Schwache Austria darf von der Königsklasse träumen – gute, aber unroutinierte Salzburger nicht mehr
Champions League 8.August.2013 Daniel Mandl 0
Die Wiener Austria schaffte es ins Playoff zur Champions League – Red Bull Salzburg nicht. Was können die beiden Teams aus ihren Spielen gegen Hafnarfjördur und Fenerbahce Istanbul mitnehmen und was darf man von Österreichs Meister und Vizemeister in der nächsten Runde erwarten?
Bereits am Dienstag scheiterte Red Bull Salzburg trotz schneller 1:0-Führung an Fenerbahce. Die Türken drehten die Partie noch in der ersten Halbzeit um und kamen durch Raul Meireles, Moussa Sow und Pierre Webo zu drei tollen Treffern. In weiterer Folge vergab Salzburg zahlreiche Sitzer, was aber nicht das Bitterste am Dienstagabend war.
Es fehlt ein Haudegen
Ärgerlicher als die vergebenen Sitzer war die Tatsache, dass Salzburg trotz des schnellen Soriano-Tors, das Spiel in Istanbul binnen weniger Minuten wieder aus der Hand gab. Dies ist der fehlenden Routine von Mittelfeld und Innenverteidigung (Zentralachse) geschuldet. Schon in der Vorsaison, etwa beim 3:3 gegen Rapid in Überzahl, konnte man immer wieder beobachten, dass der spielerisch starken Salzburger Mannschaft der eine oder andere routinierte Haudegen fehlt, der in den richtigen Momenten Tempo aus dem Spiel nimmt, den Gegner systematisch einlullt und hie und da auch mal an der Grenze der Fairness agiert, um seiner Mannschaft einen Vorteil zu verschaffen.
Noch zu jung?
Bei Salzburg sind solche Spieler derzeit rar gesät. Nach dem 1:0 wurde die Mannschaft leicht übermütig, spielte viel zu offen und frei. Es war zu erwarten, dass der Gegenschlag Fenerbahces massiv ausfallen würde, doch auf die systematische Zerstörung bzw. Verschleppung des Spiels, die nach dem frühen Führungstor notwendig gewesen wäre, verlagerte sich keiner der Salzburger Spieler. Die aktuelle Salzburger Mannschaft hat von allen bisherigen in der Red-Bull-Ära das größte Potential – und dennoch fehlt ein Steuermann. In der Innenverteidigung spielten André Ramalho (21) und Martin Hinteregger (20), das Mittelfeld bildeten Stefan Ilsanker (24), Marco Meilinger (22), Kevin Kampl (22) und Sadio Mané (21). Allesamt tolle Fußballer, aber alles andere als erfahren.
Mittelfeld nicht konsequent genug überladen
Neben einigen individuellen Fehlern, versäumte es Salzburg in der zweiten Halbzeit eine Schwäche Fenerbahces noch stärker auszunützen. Die Bindung zwischen der offensiven Dreierreihe und des Mittelfelds passte bei Fener über weite Strecken nicht – die Abstände waren zu groß. Mit zusätzlicher Überladung dieses weitgehend offenen Bereichs hätte Salzburg wohl noch mehr Torchancen herausgespielt. Dass dies nicht möglich war, lag einerseits an der mangelnden Spielstärke Ilsankers, aber auch an den biederen Spielen der Außenverteidiger.
Aufstieg schon zu Hause verspielt
Das Ausscheiden Salzburgs gegen Fenerbahce war zwar zu erwarten, im Nachhinein betrachtet jedoch vermeidbar. Speziell im Heimspiel wäre mehr drin gewesen, die Ausgangslage in Istanbul hätte bereits zu Spielbeginn besser sein müssen. Dass Fenerbahce in zwei Spielen aus vier Chancen ebenso viele Tore machte, zeugt allerdings auch von großer Klasse. Salzburg wird als haushoher Titelfavorit in der heimischen Liga wohl in der nächsten Saison eine weitere Chance auf das Erreichen der Königsklasse erhalten.
Austria darf weiter träumen
Die Austria darf hingegen weiter von der Champions League träumen, steht bereits fix zumindest in der Gruppenphase der Europa League. Die möglichen Gegner auf dem Weg in den begehrtesten Klubbewerb der Welt sind der FC Basel, Dinamo Zagreb, Steaua Bukarest, Viktoria Pilsen und Celtic Glasgow. Mit der Leistung aus den beiden Spielen gegen den isländischen Meister Hafnarfjördur wäre keines dieser fünf Teams zu knacken. Die Austria setzt nach dem hart erkämpften Aufstieg auf den Faktor Selbstvertrauen.
Linkslastig, zu wenig Dominanz im Mittelfeld
Im Rückspiel in Hafnarfjördur wirkte die Austria in den ersten zehn Minuten wie eine Mannschaft, die zu zahlreichen Torchancen kommen und früher oder später den Sack zumachen würde. Das Spiel präsentierte sich stark linkslastig, lief primär über Markus Suttner, der zwar Druck machte, aber nichts Zählbares fabrizierte. Dass die rechte Seite ein wenig verwaiste lag auch daran, dass die Austria nicht so passsicher agierte wie sonst und somit gezielte Spielverlagerung mit einer Zwischenstation im zentralen Mittelfeld Mangelware waren. Kurz gesagt: Die Veilchen schafften es nicht, Dominanz im Mittelfeld aufzubauen, die Breite auszunützen und den Ball zirkulieren zu lassen.
Kühlen Kopf bewahren
Dies hatte aber nicht nur spielerische Gründe, sondern hing auch mit der schroffen Gangart der Isländer zusammen. Diese erwiesen sich zwar insgesamt als ungefährlich, kämpften aber um jeden Ball bzw. Meter und das phasenweise am Rande des Erlaubten. Diese harte Spielweise nahm die Austria nie an, wirkte ob der Physis des Gegners eher gefrustet, was auch in Suttners Ausschluss gipfelte. Dass die Austria die besseren Fußballer in ihren Reihen hat, ist unbestritten. Aber Trainer Nenad Bjelica muss dem Team vor den für den gesamten Verein richtungsweisenden nächsten Wochen klarmachen, dass es nach einer tollen Saison 2012/13 in der neuen Spielzeit nicht mehr nur mit „Scheiberlspiel“ und österreichischem Jogo Bonito geht. Auch geht es darum, in derart hitzigen, knappen Spielen einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Austria hat gegen grundsätzlich schlagbare Gegner die „Jahrhundertchance“ in die Champions League einzuziehen. Aber auch wenn Manuel Ortlechner ob der Unterzahlsituation zum Ende der Partie von einem „heroischen Sieg“ sprach, darf die Austria sich keine derartige Partie mehr leisten, wenn tatsächlich die ganz großen Klubs nach Wien kommen sollen…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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