Der SK Rapid trifft in der dritten Qualifikationsrunde zur UEFA Europa Conference League auf den ungarischen Klub Debreceni VSC. Wir haben uns die Mannschaft und Spielweise der Ungarn im Detail angesehen und präsentieren euch hiermit unsere Teamanalyse über den Vorjahresdritten der ungarischen Liga.
Der Rapid-Gegner aus dem Osten Ungarns ist eine Mannschaft, die formativ sehr geradlinig auftritt und auch gerne den Ball hat. Das hat der 1902 gegründete Traditionsverein derzeit wohl mit Rapid gemeinsam. Debrecen tritt durchwegs im 4-2-3-1 auf und lebt primär von der Umtriebigkeit von Altstar Balasz Dzsudzsak auf der Zehn, aber auch der Sicherheit, die der montenegrinische Sechser/Achter Stefan Loncar dem Team gibt.
Klarer Zielspieler und Dysbalance bei Standards
Die Mannschaft des serbischen Trainers Srdjan Blagojevic bringt keine besonderen spielerischen Facetten mit, sondern spult grundsätzlich konservative Spiele ab, die immer wieder von Einzelpersonalien geprägt werden. Debrecen agiert mit einem klaren Zielspieler, der über Flanken und Stanglpässe gesucht wird und in der Offensive sind Verlagerungen auf die Außenpositionen demnach das wichtigste Mittel in der Kreierung von Chancen.
Auffällig sind auch die Stärken der Ungarn bei offensiven Standardsituationen, bei denen speziell der defensive Mittelfeldspieler Loncar, Angreifer Babunski und der montenegrinische Innenverteidiger Dreskovic genauer beäugt werden müssen. Dem gegenüber stehen aber auch Schwächen in der Zuteilung bei Defensivstandards, obwohl die Ungarn über eine körperlich sehr große Mannschaft verfügen.
Probleme im Aufbau und mit der Effizienz
Im Spielaufbau wird das Team schnell fahrig, wenn man unter Druck gesetzt wird. Zwar kippt einer der Sechser im Spielaufbau meist ab, um den Aufbau zu unterstützen, dennoch schaffen es die meisten Mannschaften, Debrecen im Aufbau auf die Außenpositionen zu lenken, wo die Bindung zwischen Außenverteidigern und offensiven Flügelspielern nicht immer ideal ist.
Aktuell hat das Team auch ein markantes Effizienzproblem, das man speziell bei der 1:2-Heimniederlage gegen Alashkert beobachten konnte. Die xG-Werte wiesen am Ende 3.18 : 0.83 für Debrecen aus. Auch wenn die Mannschaft in der Herausarbeitung von Torchancen Qualität hat, fehlt es im Strafraum nicht selten am nötigen Nachdruck. Von den fünf in dieser Saison erzielten Toren erzielte drei der zentrale Mittelfeldspieler Stefan Loncar.
In weiterer Folge sehen wir uns die Mannschaftsteile des Debreceni VSC etwas genauer an.
Routinierter Keeper, hünenhafte Innenverteidigung
Im Tor steht mit Balász Megyeri (33) ein routinierter Keeper, der unter anderem in Griechenland für Olympiakos und Atromitos, in Deutschland für Greuther Fürth und zuletzt auch in Zypern für AEL Limassol im Kasten stand. Megyeri gilt als solider Keeper, der aber nicht zu den besten Torhütern der ungarischen Liga zählt. Mit seiner Routine gibt er der Abwehr von Debrecen aber durchaus die nötige Sicherheit.
In der Innenverteidigung sind aktuell der Montenegriner Meldin Dreskovic (25) und der Ukrainer Oleksandr Romanchuk (23) gesetzt. Auffällig ist auf den ersten Blick das Gardemaß der beiden: Dreskovic misst 191cm, Romanchuk sogar 193cm – das führt allerdings auch dazu, dass beide Probleme mit wendigen Gegenspielern haben. Dreskovic könnte hierfür das noch bessere „Ziel“ sein, als der etwas athletischere Romanchuk.
Dreskovic ist allgemein ein Innenverteidiger, der seine Stärken eher im statischen Zweikampf hat. Im Aufbauspiel wählt er zumeist den einfachen Pass, trägt demnach nur wenig zum Aufbauspiel bei. Romanchuk spielt im Aufbau etwas progressiver, allerdings ist auch bei ihm die starke Bindung zu seinem Nebenmann, Rechtsverteidiger Kusnyir, nicht zu übersehen. Was die reine Zweikampfführung und Luftduelle betrifft, ist die Innenverteidigung von Debrecen durchaus solide, allerdings ist sie im Spielaufbau und in defensiven Laufduellen eher als Schwachstelle im Team zu bezeichnen. Allerdings ist auch zu erwarten, dass Debrecen gerade im Hinspiel ohnehin eher tief stehen und statische Zweikämpfe erzwingen will. Dass der aus der Slowakei ausgeliehene Alexander Mojzis (24) in dieser Partie eine Rolle spielen wird, ist nicht zu erwarten.
Unterschiedliche Außenverteidigertypen
In der Außenverteidigung spielt links der Spanier Christian Manrique (24) und rechts der ukrainisch-stämmige Ungar Erik Kusnyir (23). Beide Spieler haben aufgrund des flügellastigen Spielaufbaus des Teams in fast jeder Partie sehr viele Ballaktionen und speziell Kusnyir wird aufgrund seiner Aufbaubindung zu Romanchuk stark gefordert. Kusnyir ist ein Debrecen-Eigenbauspieler, der seine Rolle recht konservativ anlegt, kaum unerwartete Dinge tut und ein solides Positionsspiel mitbringt. Wenn man das Tempo hochhalten kann, wird er allerdings aufgrund der vielen Ballaktionen zu Konzentrationsproblemen neigen.
Christian Manrique wiederum ist nicht die „Einserlösung“ auf der Linksverteidigerposition, aber der routinierte János Ferenczi (32) hat sich im Hinspiel gegen Alashkert verletzt und dürfte auch gegen Rapid noch fehlen. Manrique hat seine Stärken eher im Spiel nach vorne und bei gutem Umschaltspiel und Bälle in seine Zone, speziell wenn er noch nicht rechtzeitig hinter den Ball kam, sind ein sehr gutes Mittel um die linke Defensivseite der Ungarn zu bespielen. In diesem Fall kommt es nämlich häufiger vor, dass Dreskovic nach außen rücken muss, was den flinken Flügeln Rapids entgegenkommen würde. Während Kusnyir auf der rechten Seite also mehr Balance mitbringt, könnte Manrique auf rechts auch zu einem willkommenen Pressingopfer werden.
Montenegrinische Hünen im Sechser/Achter-Raum
Im defensiven Mittelfeld bietet Debrecen zwei weitere montenegrinische Hünen auf. Dusan Lagator (29) und Stefan Loncar (27) sind beide 190cm groß und sollen im Zentrum vor allem Freigeist Dzsudzsak den Rücken freihalten. Lagator ist eigentlich Innenverteidiger, hat demnach die klarere Sechserrolle und auch die physischere Komponente inne. Er spielt zumeist einfache Pässe, lässt sich im Spielaufbau mehr abkippen als Loncar und ist ein wichtiger Passhafen, wenn Debrecen über die Defensive neu aufbauen oder in einer tieferen Position das Spiel verlagern will.
Loncar hingegen ist einer der Schlüsselspieler der Ungarn. Auch er ist etatmäßiger Sechser, pendelt aber sehr häufig in den Achter- oder sogar Zehnerraum. Er forciert ein deutlich riskanteres Passspiel als Lagator, ist auch im Zwischenlinienraum und aufgrund seiner Fähigkeit den Ball dank seiner Physis gut festzumachen, ein gerne gesehener Anspielpartner. Zudem ist er durchaus torgefährlich, schließt häufig auch aus der Distanz ab und ist bei Offensivstandards einer der gefährlichsten Spieler des Teams. Gleichzeitig ist er im Zentrum aufgrund seiner offeneren Körperhaltung und der Suche nach offensiven Anspielstationen auch ein Spieler, der besser gepresst werden kann. Wenn man seine Kreise von Anfang an einschränkt, ist er zudem ein heißer Kandidat für eine schnelle gelbe Karte.
Mit József Varga (35) verfügt Debrecen über einen kampfstarken Ersatzmann für die Sechs, der seine besten Zeiten aber schon hinter sich hat. Der Grieche Georgios Neofytidis (23) und der Nigerianer Hamzat Ojediran (19) sind ebenfalls Sechser, spielen aber auch nur eine untergeordnete Rolle.
Routinierter Dzsudzsak als Debrecens „Burgstaller-Pendant“
Zudem wäre eine harte Gangart gegen Loncar auch wichtig, um den Star des Teams, den langjährigen PSV-, Russland- und Emirate-Legionär Balász Dzsudzsak (36) besser aus dem Spiel zu nehmen. Dzsudzsak ist für Debrecen in etwa das, was Guido Burgstaller für Rapid ist – nur im offensiven Mittelfeld. Der 109-fache ungarische Teamspieler ist immer noch sehr umtriebig und dynamisch, brachte es in der abgelaufenen Saison immerhin auf sechs Tore und sechs Assists, ist aber auch als Leithammel sehr wichtig. Er gibt im Zehnerraum eine Art Freigeist und ist der einzige Spieler des Teams, der eine sehr niedrige Positionstreue mitbringt. Dzsudzsak agiert sehr viel nach Gefühl, pendelt häufig auf die Flügel, um dort eine Anspielstation zu bieten oder Bälle abzusammeln. Der Linksfuß neigt dabei eher zur rechten Seite, um invers wieder zur Mitte ziehen zu können.
In der vergangenen Saison war Dzsudzsak möglicherweise der beste Zehner der ungarischen Liga. Er ist in der Offensive das Herz und Hirn der Mannschaft und ist nur schwer über 90 Minuten in den Griff zu bekommen. Allerdings fällt auch er ab, wenn sein Rundherum regelmäßig und konsequent gestresst wird. Vorsicht ist natürlich auch bei den Ecken und Freistößen des Routiniers geboten.
Mehrere Optionen an den Flügeln
An den offensiven Flügeln hat Debrecen mehrere Optionen, wird sich aber voraussichtlich für die Varianten aus den Alashkert-Spielen entscheiden. Am linken Flügel spielt mit Alexandros Kyziridis (22) ein junger Grieche, der früher in der Slowakei für Zlate Moravce stark spielte, bei Debrecen allerdings noch keinen Stammplatz hat. Kyziridis ist ein Spieler für gewisse Überraschungsmomente aufgrund seiner hohen Dribblingintensität und -häufigkeit, bei ihm scheiterte es in Ungarn allerdings bisher an der Effizienz. Der Schweizer Joao Oliveira (27) wäre eine Alternative als Linksaußen, allerdings ist Kyziridis der bessere Akteur für schnelles Umschaltspiel.
Auf der rechten Seite wird sich Debrecen wohl für den routinierten Márk Szécsi (29) entscheiden, der auch in den letzten Jahren schon eine Stütze für den Klub war. Der gelernte Mittelstürmer ist kein großer Dribbler, dafür aber ein solider Pass- und Kombinationsspieler, der gerne in den Halbraum pendelt, um das Zentrum zu überladen. Szécsi ist insgesamt ein unspektakulärer Akteur, der mehr als Zuarbeiter für Dzsudszak agiert oder mit einfachen Bewegungen Räume aufreißt – etwa fürs Hinterlaufen von Rechtsverteidiger Kusnyir.
Gefährliche Alternativen an den Außenbahnen
Auf beiden Flügeln hat Debrecen allerdings Probleme im defensiven Umschaltspiel. Speziell auf der linken Seite mit Manrique und Kyziridis könnte es hier zu Balanceproblemen kommen. Mit dem defensiv solideren Ádám Bódi (32) auf der rechten Seite und dem jungen, unbekümmerten Botond Vajda (19) auf links gibt es noch zwei weitere Optionen für die Flügel.
Ein weiterer Flügelspieler, auf den man im Falle einer Einwechslung genau achten muss, ist der portugiesisch-stämmige Franzose Brandon Domingues (23), der als sehr trickreich und flink gilt. Er ist eigentlich ein Zehner, kommt aber eher an einem der beiden Flügel zum Einsatz, weil Dzsudzsak im Zentrum gesetzt ist. Domingues hat seine Stärken ganz klar in der Offensive, kann im Falle eines Rückstands ein gefährlicher Einwechselspieler sein. Von Beginn an ist er aufgrund seiner defensiven Mängel aber nicht zu erwarten.
Ex-Rapid-Target als Zielspieler
Im Angriff ist der Nordmazedonier Dorian Babunski (26) zu erwarten, der in der Vergangenheit auch schon bei Rapid ein Thema war. Der 187cm-Angreifer ist der klare Zielspieler der Ungarn und erzielte in der vergangenen Saison 13 Tore und fünf Assists in 33 Pflichtspielen. Im Laufe seiner Karriere kickte er bereits im Nachwuchs von Real Madrid, knapp vier Jahre in Japan und vor seiner Debrecen-Zeit in Bulgarien. Babunski ist kopfballstark und im Strafraum durchsetzungskräftig, kann aber auch im Antizipationsspiel verwendet werden und lässt Bälle auch in der Etappe gut abtropfen. Speziell in den beiden Spielen gegen Alashkert hatte er allerdings Probleme mit der härteren Gangart der Armenier – eine Innenverteidigung mit Cvetkovic und Querfeld sollte den Nordmazedonier also gut in Schach halten können. Gerade in der Ballannahme mit dem Rücken zum Tor ist Babunski manchmal etwas filigran und kann gut gestört werden. Aufdrehbewegungen des Stürmers gilt es hingegen zu verhindern.
Babunski hat zudem zwei klare Ersatzleute fürs Sturmzentrum: Der Kroate Antonio Mance (28) ist eher ein Mann fürs Grobe, kein begnadeter Techniker, dafür einer, der im Strafraum alles reinwirft, was er hat. Er gilt allerdings auch eher als Chancentod und ist eher ein Einwechsler für „Brechstangenmomente“. Der Eigenbauspieler Donát Bárány (22) ist eher ein spielender Stürmer, der allerdings nicht ins aktuelle System von Debrecen passt und zu wenig Strafraumpräsenz mitbringt.
Mögliche Aufstellung
Fazit
Unterm Strich ist Debrecen eine Mannschaft, die stark von zwei Akteuren, nämlich Dzsudzsak und Loncar lebt, viel Physis mitbringt, aber auch klare Schwachstellen hat – sowohl individuell, als auch in bestimmten Zonen. So ist es etwa eine gute Option die linke Abwehrseite der Ungarn zu bespielen oder bestimmte Spieler konsequent anzupressen. Auch wenn einige Akteure von Debrecen durchaus großes Potential mitbringen, spielte die Mannschaft im letzten Jahr immer wieder über Erwartung und ist im ungarischen Vergleich wohl nur wegen der Qualität von Dzsudzsak keine Durchschnittsmannschaft, sondern im oberen Bereich der Tabelle angesiedelt. Mit zwei konzentrierten Leistungen sollte Rapid demnach diese Hürde überspringen können und sich für das Playoff-Duell mit der AC Fiorentina qualifizieren.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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