Gegneranalyse: St. Johnstone und der Ausfall des Schlüsselspielers
Conference League 18.August.2021 Daniel Mandl
Der LASK trifft im Playoff zur UEFA Europa Conference League auf den schottischen Klub St. Johnstone. Die „Saints“, wie sie in Schottland genannt werden, schieden zuletzt nach einem heroischen Kampf gegen Galatasaray aus, holten in Istanbul sogar ein 1:1. Wir sehen uns die Herangehensweise des Teams, die Grundordnung und die Schlüsselspieler genauer an.
Der Trainer der Schotten, der einstige Nationalspieler Callum Davidson, übernahm sein Amt im Juni 2020. Es ist seine erste Station als Profitrainer, nachdem er zuvor Co-Trainer bei Millwall, Dunfermline, Stoke City und früher auch lange Jahre bei St. Johnstone unter Trainer Tommy Wright war. Die Herangehensweise des 45-Jährigen ist sehr deutlich: Die Dreierkette ist Programm, Davidson variiert vor allem zwischen 3-4-2-1 und 3-4-1-2, wobei diese Formation durch die Antizipationsbewegungen eines zweiten Angreifers natürlich verschwimmen.
Eingespielte Mannschaft in immer gleicher Grundordnung
Auf Systeme mit Viererkette, speziell ein 4-4-2, griff Davidson ausschließlich in Cup-Spielen gegen unterklassige Teams zurück. Auch in der Liga wählt man praktisch immer eine 3-6-1 bzw- 3-5-2-Grundordnung. Der Kader des St. Johnstone FC ist grundsätzlich groß und im Vergleich zur erfolgreichen vergangenen Saison mit dem „Cup-Double“ gab es nur wenige nennenswerte Veränderungen, was auch für eine entsprechende Eingespieltheit spricht.
Man United Talent ersetzt einzigen nennenswerten Abgang
Die wichtigste Veränderung betrifft dabei die Position des linken Flügelverteidigers. Der Engländer Scott Tanser, durchaus ein Leistungsträger der Vorsaison, wechselte nach St. Mirren. Statt ihm verpflichtete St. Johnstone den erst 19-jährigen Reece Devine leihweise von Manchester United. Dieser rutschte sofort in die erste Elf, spielte dreimal von Beginn an, ist aber noch keineswegs so gut ins Spiel eingebunden wie Tanser, der vier Saisonen Stammspieler in Perth, wo der LASK-Gegner herkommt, war.
Es fehlt ein Goalgetter
Der Rest des Stammes blieb aber beisammen. Trainer Davidson ist allerdings noch mit der Durchschlagskraft an vorderster Front unzufrieden. Sämtliche Stürmer, nämlich Hendry, May, Kane und O’Halloran sind keine Goalgetter. In keiner ihrer St. Johnstone-Saisonen, auch nicht in der letzten, kam einer dieser Angreifer auf über fünf Saisontore in der Liga. Zusammen erzielten die vier in der schottischen Premiership gerade mal zehn Treffer in der Spielzeit 2020/21. Der Israeli Guy Melamed erzielte fünf, sein Vertrag wurde aber nicht verlängert und er ist aktuell vereinslos. Auch sein Erfolg war kaum durchschlagend.
Warten auf finnischen Brecher
Demnach will Davidson nachrüsten, wartet aber weiterhin auf die Freigabe für den 22-jährigen Finnen Eetu Vertainen, der von Ilves Tampere zu den Schotten stoßen wird. Grundsätzlich ist der Transfer durch und der 187cm große Vertainen, der aus dem Nachwuchs von HJK Helsinki stammt, vollzog bereits seine Quarantäne in Schottland. Auf die Arbeitserlaubnis wartete man aber bisher vergeblich. Davidson erklärte, dass er am Sonntag gegen Dundee United mit dem finnischen Stürmer rechnet. Bei rechtzeitiger Nennung bei der UEFA könnte er dann wohl auch für das Rückspiel gegen den LASK zum Thema werden.
„Mitte dicht“ gegen den Ball
Die Schlüsselakteure der Schotten findet man aufgrund des sehr flach praktizierten Systems eher in der Zentrale. Allgemein ist die Flügellastigkeit nicht besonders ausgeprägt und Davidson lässt vor allem die Mitte zumachen, was durch die Dreierkette und – zumeist – zwei defensive und zwei offensive Mittelfeldspieler davor auch meistens gut funktioniert. Die offensiveren Mittelfeldspieler pendeln häufig nach außen, um die Flügel zu unterstützen bzw. machen das Spiel breiter, wenn St. Johnstone zu Gegenstößen ansetzt. Die einzigen echten Flügelspieler sind aber die beiden Flügelverteidiger. Das wird auf der linken Seite wohl Red-Devils-Leihgabe Devine und rechts der kraftvolle, 191cm große Shaun Rooney sein, der phasenweise auch als rechter Innenverteidiger aufläuft.
Top-Spieler fehlt in Klagenfurt
Der wichtigste Spieler des Teams ist der kanadische Teamspieler David Wotherspoon. Er ist 31 Jahre alt, Spielmacher, sowohl guter Assistgeber, wie auch Einfädler. Als Linksfuß weist er eine deutliche Linkslastigkeit in seinem Spiel auf, ist sehr klar in seinen Aktionen, passsicher und ein guter Balleroberer in der gegnerischen Hälfte. Der Vorteil für den LASK: Mit Wotherspoon muss man sich erst im Rückspiel auseinandersetzen. Der Kanadier machte die Reise nach Klagenfurt nicht mit, weil er zuletzt einen Corona-K1-Kontakt hatte und bereits in den letzten beiden Partien ausfiel. Auch deshalb ist Trainer Davidson vor dem Hinspiel im Wörthersee-Stadion ein wenig konsterniert und jammert über offensive Alternativen.
Rangers-Leihgabe wohl am gefährlichsten
Nicht zu verachten ist jedoch der Ersatzmann für Wotherspoon: Der 21-jährige Glenn Middleton kann die Rolle Wotherspoons wohl eins-zu-eins übernehmen, ist in der Balleroberung schwächer, dafür schneller und besser im Dribbling. Im Vergleich zum Kanadier ist Middleton in seiner Grundausrichtung etwas offensiver, aber ein nach links pendelnder Zehner sollte auch für ihn eine dankbare Aufgabe sein. Die Leihgabe der Glasgow Rangers ist wie Wotherspoon Linksfuß und spielte für die „Gers“ in der Saison 2018/19 einmal in der Europa League gegen Rapid durch und wurde einmal in der Schlussphase eingewechselt. Aktuell ist er schottischer U21-Teamspieler.
Passsicherer McCann zieht die Zweikämpfe auf der Sechs
Der Ankerspieler dahinter ist der 21-jährige, nordirische Nationalspieler Ali McCann. Er bewegt sich im Sechser- und Achterraum und ist der passsicherste Akteur bei St. Johnstone. Mit einer Passquote von etwa 80% über die gesamte vergangene Saison ist er eine wichtige Drehscheibe im Spiel der Schotten. Gleichzeitig ist seine Passintensität im Vergleich zu seiner Zweikampfintensität eher gering. Durchschnittlich kam er in der letzten Saison pro Partie auf über 20 Zweikämpfe (bei ausgeglichener Bilanz), aber nur auf 33 Pässe pro Partie. Hieran erkennt man, dass St. Johnstone lieber gegen, als mit dem Ball arbeitet und hierfür ist der solide Balleroberer McCann ein wichtiger Spieler.
Craig mit mehr Pässen, aber manchmal zu viel Tiefe
Das Paradoxon ist dabei, dass sein Nebenmann, der routinierte Liam Craig weniger Zweikämpfe bei besserer Bilanz absolviert, dafür aber auch mehr Pässe bei schlechterer Bilanz spielt. Craig versucht vor allem schneller in die Spitze zu spielen (wo aktuell die torgefährlichen Alternativen und auch noch Wotherspoon fehlen), während McCann für mehr Ordnung und Kontrolle sorgen will, sodass mehr Spieler nachrücken können. Demnach wäre es hier von Seiten des LASK anzudenken, McCann stärker zuzustellen und in eigenen Pressingsituationen stärker zu forcieren, als Craig. Der 34-Jährige ist mit dem Ball fahriger und begeht mehr Fehler, während der Balleroberer McCann Konstanz ins Spiel bringen kann. Davon abgesehen startete McCann aber nicht besonders gut in die neue Saison und zeigte bisher noch nicht die abgebrühten Leistungen des Vorjahres.
Kerr mit rechts für kurzen Aufbau
Der wichtigste Abwehrspieler ist der 24-jährige Innenverteidiger und Kapitän Jason Kerr, der mit seinen 180cm nicht der Größte ist und dennoch häufig in der inneren Innenverteidigung aufgeboten wird. Allerdings spielt Kerr immer wieder auf unterschiedlichen Positionen in der Dreierkette. In der laufenden Saison spielte er bereits auf allen dreien. Wo er diesmal eingesetzt werden wird, ist völlig offen, da auch die rechte Seite eine Option darstellt, weil der 191cm Rooney wohl als Rechtsverteidiger eingeplant ist, damit St. Johnstone situativ eine pendelnde Viererkette bilden kann. Wichtig ist hierbei die Information, dass Kerr Rechtsfuß und der Innenverteidiger ist, der eher kurze Pässe spielt. Dies könnte je nach Positionierung des Kapitäns wichtige Auswirkungen auf das Anlaufverhalten des LASK haben, etwa weil ihn man je nach Seite im Bogen anlaufen könnte.
McCart mit links für tiefen Aufbau
Als innerer Innenverteidiger ist ohnehin der 24-jährige Jamie McCart zu erwarten, der mit seinen 189cm besser geeignet ist, das Zentrum zu besetzen. Zwar ist Kerr ein guter und lästiger Zweikämpfer, aber er fühlt sich auf Halbpositionen wohler, als McCart, der in der Zentrale besser aufgehoben ist. McCart ist wiederum im Vergleich zu Kerr derjenige, der viele weite Pässe spielt – und das mit links! Es ist sehr wahrscheinlich, dass McCart und Kerr nebeneinander spielen und je nachdem, ob Kerr links oder rechts von ihm aufläuft, könnte der „Linker Fuß – Rechter Fuß“-Faktor eine sehr große Rolle im Angriffspressing des LASK ausmachen.
Solider Keeper startete gut in die Saison
Zu guter Letzt muss auch noch der Torhüter der Schotten erwähnt werden. Wenn man die Abwehr des Außenseiters geknackt hat, muss man nämlich noch am 191cm großen Zander Clark vorbei, der zumindest in der Liga richtig gut in die Saison startete und auch eine gute Anspielstation für seine Vorderleute ist. Clark zählt sicher zu den besseren Torhütern der schottischen Liga und haut schon mal richtig gute Spiele raus, weshalb er nun auch schon in seine sechste Saison als Stammkeeper des Klubs geht. Im letzten Spiel, einem Sieg nach Elfmeterschießen gegen den Zweitligisten Arbroath, wurde Clark in der 120. Minute fürs Elfern eingewechselt. Im Laufe seiner Karriere hielt er 22,7% der Elfmeter gegen ihn.
LASK als klarer Favorit
Unterm Strich ist der St. Johnstone FC eine Mannschaft, die gegen den Ball das Zentrum massiv verdichtet und nach Ballgewinnen ausschwärmt und das Spiel breit macht. Speziell die „diagonalen“ Rollen der offensiveren Mittelfeldspieler sind hierbei sehr wichtig. Middleton könnte im Hinspiel auf diese Art im Offensivspiel eine gewichtige Rolle spielen. Ansonsten fehlt es den Schotten aber auch an offensiver Durchschlagskraft und der Ausfall von Wotherspoon wird der Mannschaft von Callum Davidson richtig wehtun. Mit einer konzentrierten Leistung und dem richtigen Anlaufverhalten, das die Passbesonderheiten und den jeweils starken Fuß der schottischen Aufbauspieler und die Eigenschaften der Doppelsechs berücksichtigt, sollte der LASK hier schon im Hinspiel alles klar machen können.
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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