Nach der schlechtesten Saisonleistung verliert Rapid das Hinspiel in Baku gegen Neftchi mit 1:2. Routinier Guido Burgstaller erzielte mit der letzten Aktion das wichtige... Analyse: Schwache Rapid-Leistung zeigt mehrere Probleme auf

Nach der schlechtesten Saisonleistung verliert Rapid das Hinspiel in Baku gegen Neftchi mit 1:2. Routinier Guido Burgstaller erzielte mit der letzten Aktion das wichtige Anschlusstor für die Grün-Weißen. Auch wenn Rapid bereits zuvor Chancen auf Tore hatte, passten einige fundamentale Dinge nicht zusammen.

Ferdinand Feldhofer schickte seine Mannschaft erneut in einem 4-2-3-1-System aufs Feld. Bajic und Grüll sollten die Flügel beackern, die bisher beste Neuerwerbung Nicolas Kühn blieb nur auf der Bank. Zimmermann bewegte sich erneut im ungeliebten Zehnerraum, Burgstaller gab den etatmäßigen Mittelstürmer. In der Abwehr begann mit Wimmer und Sollbauer wohl die aufbauschwächste Konstellation.

Rapid startet mit starken Spielverlagerungen

Der Matchplan Rapids wurde in der ersten Viertelstunde deutlich sichtbar. Die Wiener versuchten konsequent über Spielverlagerungen für Unordnung beim Gegner zu sorgen. Zumeist funktionierte dies auch recht gut und Rapid war in der Anfangsphase das gefährlichere Team, kam immer wieder zu Torchancen und guten Möglichkeiten für Hereingaben.

Die Art und Weise wie Rapid das Spiel verlagerte, zeigte aber auch ein fundamentales Problem der Mannschaft auf. Die meisten Verlagerungen versuchte man über weite Diagonalpässe, bei denen die Fehleranfälligkeit natürlich hoch ist und das Tempo oftmals leidet. Effizienter wären flache Verlagerungen mit einem Kontakt mehr über das Zentrum gewesen. Aber im zentralen Mittelfeld ist Rapid seit Ljubicic’ Abgang viel zu schwach aufgestellt und auch die Talente (Oswald, Sattlberger) oder die Neuverpflichtungen (Pejic, Greil) konnten diese Lücke bisher nicht ausfüllen.

Erneute Probleme im Achterraum

Speziell im Übergang vom Achter- in den Zehnerraum ist Rapid viel zu dünn aufgestellt. Speziell mit Oswald kann man zwar durchaus für Dynamik sorgen, aber es fehlen der Spielwitz, das Besondere, die Überraschungsmomente. Knasmüllner hätte grundsätzlich das Potential, derartige Verlagerungen zu gewährleisten, nur fehlt ihm die nötige Physis. Ferdy Druijf wird das Problem nach seiner Rückkehr ein wenig erleichtern, allerdings ist auch er eher ein Abräumer und Ballabschirmer im Zehnerraum – das offensichtliche Problem auf der Acht bleibt bestehen.

Rapid nützt Neftchis nervöse Anfangsphase nicht aus

Trotz dieser Komplikation hatte man anfangs nicht den Eindruck, dass Rapid in diesem Spiel etwas anbrennen lässt. Dies hing auch damit zusammen, dass Neftchi zu Beginn selbst schwere Probleme im Mittelfeldzentrum hatte. Der Spielaufbau wirkte nervös, war nicht geordnet und man fabrizierte zahlreiche Fehlpässe in Vorwärtsbewegung. Die einfachen „unforced errors“ der Aserbaidschaner konnte Rapid in der Anfangsphase aber nicht in Tore ummünzen, obwohl man häufig mit mehreren Spielern vor dem Ball war und so konnte sich der Gastgeber mit kleinen Nadelstichen und Teilerfolgen immer mehr stabilisieren.

Neftchi stabilisiert sich, Rapid verkrampft erneut

Mit den Verbesserungen bei Neftchi, das wahrlich kein übermächtiger und spielerisch in Mannschaft oder Gruppen solider Gegner war, wurden sämtliche Probleme der Grün-Weißen wieder sichtbar. Primär bemerkte man schnell wieder die fehlende Konsequenz im Matchplan. Während die Verlagerungen anfänglich noch ein klar erkennbares Konzept waren, verfiel man nun wieder in einen Trott, als hätte man vergessen, was man sich vorgenommen hat. Rapid verkrampfte, verlor die Linie, versuchte nun mit Hauruck-Fußball zum Erfolg zu kommen, bot im Endeffekt aber eher Rumpelfußball an.

Aufbauprobleme

Grund dafür waren weitere Allgemeinprobleme: Die Innenverteidigung mit Wimmer und Sollbauer räumt zwar defensiv vieles weg, ist im Spielaufbau jedoch zu wenig progressiv und speziell ideenlos. Den Spielaufbau über die Außenpositionen zu lenken funktionierte ebenfalls nicht, weil Jonas Auer einmal mehr eine schwache Partie ablieferte und auch Martin Koscelnik nicht pressingresistent genug ist. Abkippbewegungen aus dem Mittelfeld zwischen die Innenverteidiger waren ebenfalls Mangelware und so konnte Rapid praktisch nur über Zufälle den ersten Übergang überbrücken – und dann begann erst recht wieder das Zentrumsproblem im Mittelfeld.

Burgstaller kippt bis in den Sechserraum ab

Guido Burgstallers Partie war ein Sinnbild für Rapids Schwierigkeiten. Auf der einen Seite war bereits vor dem Spiel klar, dass die Strafraumbesetzung ein wichtiges Thema sein wird, weil Neftchi die Flügel stark entblößt, dem Gegner dort Räume anbietet. Speziell in der zweiten Halbzeit musste sich Burgstaller aber teilweise sogar bis in den Sechserraum zurückfallen lassen, weil er sonst keine brauchbaren Bälle bekommen hätte. Dass er dann in der Spitze fehlte, war die kontraproduktive Begleiterscheinung dieses Abkippens.

Rapid-Kapitän erkannte die Probleme und handelte

Mit dem Ball am Fuß spielte Burgstaller eine sehr schwache Partie. Viel zu wenig zielgerichtet, sehr viele Fehlpässe, teilweise unnötige Aktionen wie uninspirierte Ferserl. Aufgeopfert hat sich der Rapid-Kapitän dennoch wieder und sein Abkippen in den Sechserraum war zwar einerseits Teil des Problems, andererseits aber auch ein positives Beispiel für die Mitspieler: Burgstaller entschied eigeninitiativ, dass es Probleme gibt und wollte diese mit konkreten Veränderungen lösen. Nur wenige andere Rapid-Spieler (allgemein in den letzten Jahren) legen Eigeninitiative an den Tag und verkrampfen eher noch mehr, wenn spielerisch nichts zusammenläuft. Burgstaller konnte sich kurz vor dem Schlusspfiff etwas glücklich, aber auch dank seiner Entschlossenheit noch mit seinem dritten Pflichtspieltor seit Saisonstart belohnen.

In der Außenverteidigung verpokert?

Eine positive Veränderung brachte der Pausenwechsel von Ferdinand Feldhofer: Thorsten Schick brachte Schwung auf die rechte Seite, bewies erneut, dass er aktuell wieder gut in Form ist. Das Paradoxon: Es ging nicht Koscelnik, sondern der phasenweise überforderte Auer – und der slowakische Teamspieler rückte nach links. Damit wollte man verhindern, dass der beste Neftchi-Spieler Kenny Saief Rapids Schwachstelle bespielen kann, wie es in der ersten Halbzeit häufig der Fall war. Dass man aber einen Rechtsverteidiger nach links schieben musste, legt auch nahe, dass man sich auf den Außenverteidigerpositionen womöglich ein wenig verpokert hat und die Qualität nicht hoch genug ist. Moormanns Ausfall kann hier nicht als Argument gelten.

Wenig Aufbäumen nach Wiederbeginn

Alles in allem war es ein gebrauchter Tag für Rapid. Die wahrscheinlich ärgerlichste Komponente war aber, dass man dermaßen schlecht aus der Halbzeit kam. Trotz des Gegentreffers kurz vor der Pause, übernahm Rapid nicht das Kommando, sondern ließ sich von den Aserbaidschanern kurzerhand erneut die Schneid abkaufen. In zahlreichen Zweikämpfen wirkte man pomadig, die vielen gelben Karten für Aleksa Pejic sind ein Hemmschuh im Sechserraum, weil dieser sich nicht mehr zu 100% in seine Duelle traut. Das scheint phasenweise auch die anderen Zentrumsakteure anzustecken und gerade für das Umschaltspiel ist dies äußerst problematisch. Auch weil Pejic selbst in Ballbesitz immer wieder unangenehme Schnittbälle zu befürchten scheint, die zwar einerseits in einer erfolgreichen Umschaltaktion, aber auch in einem weiteren Foul enden können.

Eingespieltheit hin oder her: Rapid braucht noch mehr Qualität

Die 1:2-Niederlage hat aber auch Positives. Rapid kann sich nun nicht mehr auf den erfolgreichen Ergebnisfußball ausreden und bekam mit der vermeidbaren Niederlage einen Schuss vor den Bug. Man muss sich eingestehen, dass die Transferzeit nur teilweise gut genutzt wurde und die Qualität nicht so hoch ist, wie man es sich erhofft hatte. Es wäre ein Irrglaube, dass diese Probleme mit mehr Eingespieltheit und etwa Verbesserungen von Pejic oder Greil bzw. der Rückkehr von Kerschbaum in den Griff bekommen werden. Rapid wird wohl oder übel noch ein bis zwei Top-Spieler für die neuralgischen Zonen brauchen, andernfalls werden sich die Teams, die schon letzte Saison vor dem Tabellenfünften landeten, noch weiter entfernen. Und auch die Gruppenphase der UEFA Europa Conference League wird in dieser Verfassung nur sehr schwer erreichbar sein…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen