Überraschender, aber verdienter Sieg: VfL Wolfsburg schockt die Galaktischen
Champions League 7.April.2016 David Goigitzer 0
Für manche sehr, für andere vielleicht etwas weniger überraschend, siegte der VFL Wolfsburg gegen die auf der Clásico-Welle reitenden „Galaktischen“ von Real Madrid. Wir analysieren nun, wie dieser Sieg zustande kam.
Interessantes Wolfsburger Pressing
Die Deutschen formierten sich nominell in einem 4-1-4-1, es gab situationsbedingt jedoch auch 4-3-3 und 4-3-2-1 Staffelungen. Die zwei Achter Guilavogui und Arnold rückten immer wieder sehr weit und im Sprint auf, um Kroos und Modric im Aufbau zu stören. Wenn einer der beiden attackierte, orientierte sich Schürrle an Casemiro und versperrte den Weg zu diesem. Außerdem stellte man sich sehr breit im Pressing auf und schaffte es dennoch nur wenig an horizontaler Kompaktheit zu verlieren. Die breite Aufstellung sorgte dafür, dass man die sehr hoch orientierten Außenverteidiger Reals in den Griff bekam. Die Wolfsburger arbeiteten gut mit ihren Deckungschatten, zudem besetzten die spanischen Gäste die Räume in der Formation der Deutschen nur mäßig bis gar nicht. Dies lag vor allem an der einmal mehr sehr flachen Staffelung Reals im Mittelfeld. Casemiro stand oftmals weit weg vom Geschehens, während Kroos und Modric als Doppelsechs, in Spanien „doble pivote“ genannt, gemeinsam vor der Abwehr sich die Bälle holten. Das bekannte Problem, dass es nur wenige Passoptionen nach vorne gibt, war auch in diesem Spiel deutlich. Die Wolfsburger zeigten aber auch eine Meisterleistung in Sachen
Abbildung 1: Arnold rückt aus der Formation, Schürrle auf Casemiro.
Kompaktheit, in der Horizontale absichtlich etwas weniger, aber vor allem in der Vertikale. Die Abwehrlinie stand stets hoch, durch das dichte Mittelfeld konnten sich die Madrilenen nicht durchkombinieren, also versuchten sie es oft mit direkten Pässen hinter die Abwehr der Gastgeber. Durch die besagte hoch stehende Abwehr liefen die Gäste jedoch einige Male ins Abseits.
Wolfsburgs Flügelkonter
Der offensive Plan der Wolfsburger war klar: nach Ballgewinn sollte es direkt nach vorne gehen, Bruno Henrique und Draxler starteten immer wieder in die Räume, die die sehr hohen Außenverteidiger Reals zwangsläufig offen ließen. Beide Spieler sind sehr dribbelstark, sie suchten stets die Duelle mit den zurücklaufenden Spaniern und zogen meist nach innen, um diagonale Bälle zu spielen. Durch einen dieser Diagonalbälle fiel auch das 2:0. Dass diese Konter so gut funktionierten lag auch am schwachen Gegenpressing Reals, eine Folge der schlechten Staffelung im Ballbesitz und der zu weiten Abstände zueinander.
Kaum erhält Gustavo den Ball startet Draxler in die Tiefe und erhält einen Pass.
Konnte nicht sofort gekontert werden, formierte man sich meist in einem 4-3-3 um den Ball zirkulieren zu lassen. Das Madrider Pressing, das sich oft in einem 4-2-3-1 formierte, war jedoch gut genug um die Deutschen immer wieder zurückzudrängen, Dante musste oft aufgrund fehlender Optionen hohe Bälle spielen.
Reals Leistung nicht ungewöhnlich
Zuerst das Positive: Das Pressing der Madrilenen funktionierte sehr gut gegen den VfL, durch kontinuierlichen Spielaufbau konnte kaum Angriffe auf das spanische Tor herausgespielt werden. Die Bewegungen der Stürmer in die Tiefe in Halbzeit eins waren durchaus gut, das Wolfsburger Pressing jedoch zu diszipliniert, um sich durch die vielen Schnittstellenpassversuche entblößen zu lassen. In Halbzeit zwei kam Jése für den verletzten Benzema und Bale und Ronaldo tauschten die Seiten. Vor allem Ronaldo und Jése sorgten durch Positionstäusche für Zuordnungsprobleme in der Wolfsburger Viererkette, manchmal besetzten beide auch die Spitze und bildeten einen situativen Doppelsturm. Die zweite Einwechslung, Isco für Modric, brachte ebenfalls Positives, diesen Effekt egalisierte Zidane jedoch mit der Auswechslung von Ballbesitz-Fixpunkt Kroos. Man hatte nun keinen Spielmacher mehr und machte Wolfsburg wieder stark.
Reals Leistung war jedoch einmal mehr nichts Neues. Die Staffelungen im Ballbesitz waren vor allem in den ersten 45 Minuten wieder sehr unpassend, ohne einen sich klug bewegenden Zehner scheint es fast unmöglich zu sein Kroos und Modric gemeinsam spielen zu lassen. Casemiro war gegen Barcelona zwar ein defensiver Fixpunkt, seine Rolle war dieses Spiel aufgrund des fehlenden Drucks von Wolfsburg mit Ball jedoch obsolet. Er bewegte sich oft in Achterräumen isoliert herum und konnte das Spiel kaum beeinflussen. Unter den schlechten Staffelungen leidet auch die Defensive, da ein effektives Gegenpressing nur sehr selten möglich ist. So ist man als (vom Spielermaterial) potentiell sehr gute Kontermannschaft vor allem für eben jenes taktische Stilmittel, den Konter, extrem anfällig.
Fazit
Real hatte zwar gute Phasen, konnte jedoch deutlich zu wenig aus der eigenen Wiedererstarkung durch die Umstellungen und der schwindenden Kräfte des VfL machen. Den Gastgebern spielte natürlich der streitbare Elfmeter perfekt in den Plan, den man jedoch auch fast über die gesamten 90 Minuten sehr gut ausführte. Man hatte durchaus die Chancen auf ein 3:0, sodass der Sieg verdient war.
David Goigitzer, abseits.at
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David Goigitzer
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