David Alaba könnte heute Abend die vielleicht schwerste Aufgabe seiner Karriere bevorstehen. Im „Spiel des Jahres“ empfangen die Münchner Bayern den FC Barcelona, der 2009 und 2011 mit einer sehr ähnlichen Mannschaft die Champions League durch tolle Leistungen, insbesondere im offensiven Bereich, für sich entscheiden konnte. Alaba könnte in dieser Partie eine Schlüsselrolle spielen – positiv wie negativ, offensiv wie defensiv.
Barcelonas Offensivasymmetrie und Alabas diesbezügliche Rolle
Bereits 2011 spielten die Katalanen mit einer Asymmetrie in ihrer Offensivformation. Das bedeutet, dass die Seiten ungleich bespielt wurden – über rechts mit Alves ging aber nur mehr, es ging auch anders. Der rechte Außenverteidiger Dani Alves rückte deutlich weiter und früher nach vorne auf, als sein Gegenüber Eric Abidal. Diese Spielweise wurde zu Beginn dieser Saison verändert.
Neuzugang Jordi Alba schob weit nach vorne und spielte ebenso wie Alves auf der anderen Seite enorm hoch. Doch diese Spielweise brachte aus Absicherungsgründen einige Probleme; es fehlte ein Abwehrspieler hinten, weswegen sich Busquets oftmals konservativer bewegte oder zurückfallen ließ, was die Mitte anfällig machte. Seit dem Rückspiel gegen Milan sind die Katalanen zu ihrer 3-3-4-Offensivformation zurückgekehrt.
Nun rückt Alves im Aufbauspiel wieder so weit nach vorne, dass er die Position des Flügelstürmers übernimmt, während Alba als Linksverteidiger tiefer bleibt. Als linker Flügelstürmer agiert dann zumeist Pedro und gibt dem Spiel die Breite. David Villa rückt vom rechten Flügel nach innen und Lionel Messi lässt sich als falsche Neun zurückfallen.
Lionel Messi gegen David Alaba?
Das von den österreichischen Medien gewünschte Duell zwischen Messi und Alaba sollte auf dem Papier eigentlich nicht stattfinden. Messi ist bereits seit 2010 kein Rechtsaußen mehr und spielt als zentraler Mittelstürmer. Dennoch könnte Alaba eine wichtige Aufgabe gegen Messi bevorstehen. Der viermalige Weltfußballer weicht nämlich immer wieder auf den rechten Flügel aus, um dort Raum zu finden.
Die Frage für Alaba und ganz besonders Jupp Heynckes wird sein, wie man dagegen vorgeht. Wenn Alves breit steht und Villa einrückt, kann Messi nur schwerlich vom linken Innenverteidiger verfolgt werden. Es gibt allerdings mehrere Möglichkeiten, Messi dennoch stark zu attackieren oder das Problem des „geschützten Herausrückens“ zu umgehen – bei allen spielt Alaba eine Rolle.
Bayerns Defensivmöglichkeiten und Alabas Bedeutung für diese Varianten
Die erste Variante wäre eine Orientierung des defensiven Mittelfelds an Messi. Der halblinke Sechser der Münchner würde Richtung Messi rücken und den Raum um den Argentinier zustellen. Alaba würde sich dann im Normalfall um Alves kümmern oder eng an der Viererkette bleiben, um gegen Villa zu unterstützen und bei erfolgreichen Dribblings von Messi heraus zu rücken.
Bei der zweiten Variante wäre es vielleicht Alaba, der aus der Abwehrkette herausrückt und Messi als Manndecker übernimmt. Diese Variante erscheint aber am unwahrscheinlichsten; Alaba würde Raum hinter sich öffnen, den sowohl Villa als auch Alves bespielen könnten. Stattdessen erscheint es wahrscheinlicher, dass Alaba sich entweder fix an Villa oder Alves orientiert, wodurch er anderen Spielern Raum eröffnet.
Orientiert sich Alaba bei der dritten möglichen Variante an Alves, dann ist der linke Innenverteidiger wegen Villa hinten gebunden. Allerdings wäre Ribéry dadurch frei: Die Bayern könnten mit einer sehr engen Viererkette im Mittelfeld spielen und das Problem Messi durch Kompaktheit lösen versuchen oder Ribéry höher postieren, um über ihn kontern zu können, was die riskanteste Spielweise wäre.
Die letzte Möglichkeit wäre ein Orientieren Alabas an Villa und Ribérys an Alves, wodurch dann Dante herausrücken könnte. Dies ist ebenfalls unwahrscheinlich. Ribéry wäre enorm tief und Entlastungsangriffe erscheinen mit dieser Spielweise unwahrscheinlich, außerdem würde Dantes Herausrücken nur bis zu einer gewissen Höhe effektiv sein; später wäre es wegen den geöffneten Löchern kontraproduktiv.
Die Wahrheit wird aber wohl irgendwo in der Mitte liegen; vermutlich werden die Bayern es mit sehr losen situativen Manndeckungen aller umgebenden Spieler, abhängig von Messis Bewegung, und ansonsten einer disziplinierten raumdeckenden Leistung lösen versuchen.
Beim gegnerischen Aufbauspiel wären die Aufgaben wohl klarer verteilt. Alaba würde sich an Villa (oder alternativ Alexis oder gar Pedro) orientieren und diesen mannorientiert verfolgen, wie es bereits gegen Arsenals Flügelstürmer und Juventus‘ Flügelverteidiger praktiziert wurde. Gegen Barcelona können hier aber Stellungsfehler schon fatal sein…
Alaba in der Offensive
Auch im Spiel nach vorne könnte Alaba eine entscheidende Rolle spielen. Sollte Bayern den Ballbesitz dominieren oder zumindest nicht in Barcelonas Pressing untergehen, was nach den letzten Wochen der Katalanen durchaus möglich wäre, dann wird Alaba wichtig. Wie weit rückt er auf? Wenn er hoch aufrückt, kann er den gegnerischen Flügelstürmer nach hinten drücken. Dadurch wird Platz für Schweinsteiger frei, der im Aufbauspiel herauskippen und in Ruhe das Spiel aufbauen könnte.
Besonders wichtig wird aber sein Verhalten im Umschaltspiel. Wenn Alaba nicht ausreichend schnell nach hinten umschaltet und seine Position einnimmt, kann Barcelona Raum gewinnen. Sie dann wieder zurück aus der eigenen Hälfte zu zwingen, ist eine Aufgabe, der wahrscheinlich sogar die Bayern nicht gewachsen sind. Ballverlust verboten!
Im offensiven Umschaltspiel kann Alaba ebenfalls viel richtig und viel falsch machen. Schaltet er nach Ballgewinnen im richtigen Moment und physisch schnell genug um, kann er mit Ribéry sofort den Raum hinter Alves bespielen. Geht er zu früh nach vorne, übersieht also mögliche Gegenpressingszenarien oder antizipiert Ballverluste Barcelonas, wo keine sind, dann öffnet er gefährlichen Raum; Barcelona könnte dann z.B. im Gegenpressing sofort diese Lücke bespielen. Schaltet er zu spät um, dann ist die Chance vertan und er muss wieder schnell zurück und seine Defensivarbeit beginnt wieder – das altbekannte Spielchen.
Rene Maric, abseits.at
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