Von Eitelkeit und Träumen: Das Heldenepos Zlatan
Champions League 19.September.2015 Lennart Kühl 0
Zlatan Ibrahimović ist das letzte Stück Kernseife in einer neuen Fußball-Welt der Weichspüler. Er ist ein kompletter Stürmer – und weiß davon, mit allen Allüren. Er gewinnt Meisterschaften, egal wo er spielt. Er verzückt Zuschauer, ob in Italien oder Frankreich. Er ist Nationalheld Schwedens. Und doch hat die Jagd erneut begonnen: die Champions League soll endlich her.
Es ist Dienstagabend, kurz nach 22 Uhr. Zlatan erhält den Ball nahe der Mittellinie, dreht sich. Er zündet kurz den Turbo – für zehn, 20 Meter – und findet links seinen Kumpel Maxwell. Der schnörkelt seine Ablage retour in den Strafraum. Was dann folgt, versetzt das Stadion in Ekstase: Zlatan leitet das Spielgerät per Hacke weiter, vorbei an zwei Gegnern, direkt auf den Kopf von Edinson Cavani – Tor! Es ist das pure Genie des Schweden, welches diesen Moment kennzeichnet. Ohne Zlatan fällt dieses 2:0 nie. Ohne ihn wäre ein Spiel den Eintritt nicht wert gewesen.
Held des Moments
„Es war ein schlechtes Spiel“, wird sich Zlatan im Anschluss gedacht haben. Zu viele Chancen ließ sein Paris für ein gutes liegen, zu oft scheiterte Zlatan selbst. Am Ende bleibt nur das 2:0 im Gedächtnis. Ihm wird es gleichgültig sein. „Ich freue mich riesig“, würden andere zum Besten geben – nicht Zlatan. Über sie würde an dieser Stelle jegliche Station der Karriere durchgekaut werden. Nicht bei Zlatan, der nahm es jedem Schreiber ab, verfasste vor Jahren eine pompöse Biographie. Alle wissen, dass es gestern gegen seine Jugendliebe Malmö FF zum Start der Champions League ging.
Der Spieler Zlatan
Es sind genau diese Dinge, die Zlatan unterhaltsam machen. Er hat schlechte Spiele und sorgt dennoch für die Höhepunkte. Selbstverständlich bleibt es dabei für ihn. Denn er ist Zlatan, letzter rauer Diamant des Weltfußballs, noch mit Ecken und Kanten. Niemand weiß, was er tun wird, noch weniger werden es verhindern. Er war schon bestbezahlter Profi-Fußballer, wurde häufig geadelt. Seine Anlagen sind phänomenal, sein Nutzen daraus erstaunlich: Er ist groß wie ein Haus, strotzt vor Kraft, gewinnt jedes Luftduell. Und doch kontrolliert er den Ball wie wenige, denkt mit den weit entfernten Füßen.
Seine Gefährten
Nichts wäre ein Goliath ohne eine Armee, ihn zu verstärkt. Würde ein Journalist nach Befund zu seiner Truppe fragen, so würde der Schwede wohl entgegnen: „Sie sind nicht Zlatan, aber gut genug, ihm Hilfe leisten zu dürfen.“ Eine Einschätzung, die angesichts seines Selbstbilds Bände spricht: Die Pariser Edelauswahl wurde 2011 von Nasser Al-Khelaifi ins Leben gerufen und seitdem stets prominent verstärkt. Mittlerweile ziert die Mannschaft ein Angriff der Spitzenklasse. Zu Cavani und Ibrahimović gesellte sich in diesem Sommer Angel di Maria. Viel Ego trifft noch mehr Qualität, gegen Malmö entstand mit 75% Ballbesitz genug Spielraum für jeden. Angetrieben wurde im Mittelfeld vom Duo Matuidi und Verratti. Sie dirigieren das Spiel, wissen es gewandt zu leiten. Große Klasse besitzt die Defensive um Thiago Silva und David Luiz. Zlatan hat den Ball gern, seine Mannschaft zeigt sich dazu als formidable Allzweckwaffe: Über die Außen kann es mit Cavani und Di Maria schnell gehen, hinten mit Silva massiv verteidigt werden.
Zlatans Kryptonit
Superhelden haben jedoch ihre Schwächen – so auch Zlatan. Insbesondere Barcelona wurde für den Schweden zum persönlichen Waterloo. Die Zeit als Spieler würde er gern in Retrospektive fluchend überspringen – tun wir ihm den Gefallen. Das Schicksal dagegen spielte in der Folgezeit mit Zlatan: Während er vor 2010 nie das Vergnügen hatte, begegnete ihm Barça nach empörtem Weggang ganze sieben Mal. Zlatan siegte bisher nie. Auch Chelsea ist kein Wunschgegner. Vor zwei Jahren schied er denkbar knapp aus, musste im Rückspiel verletzt zuschauen. Eine rote Karte sorgte ein Jahr später zwar noch nicht für das Aus, aber eine schmerzende Sperre – gegen Barcelona.
Ausblick
In dieser Saison soll es nun anders werden. Zlatan hat sich entschlossen, die Champions League endlich zu gewinnen. Er wird alles dafür tun, hat mit Angel di Maria eine weitere Ergänzung von Weltklasse an die Seite gestellt bekommen. Der Ausreden ist endgültig genug, ein Zlatan führt keine Karriere der Ausflüchte – auch nicht mit bald 34 Jahren. Jedes Heldenepos beinhaltet ein Happy End, möglichst reich an Klischees dazu. Das Finale des großen Vereinswettbewerbs findet nächsten Sommer in Mailand statt. Wie groß dessen Bedeutung für Zlatan ist, sollte die Welt seinem Selbstverständnis nach wissen.
Lennart Kühl, abseits.at
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