Taktikanalyse: Rapid gelingt der perfekte Conference-League-Auftakt
Conference League 3.Oktober.2024 Daniel Mandl
Rapid schaffte mit einem 2:1-Auswärtssieg bei Istanbul Basaksehir, der auch höher hätte ausfallen können, einen perfekten Start in die Ligaphase der UEFA Conference League. Die Hütteldorfer legten dabei eine enorm konzentrierte und geradlinige Leistung hin, die sie zudem fast über die vollen 90 Minuten durchziehen konnten.
Einzig die Anfangsphase der Partie barg für Rapid einige Gefahren in sich. Die Gastgeber kamen zunächst gut ins Spiel und gewannen mehrere Schnittbälle, wodurch der Tabellenfünfte der Süper Lig zunächst das Momentum und das Selbstvertrauen auf seine Seite ziehen konnte. Der Lattenschuss von Gürler nach fünf Minuten war für Rapid aber ein erster Weckruf und auch wenn Basaksehir danach in der Anfangsphase noch dreimal gefährlich vors Tor kam, begann Rapid sich allmählich zu fangen.
Basaksehir passt das System an
Interessant war auch, dass schnell sichtbar wurde, dass Basaksehir realtaktisch anders spielte als erwartet. Man brachte zwar das etatmäßige 4-1-4-1 aufs Feld, agierte aber eigentlich aus einem 3-4-2-1 heraus, in dem Rechtsverteidiger Ergün zu einem dritten Innenverteidiger wurde, die beiden Flügel Gürler und Türüc etwas tiefer schoben und der Linksverteidiger Kemen immer wieder auf die Sechs pendelte.
Trainer Cagdas Atan dürfte Rapid insgesamt gut analysiert haben und wusste, dass Özdemir als alleiniger Sechser gegen die Kampfkraft von Grgic und Sangaré zu wenig sein könnte. Somit schoben Figueiredo und Crespo, die normalerweise Achter/Zehner-Hybridspieler sind klar auf die Zehn. Eine gute Staffelung im Sechserraum konnte Basaksehir dennoch nicht aufbauen, was Rapid enorm entgegenkam.
Rapid dominiert den Achterraum
Wie bereits vor dem Spiel in unserer Teamanalyse erklärt, ist es gerade der Achterraum, in dem die Türken anfällig auf Ballverluste und vor allem Kontrollverlust sind. Zwar versuchte man mit Kemen als zusätzlichem Sechser mehr Präsenz in diesen Räumen zu schaffen, aber die Bindung zwischen Kemen und Özdemir zu den vorgelagerten Mittelfeldspielern Figueiredo und Crespo war praktisch nie gegeben, weshalb Letztere in eigenem Ballbesitz in der Luft hingen. Auch ihre Abkippbewegungen waren nicht gut, weshalb auf die Doppelsechs extrem viel Arbeit zukam. Alleine Kemen hatte 90 Ballaktionen abzuspulen.
In genau diesen problematischen Räumen arbeiteten Grgic und Sangaré enorm intensiv. Zusammen gewannen sie etwa 58% ihrer Zweikämpfe und während Grgic auf zehn Balleroberungen kam, waren es bei Sangaré sogar 16. Eine Besonderheit in dieser Statistik: 15 der 26 Eroberungen durch Rapids Doppelacht gelangen in der gegnerischen Hälfte, womit man genau den wichtigsten Faktor erreichte, um Basaksehir korrekt zu bespielen.
Gastgeber mit mehr Sicherheit in der Tiefe des Hinterraums
In der Dreierkette setzte der Coach der Gastgeber auf etwas mehr Sicherheit als zuletzt und ließ den inneren Innenverteidiger Ba etwas tiefer spielen bzw. eine tiefere Kettenposition ansagen. Damit wollte man verhindern, dass Rapid im offensiven Umschaltspiel hinter die Abwehrkette kommt. Phasenweise gelang das auch, allerdings präsentierte sich Rapid im offensiven Umschaltspiel wesentlich flexibler und einfallsreicher, als Basaksehir im defensiven.
Um Ba zu umgehen, verzichtete Rapid vorerst weitgehend darauf das Zentrum zu bespielen. Stattdessen trug man die meisten Angriffe über die Flügel und die Halbräume vor, wobei die linke Seite wie so oft ein klares Übergewicht hatte. Der allgemein ausgesprochen solide spielende Jonas Auer schob regelmäßig sehr hoch, um Dreiecksbildungen am Flügel und damit idealerweise auch Überzahlsituationen zu schaffen. Da Basaksehir eher mit der Verdichtung des Zentrums beschäftigt war und auf den Flügeln sehr offensiv geprägte Akteure aufliefen, war dies für Basaksehir häufig nur schwer zu verteidigen.
Die Rückkehr des „Euro-Louis“
Kurioserweise gelang Rapid der Führungstreffer dann aber doch über rechts. Über die rechte Seite konnte Rapid nur einen xG-Wert von 0.05 über die gesamte Spieldauer aufbauen, allerdings war es eine starke individuelle Leistung des „Euro-Louis“, die schließlich doch für das 1:0 sorgte. Zuvor hatte Rapid bei einem Abseitstor von Guido Burgstaller bereits Pech. Der schwache und arrogant wirkende schwedische Schiedsrichter hatte auf den VAR gehört – allerdings leider nachdem dieser die kalibrierte Linie offensichtlich falsch zog und Burgstallers Hand statt seiner Schulter im Abseits verortete. Einmal mehr: Wenn der VAR so eingesetzt wird, dann braucht man gleich gar nicht auf ihn zurückgreifen…
Eine Unachtsamkeit brachte Basaksehir zwar noch vor der Halbzeit den Ausgleich, aber unmittelbar nach der Pause schlug Rapid erneut zurück. Nach einer guten Überladung auf der linken Angriffsseite und einer schönen Kombination, schaffte Rapid gegen die phasenweise vogelwilde Basaksehir-Abwehr eine perfekte Strafraumbesetzung. Burgstallers Rückraumpass hätte wohl gleich von drei verschiedenen Spielern abgeschlossen werden können, aber es machte – mit neu gefundenem Selbstvertrauen – erneut Louis Schaub. Die Abwehr der Türken antizipierte in dieser Szene miserabel und kam auch mit Rapids Tempo nicht mit.
Basaksehir im Kopf zu langsam für hochkonzentrierte Rapidler
Von hier an übernahm Rapid eindeutig das Kommando und war in nahezu allen Aktionen sehr klar, ausgesprochen kämpferisch und auch direkt. Ein weiteres Abseitstor von Dion Beljo war das Resultat guter Spielzüge und Ideen, die die Hausherren aufgrund ihrer Langsamkeit im Kopf nie gut verteidigen konnten. Speziell in den ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit war Rapid drückend überlegen und zwischen der 46. und der 81. Minute kamen die Favoriten aus Istanbul kein einziges Mal vors Tor.
Erst in der Schlussphase und in der achtminütigen Nachspielzeit kam Basaksehir wieder ein wenig auf, wurde allerdings nicht zwingend genug und verlor mit den Wechseln und der Umstellung auf ein realtaktisches 4-1-4-1 auch das letzte bisschen Linie. Niklas Hedl musste sich lediglich einmal auszeichnen, aber ansonsten hatte Rapid weiter alles im Griff, was sich auch mit der Umstellung auf ein etwas destruktiveres 5-4-1 nicht änderte.
Beste Ausgangslage für Rapid
Unterm Strich steht ein hochverdienter 2:1-Erfolg für Rapid im auf dem Papier schwersten Spiel der Ligaphase. In den folgenden Spielen gegen Noah Yerevan (h), Petrocub-Hincesti (a) und die Shamrock Rovers (h) muss Rapid praktisch ein Pflichtprogramm abspulen und hat die große Chance, sich bereits früh in den oberen Regionen der Tabelle festzusetzen. Laut einer ELO-basierten Simulation wird der Tabellenachte (der letzte Fixaufsteiger ins Achtelfinale) die Tabelle mit 49%iger Wahrscheinlichkeit mit zwölf Punkten abschließen. Und diese zwölf Punkte sind nun Rapids Ziel nach nur vier von sechs Runden…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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