Reality Check: FC Bayern 7:1 FC Basel, Metalist Kharkiv 8:1 Red Bull Salzburg
Champions League 14.März.2012 Georg Sander 0
Es galt ein 0:1 aus dem Hinspiel aufzuholen – die Bayern ließen gegen den FC Basel jedoch keine Wünsche offen und beherrschten das Team von Heiko Vogel nach Belieben. Arjen Robben traf in der 10. Minute, danach spielten sich die Münchner in einen Rausch, legten sechs Tore nach. Aber was hat das mit Red Bull Salzburg zu tun?
Die Niederlage der allerorts, auch auf abseits.at, in den höchsten Tönen gelobten Schweizer kam im Grunde genommen gar nicht so unerwartet. Auch nicht in dieser Höhe. Dass die Heim-Bayern auch ganz andere Teams aus der Allianz-Arena bomben können, bewiesen sie in der dritten Runde der Bundesliga, als der Hamburgers SV kam und mit fünf Trümmern im Gepäck wieder abreiste. Zwei Wochen darauf bekam der SC Freiburg derer sieben eingeschenkt. Im selben Rhythmus spürten Bayer Leverkusen (3:0), Hertha BSC Berlin (4:0) und der 1. FC Nürnberg (4:0) ihr Fett weg. Im Dezember wurden der SV Werder Bremen (4:1) und der 1. FC Köln (3:0) hoch geschlagen. Am vergangenen Wochenende verließen die zuvor recht starken Hoffenheimer München mit einem 1:7 in den Beinen. Mit Ausnahme von Köln und Bremen kassierten alle Teams in der Anfangsviertelstunde ein Tor. Da konnte Aleksandar Dragovic vor dem Spiel von statischen Bayern schwadronieren, geholfen hat es nichts.
Wieder mal: Kopfsache
Es ist natürlich ein Unterschied, ob die erste Angriffswelle des Gegners ohne Tor überstanden wird oder eben nicht. Statistisch, und das ist seit Jahren so, werden um die 50 Prozent der Heimspiele von den Hausherren gewonnen. In der Bundesliga ist der Wert 2011/12 bei 47,1 Prozent, ein Unentschieden hat noch immer 27,1 Prozent Wahrscheinlichkeit. Nur in einem von vier Spielen, zu 25,8 Prozent, gewinnt die Mannschaft, welche gastiert. In den meisten Ligen ist diese Gewinnverteilung sehr ähnlich, spricht im Großen und Ganzen immer für das Heimteam. Umgekehrt muss im konkreten Fall von FCB versus FCB festgehalten werden, dass sowohl Auswärtssieg als auch Unentschieden die Basler ins Viertelfinale gebracht hätte. Die Chancen standen demnach mehr oder weniger fifty-fifty. Aber wenn in München am Anfang kassiert wird, dann auch bis zum Ende ordentlich.
Red Null?
Basel hat alles getan, was es konnte. Die Schweizer zogen die Statistik auf ihre Seite und gewannen ihr Heimspiel gegen einen Gegner, der deutlich über ihnen anzusiedeln war. Zu sehen war auch, wie sich eine Mannschaft in einen Rausch spielen kann. Das tat eigentlich auch Kharkiv in Salzburg, auch nach einem frühen Tor. Das Bittere am Vergleich der Alpenkickbranchenführer ist, dass es den Bullen nicht gelang, zumindest das Mindestmaß, ein Punkt daheim, zu schaffen. Bei einer Wahrscheinlichkeit eines Punktgewinns von 75 Prozent faktisch ein Hohn. Klarerweise muss das 0:4 daheim gegen die Ukrainer noch weiter mit Fakten angefüttert werden. Die Salzburger hatten – wie allerdings auch der Gegner – kein Bewerbsspiel in den Beinen, mussten einige Leistungsträger vorgeben, spielten auch schon seit der Verletzung von Goalgetter Alan keine gute Saison. Das ist bei Basel natürlich anders. In der Meisterschaft führen die Schweizer mit zwölf Punkten Vorsprung, die Mozartstädter waren zum Zeitpunkt der Niederlage nur eine von vielen Mannschaften, die Chancen auf Europacup-Startplätze hatte.
Drehen und Wenden
Doch egal wie die Ergebnisse der beiden Klubs gedreht und gewendet werden, egal, wie sehr mit Statistiken jongliert wird – eine zünftige Watsch’n gab’s für beide. Allerdings verweigerte sich die österreichische Fußballöffentlichkeit dem Umstand, wer Kharkiv überhaupt war. Nicht nur ukrainische Nationalspieler, sonder auch ein argentinischer, tummelten sich am Feld. Bei den Bayern fällt das Einordnen der Stärke da natürlich leichter, immerhin spielt dort das Grundgerüst der deutschen Nationalmannschaft. Mario Gomez und Bastian Schweinsteiger sind dem „Ösi“ auch näher, als Marko Devic oder Jose Ernesto Sosa. Deutschland ist auf Klubebene das drittbeste europäische Land, die Ukraine das neuntbeste. Auf Nationalmannschaftsebene sind unsere Lieblingsnachbarn auch Dritter, die Ukraine zwar nur 49., die mussten aber auch keine Quali-Spiele bestreiten. Österreich ist 15. bzw. 70. Die Fünfjahreswertung ist also viel aussagekräftiger. Wird nun eine Parallele zu anderen Sportarten, zum Beispiel Tennis gezogen, werden die Unterschiede offensichtlicher. Ist Deutschland Roger Federer, wäre die Ukraine noch immer Juan Martin Del Potro. Schon einmal etwas von Feliciano Lopez gehört? Der ist nämlich 15.! Die Schweiz, 14. in der Fünfjahreswertung, wäre dann Gael Monfils…
Leistungsgefälle
Nach den Branchenführern und deren Verfolgern ist das Leistungsgefälle im Klubfußball eben sehr groß. Hand aufs Herz: Im Tennis kennen die meisten Nicht-Experten eben die Spieler auf den vordersten Plätzen, dahinter wird es ein Fall für die Auskenner. Und so kommen dann die Kegelergebnisse zu Stande. Aber der psychologische und statistisch belegbare Effekt der Heimspiele darf im Fußball nicht außer Acht gelassen werden. Basel musste so ausscheiden, auch mit einem 0:7 auswärts. Daheim wurden die Hausaufgaben gemacht. Red Bull Salzburg hätte seine auch machen sollen und zumindest daheim reüssieren…
Was bleibt also übrig vom tollen Herbst von Basel und Salzburg, die Manchester United sowie Paris St. Germain in der Gruppenphase hinter sich ließen? Einerseits, dass die Schweizer auch nur mit Wasser kochen und gewisse Ergebnisse sich aus der Stärke des Gegners ergeben. Andererseits, dass die Bullen im nächsten Jahr gefälligst ihre Hausaufgaben machen müssen. Selbst sieben Tore bei Metalist wären verziehen worden, wäre daheim ein achtbares Ergebnis erzielt worden.
Georg Sander, abseits.at
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