist festzuhalten, dass in den letzten Jahren der österreichische Fußball mehr als einmal Glück hatte. Man denke an das zweimalige Weiterkommen Rapids gegen Aston Villa, den Aufstieg Rieds gegen Bröndby, die zwei Aufstiege in die KO-Phase der Europa League von Red Bull und so weiter. Der österreichische Fußball hat in den letzten Jahren einige Schritte nach vorne gemacht und auch wenn Red Bull schon nichts aus den blamablen Auftritten gegen Dublin oder Sudova gelernt hat – irgendeine Katastrophe musste einem der international antretenden Teams passieren. Düdelingen ist Salzburgs Faröer – abgesehen von Torshavn. Für ganz Fußballösterreich war dies möglicherweise das Fiasko, das passieren musste – Die vergangenen Erfolge in der Fünfjahreswertung hin, die Alabas und Harniks her!
Shit happens
Zusammenfassend war F91 Dudelange an zwei Tagen besser als Red Bull, stiegen dank der Auswärtstorregel mit 4:4 auf. Die Taktik die Einstellung, die Laufbereitschaft, der Wille passte bei den Luxemburgern zwei Mal sehr gut, bei den Bullen gar nicht. Das ist Fußball. War Salzburg gegen Lazio Rom oder Paris St. Germain das Team, das diese Dinge zu Ungunsten des Favoriten ausnutzten, war es nun einmal tatsächlich zwei Mal so. Shit happens – und manchmal ist dieser „Shit“ eben zum Verstecken peinlich…
Georg Sander, abseits.at
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Georg Sander
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