Statistikanalyse zur EC-Gruppenphase: Austria Wien in der Champions League
Champions League 17.Dezember.2013 Alexander Semeliker 2
Für die österreichischen Klubs ging die Gruppenphase des Europacups letzte Woche zu Ende. Während die Wiener Austria und Rapid Wien die Segel streichen mussten, qualifizierte sich Red Bull Salzburg mit sechs Siegen aus ebenso vielen Spielen für die KO-Phase. In einer dreiteiligen Serie wirft abseits.at einen genauen Blick auf die Statistiken der drei Teams und vergleicht sie mit den Gruppengegnern sowie den jeweils besten und schlechtesten Werten. Die Daten stammen von whoscored.com.
Für die Wiener Austria ist es wohl nur ein schwacher Trost, dass sie mit ihrer Ausbeute der beste Gruppenletzte in der Geschichte der UEFA Champions League ist. Mit einem 4:1-Sieg gegen Zenit St. Petersburg verabschiedeten sich die Veilchen für diese Saison von der internationalen Bühne. Doch nicht nur deshalb hinterließen sie einen guten Eindruck.
Ballbesitz: Häufigkeit und Qualität
Als erstes wollen wir uns die wohl am häufigsten genutzte Statistik ansehen, den Ballbesitz. Oft wird daraus oberflächlich betrachtet abgeleitet, wie „verdient“ ein Ergebnis ist, da die entsprechende Mannschaft ein optisches Übergewicht erzielt. Vielmehr ist sie aber der Grundstein um in Verbund mit anderen statistischen Daten auf die Spielphilosophie eines Teams schließen zu können.
Nur Celtic hatte in der Gruppenphase weniger Ballbesitz als die Wiener Austria. In keinem der sechs Spiele hatten die Veilchen mehr Ballbesitz als der Gegner. Beim 4:1-Sieg über Zenit verzeichneten sie sogar nur 30% Ballbesitz. Schon hier sieht man, dass die bloße Anzahl an Pässen bzw. Ballkontakten in keinem Verhältnis zum Erfolg steht. Atletico wurde beispielsweise mit einem durchschnittlichen Ballbesitzanteil von 46,4% überlegen Gruppensieger, während Porto mit 60,3% zwar viel vom Ball hatte, aber mit Ach und Krach die Qualifikation zur Europa League schaffte.
Wichtiger ist beispielsweise, wo man den Ball spielt. Auch hier schneidet die Austria scheinbar schlecht ab. Nur 20% der Zeit konnte das Team von Nenad Bjelica im Angriffsdrittel verbringen – der niedrigste Wert aller 32 Teams. Doch auch hier muss man differenzieren, denn die Austria galt nämlich als großer Underdog und zu erwarten, sie würde den Gegner hinten festnageln, wäre utopisch.
Im letzten Diagramm dieser Kategorie tauchen wir noch tiefer in die Materie ein und schauen uns an, wie effektiv die Teams mit ihrem Ballbesitz umgingen, d.h. wie viel Schüsse sie aus ihren theoretischen Möglichkeiten kreierten. Die Austria liegt dabei in etwa im Schnitt, während man erkennt, dass vor allem Atletico verhältnismäßig viele Chancen herausspielte.
Pässe: Qualität und Arten
Als nächstes wollen wir uns mit den Pässen auseinandersetzen. Wie zu erwarten war, ist die Austria auch hier am unteren Ende des Spektrums zu finden.
Nur 2136 Pässe spielten die Violetten und waren nur in 75% aller Fälle erfolgreich. Die Gründe dafür sind vor allem die individuelle Klasse, die im Allgemeinen weit unter jener der Gegner lag. Die Waffen der Austria waren in erster Linie taktischer und kämpferischer Natur. Eine weitere Ursache lässt sich aus der nächsten Grafik ableiten.
Nur drei Teams (Olympiakos, Celtic und Basel) spielten prozentuell mehr lange Bälle als die Austria (16%). Auch das ist nachvollziehbar. Zum einen wollte man sich nicht auf Spielerein vor dem eigenen Strafraum einlassen und schlug den Ball in Drucksituation oft einfach weg, zum anderen lauerte man auf Konter. Mit langen Bällen konnte man so schnell viel Platz überbrücken.
Diesen Aspekt findet man auch in der nächsten Kategorie, die wir untersuchen wollen. Die Austria spielte im Schnitt 36,2 Pässe bis sie zum Abschluss kam. Damit liegt man im oberen Mittelfeld. Dass auch die anderen Gruppengegner wenige Pässe für einen Schuss benötigten, zeugt von kurzweiligen Partien.
Schüsse: Häufigkeit, Qualität und Verwertung
Nun wollen wir die Schüssen an sich unter die Lupe nehmen. Auch hier kann man Parallelen zwischen den Daten und der Spielweise ziehen. So schloss die Austria gefühlsmäßig in einigen Fällen zu überhastet ab. Die Folge: 58% aller Schüsse wurden außerhalb des gegnerischen Strafraums abgefeuert.
Interessanterweise wird dieser Wert nur von Zenit übertroffen. Die Russen kamen in erster Linie über die individuellen Qualitäten ihrer Einzelspieler, insbesondere Hulk. Der Brasilianer zieht vom Flügel immer wieder zur Mitte und schließt ab. Ganze 40 Schüsse gab er ab – der Höchstwert aller eingesetzten Spieler. Das ist fast soviel wie die gesamte Mannschaft von Arsenal bzw. jene von Milan, die beide auf 52 Schüsse kamen.
Auch die Austria konnte im Vergleich zu den anderen Mannschaften nur wenige Schüsse verbuchen. Neben den Gunners und den Mailändern schloss nur der FC Kopenhagen (54) seltener ab als die Veilchen, die damit auch den Vergleich mit den Gruppengegnern deutlich verliert. Besonders Porto rangiert überraschend weit vorne. Neben Juve schoss nur der FC Bayern häufiger aufs Tor des Gegners.
Eine grobe Aussage über die Qualität der Schüsse liefert die obige Grafik. So fällt auf, dass der FC Porto wie oben gesehen zwar oft den Abschluss sucht, dabei aber verhältnismäßig selten das Ziel trifft. Auch die Austria und Zenit finden sich mit Werten von knapp über 30% nur im untersten Drittel wieder. Atletico sticht aus der Gruppe G hingegen einmal mehr heraus.
Eine noch bessere Aussage über die Qualität der Schüsse und die Fähigkeit diese zu verwerten erlaubt dieses Diagramm. Wiedermal marschiert Atletico Madrid mit Abstand vorne weg. Gruppenintern kommt dahinter aber bereits die Wiener Austria, die im Durchschnitt 11,8 Schüsse für ein Tor benötigte – im Vergleich zu allen 32 Teams ein mittelmäßiger Wert. Zenit hat allerdings die fünftschlechteste, Porto gar die drittschlechteste Chancenauswertung.
Balleroberungen und andere Defensivstatistiken
Nachdem wir uns bisher mit allgemeinen und offensivbezogenen Daten beschäftigt haben, blicken wir zum Abschluss noch auf die Defensivleistungen.
Dass nur Viktoria Plzen und Kopenhagen mehr Schüsse zuließen als die Austria, scheint negativ zu sein – vor allem wenn man sich beispielsweise die Anzahl an zugelassenen Schüssen des FC Porto ansieht. Doch diese Zahlen sprechen nur einen Teil der Wahrheit. Es kann sich beispielsweise nämlich um sogenannte Verzweiflungsschüsse handeln, die keinerlei Gefahr für das eigene Tor bedeuten. Atletico ließ seine Gegner zum Beispiel nur in ca. 40% der Fälle innerhalb des Strafraums schießen – der Topwert der Gruppenphase. Bei der Austria waren es 57% – „nur“ ein durchschnittlicher Wert, allerdings mit Abstand zu den zuvor erwähnten Regionen.
Wir kommen nun zu den beiden bedeutendsten und messbarsten Defensivstatistiken, den Balleroberungen – einerseits durch Zweikämpfe (Tackles), andererseits durch abgefangene Pässe (Interceptions). Die Austria liegt dabei auf dem beachtlichen achten Platz im Ranking. Von den Gruppengegnern kam nur Atletico auf einen höheren Wert, der überhaupt nur von Borussia Dortmund überboten wird. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Gegner der Austria auch viel länger in Ballbesitz waren und die Wiener dadurch mehr Möglichkeiten hatten, das Spielgerät zu erobern.
Um die Qualität des Pressings besser beurteilen zu können, werden die Balleroberungen im obigen Diagramm nun in Beziehung zu den Pässen des Gegners gebracht. Die Austrianer ließen den Gegner im Schnitt fast 17 Pässe spielen, ehe sie es schafften ihm den Ball abzunehmen – Platz 25 von 32. Im Verbund mit der Erkenntnis aus den zugelassenen Schüssen unterstützt dies die These, dass die Veilchen zwar überaus bemüht waren, sie aber wenig Zugriff auf den Gegner hatten.
Fazit
Einige der Grafiken lassen die Wiener Austria zunächst in einem schlechten Licht dastehen. Blickt man aber etwas genauer hin, so zeigt sich, dass sie in manchen Statistiken im Mittelfeld, selten sogar im Spitzenfeld stehen. Was man bei diesen Betrachtungen außerdem berücksichtigen muss ist, dass der Maßstab sehr hoch ist. Alleine dass der FAK in die Champions League eingezogen ist, ist schon mit großem Respekt zu würdigen. Dass sie dort in einer relativ ausgeglichenen Gruppe sogar mithalten konnten – und das nicht nur hinsichtlich der Punkteausbeute wie die dargelegten Statistiken bestätigen -, ist sogar noch beachtenswerter.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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