Weg vom klassischen 4-3-3: Das ist die Spielweise von Ajax Amsterdam
Champions League 28.Juli.2015 Alexander Semeliker 0
Am Mittwoch trifft der SK Rapid im Ernst Happel Stadion auf Ajax Amsterdam. Die Hütteldorfer spielen gegen den niederländischen Traditionsverein um den Einzug ins Playoff der Qualifikation zur UEFA Champions League. In zwei Teilen stellt abseits.at die Mannschaft und Spielweise des 33-fachen niederländischen Meisters vor.
Zum ersten Mal seit Frank de Boer Trainer ist konnte Ajax nicht den Meistertitel holen. Ganze 17 Zähler fehlten auf PSV Eindhoven, die mit 88 Punkten in 34 Spielen eine beeindruckende Saison spielten, und damit auf die fünfte Schale in Folge. Damit das in der kommenden Saison anders ist und um den Einzug in die Gruppenphase der Champions League zu schaffen, hat De Boer in der Vorbereitung einige Anpassungen vorgenommen.
Bruch mit niederländischem 4-3-3?
Spricht man von niederländischen Teams, kommt man nicht daran vorbei, das 4-3-3 zu erwähnen. Gerade Ajax zählte in der Vergangenheit zu Mannschaften, die in dieser Grundordnung spielten und sie prägten. In der letzten Saison und vor allem Vorbereitung konnte man jedoch einige Abwandlungen erkennen. So agierten die Niederländer in den Testspielen gegen den VfL Wolfsburg und AS Saint-Etienne sogar weitestgehend in einem 4-2-3-1. Da es sich um die letzten beiden Tests handelte und es gegen ernstzunehmende Gegner handelte, könnte dies durchaus ein Indiz dafür sein, dass de Boer sein Team auch gegen Rapid so spielen lassen wird.
Eine mögliche Grundformation sieht man in diesem Bild. Wie in der Kaderanalyse erwähnt, drängten sich vor allem junge Spieler auf. Rechts hinten dürfte Kenny Tete den Vorzug gegenüber Ricardo van Rhijn bekommen und in der Innenverteidigung zeigte der 18-jährige Jairo Riedewald starke Leistungen. Die Neuzugänge in der Offensive, Amin Younes und Yaya Sanogo, sind wohl vorerst Joker. Im zentralen Mittelfeld sind zwei von drei Positionen fix vergeben, sodass die dritte Personalie entscheidend für die Ausrichtung sein dürfte. Spielt Daley Sinkgraven, dann würde das eine 2-1-Stellung im Zentrum und damit die erwähnte 4-2-3-1-hafte Grundordnung zur Folge haben.
Grundlegende Ordnung im Spielaufbau
Ebenso traditionell wie das 4-3-3 ist bei Ajax der Fokus auf den Ballbesitz. Doch auch hier sind sie nicht mehr das dominierende Team. Während man 2013/2014 mit 60,1% durchschnittlich klar den meisten Ballbesitz in der Eredivisie hatte, war man in der letzten Saison mit 55,1% nur mehr die Nummer vier. Ajax ist aber nach wie vor das passsicherste niederländische Team und zeigte auch in den Vorbereitungsspielen, dass man das Geschehen mithilfe des Balls kontrollieren möchte. Dementsprechend wollen wir den Hauptfokus dieser Analyse auf das Ballbesitzspiel legen.
Hier sieht man die grundlegende Ordnung im Spielaufbau. Markant ist dabei, dass beide Sechser tief stehen. Auch die Außenverteidiger schieben nicht weit nach vorne. In den Spielen gegen Salzburg war dies zum Beispiel noch anders. Damals gab es noch eine klare vertikale Staffelung der Zentrumspieler, sodass Ajax gegen das Pressing der Salzburger kein Mittel fand. Durch die neue Staffelung im Spielaufbau verspricht man sich offenbar eine stabilere Ballzirkulation, mit der man den Gegner ins Pressing locken kann um dann selbst schnell nach vorne spielen zu können.
Die Rollen der Außenverteidiger
Eine interessante Rolle im Ballbesitzspiel nehmen die Außenverteidiger ein. Findet der Spielaufbau nahe am eigenen Strafraum statt, so bleiben sie – wie oben erwähnt – ebenfalls tief. Sie stellen damit wichtige Passdreiecke her und können so den Gegner aus dem Zentrum locken um Platz für die Sechser zu machen. Bleibt der Gegner eng, dann haben die Außenverteidiger hingegen Platz um auf den Seiten nach vorne zu spielen. Interessanter ist jedoch das Verhalten in höheren Zonen. Dazu sehen wir uns eine Beispielszene an.
Ajax will zunächst über die rechte Seite nach vorne kommen. Der rechte Sechser, bewegt sich aus dem Zentrum heraus, während der Rechtsverteidiger hinter ihm nach innen schiebt. Nachdem der Gegner hier gut reagiert, sichert Ajax den Ballbesitz und startet einen neuen Versuch über links, der wieder einem ähnlichen Muster folgt – wieder positioniert sich der Außenverteidiger zentral – und beinahe in einem Tor mündet. Entscheidend sind die gegenläufigen Bewegungen der zentralen Spieler und Außenverteidiger, mit denen Ajax kurzzeitig die Schnittstellen öffnet und zwischen die gegnerischen Positionen kommt.
Dieses „Hineinkippen“ der Außenverteidiger kennt man vor allem aus der ersten Saison von Bayern München unter Pep Guardiola. Der Spanier sieht die Außenverteidiger als zentrale Spieler. Dieses Konzept scheint nun auch Ajax zu übernehmen und das dürfte ein Grund dafür sein, dass de Boer hier personelle Änderungen vornahm. Tete und Dijks sind kombinativ stärker als ihre Vorgänger und können Bälle besser verarbeiten.
Die Rollen der Zentrumsspieler
Im obigen Video erkennt man zudem auch die erwähnte Staffelung der beiden Sechser. Zunächst befinden sie sich in etwa auf einer Linie und fordern den Ball. Dann bewegen sie sich jedoch anders. Während sich einer kurz anbietet, versucht der andere mit seinen Bewegungen und seiner Position mehrere Gegenspieler zu binden und wegzuziehen. Früher hatte Ajax eine klare Rollenverteilung, welche nun aber zu verschwinden scheint, weil Sinkgraven und Riechedly Bazoer ähnliche Spielertypen sind.
In höheren Zonen sind die beiden dann wieder auf einer Linie zu finden, während die Außenverteidiger höher stehen. Diese haben aus ihren Positionen im Halbraum entweder die Möglichkeit wieder nach außen zu gehen oder mit dem Tempo hinter die Abwehr zu laufen. Die Sechser dienen dabei als Absicherung. Bazoer und Sinkgraven sind zwar keine Zweikampfmaschinen, aber besonders gut im Verzögern von Kontern bzw. im Leiten des Gegners in ungefährliche Zonen. Des Weiteren können die beiden mit Schüssen aus der Distanz gefährlich werden.
Der höchste der drei Mittelfeldspieler – gegen Rapid wird das höchstwahrscheinlich Davy Klaassen sein – spielt im Kombinationsspiel eine unscheinbare Rolle, ist aber ebenfalls wichtig. Er positioniert sich meist im Zwischenlinienraum, balanciert die Bewegungen der Sechser und sorgt mit seinen kurzen Ballbesitzzeiten dafür, dass das Mittelfeld schnell überspielt werden kann. Im obigen Video sieht man das ebenfalls gut. Er positioniert sich inmitten von mehreren Mitspielern und lässt den Ball dann sofort prallen. Danach kann das Spiel über die Seite schnell Tempo aufnehmen.
Simple Aufgaben für Offensivtrio
Den Flügelspieler kommt im Kombinationsspiel übrigens keine überaus wichtige Rolle. Sie sorgen meist für die Breite und es wird versucht, ihnen durch das Überladen des Zentrums Platz zu verschaffen um ihre Qualitäten im Eins-gegen-Eins einsetzen zu können. Mit ihrer Technik und Antrittsstärke sind die beiden jedoch dafür verantwortlich, dass Ajax schnell die Spieldynamik erhöhen kann.
Auch der Mittelstürmer hat keine besonderen Aufgaben. Zwar ist man weit davon entfernt einen klassischen Strafraumstürmer zu beschäftigen, im Wesentlichen ist der Aktionsradius von Arkadiusz Milik aber auf die zentralen Räume beschränkt. Der Pole lässt sich gerne in den Zwischenlinienraum zurückfallen und macht Platz für den nachstoßenden Klaassen. In einigen Fällen sieht man durch die enge Bindung der beiden auch eine 2-4-4-hafte Staffelung.
Zwei Varianten im Pressing
Nachdem Rapid unter Zoran Barisic einen sehr ballbesitzorientierten Fußball spielt, ist Ajax‘ Verhalten gegen den Ball ebenfalls von Interesse. Durch ihre gute Abstimmung im Kombinationsspiel haben sie oft eine gute Ausgangsposition fürs Gegenpressing. Im klassischen Pressing gibt es im Wesentlichen zwei Varianten, die sich nach der Höhe des Balls richtet. Im Angriffspressing agieren die Niederländer aus einer Rautenformation heraus, wie man anhand der nachstehenden Beispielszene sieht.
Einer der beiden Sechser – eine klare Aufteilung dürfte es nicht geben – schiebt dabei nach vorne, während der andere dahinter absichert und Klaassen sich auf die Höhe des Stürmers orientiert. Die beiden Flügelspieler stehen je nach Situation entweder in einer Linie zwischen den beiden Sechsern oder gehen ebenfalls nach vorne. Dann wird aus der Raute ein 4-1-3-2. Hat es der Gegner geschafft, die erste Pressingwelle von Ajax zu überspielen oder agiert Ajax abwartender, dann pressen sie in einem 4-4-2.
Interessant wird vor allem, wie Rapid auf das Pressing von Ajax reagiert. Die Hütteldorfer haben im Spielaufbau nämlich eine klare Sechser-Achter-Zehner-Staffelung. Mit dem Rauten-Ansatz im Pressing würden die Niederländer die Formation der Grün-Weißen ideal spiegeln, hätten sowohl bei beiden InnenverteidigerN als auch den abkippenden Sechser jeweils einen nahen Spieler. Eventuell wäre es ratsam, dass die Außenverteidiger – anders als üblich – tief bleiben, damit die gegnerischen Flügel nach vorne gelockt und Ajax ins 4-1-3-2 gezwungen wird. Der verbliebene Ajax-Sechser müsste dann einen großen Raum alleine abdecken. Nachdem beide Teams gerne den Ball haben, könnte also ausgerechnet das Spiel ohne diesen entscheidend werden.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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