Real Madrid Favorit gegen ersatzgeschwächte Dortmunder | Ausgangslage könnte Jürgen Klopp jedoch in die Karten spielen
Champions League 2.April.2014 Rene Maric 1
Viele Real-Fans jubelten nach der Auslosung. International gelten die von Verletzungen gebeutelten Dortmunder als zweiteinfachste Los nach dem kriselnden United. Insbesondere die hervorragenden Leistungen der Madrilenen in den letzten Monaten, die erst in den vergangenen zwei Wochen wieder etwas schwächer wurden, haben Real zu einem der Topfavoriten auf den Champions-League-Titel erhoben. Doch einen Fehler sollte man nie machen: Den BVB unter Jürgen Klopp unterschätzen.
Die Offensivmöglichkeiten des BVB profitieren von der Ausgangslage
Gerade weil die Dortmunder als klar unterlegen, individuell schwächer und Underdog gelten, könnten sie eine enorme Gefahr für Real darstellen. Damit ist nicht nur der psychologische Faktor gemeint. Auch die strategische Ausrichtung in dieser Partie spielt den Schwarzgelben in die Karten. In dieser Saison haben die Dortmunder vorrangig gegen tiefe Abwehrreihen Probleme gehabt, die ihnen den Ballbesitz aufdrängten und selbst mit viel Absicherung attackierten. Gegen Real dürfte das nicht der Fall sein.
Stattdessen kann sich der BVB auf eine eigene tiefe Ausrichtung mit einem tiefem Mittelfeldpressing konzentrieren und Real nach vorne locken. Hinter die aufgerückte Abwehr der Madrilenen können sie dann kontern, was sie wie kaum eine andere Mannschaft auf diesem Planeten beherrschen. Dabei könnte jedoch Lewandowskis Ausfall zum Problem werden. Ohne den polnischen Starstürmer fehlt es an einem Zielspieler für die langen Bälle nach Balleroberungen und einem Ballverteiler auf die nachrückenden Mittelfeldspieler.
Wie genau Klopp das ersetzen wird, ist noch fraglich. Eine Möglichkeit wäre es mit Aubameyang als Mittelstürmer zu spielen, Kevin Großkreutz und Marco Reus würden neben Henrikh Mkhitaryan die Flügelzange bilden. Aubameyang könnte lange Bälle in den Raum mit seiner enormen Athletik erlaufen und wäre nach Ablagen auf die Spieler hinter ihm sofort gefährlich bei direkten Schnittstellenpässen in die Tiefe. Diese Spielweise könnte Real vor Probleme stellen. Wichtig wird bei der Spielerwahl der Offensiven aber auch, wie genau man im Pressing das Aufbauspiel Reals stören möchte.
Modric als Schlüsselspieler, offensiv wie defensiv
In der vergangenen Saison spielten die Madrilenen noch mit Xabi Alonso als wichtigstem Aufbauspieler aus der eigenen Hälfte. In dieser Saison nimmt er zwar nach wie vor eine wichtige Rolle ein, doch die Verantwortung hat sich etwas verändert. Luka Modric, der in der vergangenen Saison zwischen Bank und Zehner-Position pendelte, agiert nun als defensiver Achter vor Alonso. Der Kroate ist dabei extrem wichtig, weil er selbst in engen Räumen und unter größtem Druck den Ball behaupten kann. Seine Fähigkeiten als Nadelspieler sorgen dafür, dass auf Alonso nicht mehr so einfach eine Pressingfalle gebaut werden kann noch dass man den baskischen Spielgestalter aus dem Spielaufbau isolieren kann.
Dabei bewegt sich Modric gerne in den rechten Halbraum, erhält dort die Bälle und kann dann die dynamische Seite mit Carvajal und Bale einsetzen oder spielt intelligente Seitenwechsel, um überfallartig mit Marcelo, Di Maria und Cristiano Ronaldo über links zu kommen. Mit Reus und Mkhitaryan gibt es zwei sehr starke Pressingspieler in den Reihen der Borussia, welche Modric und Alonso unter Druck setzen könnten.
Theoretisch wäre es also eine Option mit Reus auf der linken Seite, Mkhitaryan in der Mitte und Großkreutz auf rechts zu spielen. Eine andere Alternative wären Reus auf der Zehn und Mkhitaryan auf der Sechs oder als Mittelstürmer. Andere Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein 4-5-1 oder 4-3-3, dürften aktuell in Anbetracht der Verletzungen unwahrscheinlich sein.
Modric hat allerdings auch im Defensivspiel der Madrilenen eine wichtige Aufgabe. Das 4-1-4-1 Reals wird oftmals zu einem 4-2-3-1 bzw. 4-4-1-1, in welchem sich Modric zu Alonso zurückfallen lässt und das Zocken Cristiano Ronaldos balancieren soll. Der Portugiese bleibt nämlich oftmals weit vorne und beteiligt sich wenig am Defensivspiel, weswegen der nominelle Achter Angel Di Maria die Position auf dem Flügel übernehmen muss. Dieser Aspekt könnte ebenfalls wichtig werden.
Cristiano Ronaldo als Spielentscheider auf beiden Seiten
Natürlich ist der Portugiese ein Weltklassespieler: Auf seiner linken Seite rückt er immer wieder ins Zentrum ein, besetzt die Sturmmitte und sorgt für enorme Torgefahr. Die ausweichenden Bewegungen Di Marias von der Mitte auf dem Flügel, die horizontalen Bewegungen Benzemas und das Aufrücken der Außenstürmer unterstützen Cristiano Ronaldo dabei. Dortmunds Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek muss also sehr sauber verschieben und intelligent an Sokratis und Hummels auf den Innenverteidigerpositionen übergeben. Es wäre auch möglich, dass Piszczek sich an Marcelo orientiert und sein Vordermann Di Maria übernimmt (oder umgekehrt). Bei Fehlern dabei könnte der BVB von Ronaldos Durchschlagskraft im Strafraum oder Di Marias hervorragenden Dribblings und Läufen in offene Räume bestraft werden.
Allerdings hat Cristiano Ronaldo auch einen Nachteil. Sein Mangel an Defensivarbeit öffnet die Flügelräume, wo man den Ball schön und stabil zirkulieren lassen kann. Im Clásico konnte sich Barcelona auch einige Male im Rücken Cristianos nach vorne kombinieren, einer der besten Angriffe mit Pfostenschuss entstand gar daraus. Mit Reus und Piszczek als mögliche Flügelbesetzung könnte man hier Überzahl erzeugen und im Umschaltmoment durchbrechen.
Wichtig wird aber die Frage, wie viele solcher Situationen der BVB überhaupt erhalten wird.
Wie spielt Real gegen die Kompaktheit?
In der Vorsaison hatte Real noch viele Probleme – insbesondere im Hinspiel – gegen den BVB. Sie konnten sich kaum nach vorne kombinieren, verloren enorm viele Bälle im Pressing und Gegenpressing der Dortmunder und schieden überaus verdient aus der Champions League aus. Dieses Schicksal könnte ihnen diese Saison auch blühen, doch die Formation und Spielerbesetzung könnte Abhilfe schaffen.
Gegen Atlético, die über eine ähnliche Intensität und Kompaktheit wie der BVB verfügen, konnten sie im Hinspiel der Copa del Rey eine ihrer besten Saisonleistungen zeigen. Modrics Fähigkeiten als Nadelspieler, Di Marias Laufstärke, Dynamik und Dribbelstärke, Cristiano Ronaldos Einrücken, Benzemas Spielstärke, die Kombinationsfähigkeiten der Außenverteidiger und Neuzugang Gareth Bale bieten Real ganz andere Möglichkeiten im Angriffsspiel in engen Räumen. Trotz großer Kritik am Özil-Abgang und am Weltrekord-Neuzugang Bale sind es diese beiden Personalien, welche in großen Spielen den Unterschied machen könnten.
Bale ist in engen Räumen durch seine Dynamik sehr gut, kann schnell kombinieren und mit seinen raumgreifenden Aktionen Löcher öffnen. Da Carvajal nun Arbeloa auf rechts verdrängt hat, ist diese Seite gleich auf zwei Arten aufgebessert worden und hat Di Marias zentrale Rolle ermöglicht. Wenn Real eine solche Leistung abrufen und der BVB unter seinen Verletzungsproblemen auch taktisch leiden sollte, könnte es ein überaus unangenehmes Spiel für die Schwarzgelben werden. Doch wie gesagt: Den BVB und Jürgen Klopp darf man niemals unterschätzen.
René Maric, www.abseits.at
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