Corona und Fußball: Warum wohl fertiggespielt werden muss
BundesligaFußball international 2.April.2020 Daniel Mandl
Alles fragt sich derzeit, wann denn endlich wieder Fußball gespielt wird – und in welcher Form. Wir schauen uns die Fakten an, beobachten die Handlungsweisen der Verbände und versuchen einen Ausblick zu skizzieren.
Wenn das runde Leder wieder rollt, wird dies nicht gleichzeitig in sämtlichen Ländern geschehen. Die schrittweise Öffnung des öffentlichen Lebens wird auch den Fußball betreffen und obliegt den Handlungsweisen einzelner Landesverbände. Aktuell wird noch in Weißrussland, Nicaragua und Tadschikistan gekickt. Zudem findet auch die Universitätsliga in Taiwan statt. Die letzten Ligen, die ihren Betrieb einstellten waren die nationalen Bewerbe in Haiti, Burundi, Palästina, Angola, Singapur und auch Australien.
Fußball zuerst wieder in Asien?
Es ist grundsätzlich zu erwarten, dass asiatische Länder, die die Situation derzeit am ehesten im Griff haben, langsam die Ligenbetriebe wieder hochfahren werden. Dass dies aber noch einige Zeit dauern kann, haben die Chinesen nun wieder bewiesen, nachdem sie größere Veranstaltungen erneut verboten, um die Reproduktionsraten des Virus nicht wieder aufkeimen zu lassen. Selbst in den Ländern, die als erste wieder starten wollen, dürfte es also noch bis mindestens Ende April keine Spiele geben.
Der Wettlauf um den Wiederbeginn
Man darf diesbezüglich aber auch den wirtschaftlichen Vorteil der wiedereröffneten Ligen nicht übersehen. Weißrussland schloss zehn neue TV-Deals für seine biedere Liga ab, weil man entgegen jeder Ratio einfach weiterkickte und auch Zuschauer im Stadion zuließ. Einige Fangruppierungen boykottieren die Spiele bereits, weil sie das Handeln des Verbands und der autoritären Führung als fahrlässig erachten. In Asien wird man den finanziellen Vorteil, den sich die Weißrussen durch ihre Ignoranz erspielten, allerdings auch bemerkt haben. Es ist also möglich, dass eine Art Wettlauf beginnen wird, wer zuerst wieder aktiv werden kann, um sich lukrative Deals sichern zu können.
Österreich: Wiederbeginn doch nicht nur bis Anfang Mai?
In Österreich war der letzte Stand der Dinge, dass die Liga bis spätestens Anfang Mai wieder starten könnte. Würde man diesen Termin nicht einhalten können, müsse die Meisterschaft vermutlich abgebrochen werden, obwohl die Europameisterschaft bereits um ein Jahr verschoben wurde. Zuletzt wurde allerdings konstatiert, dass man die Liga noch weiter nach hinten verschieben könnte. Spanien preschte hierbei vor und gab eine möglicherweise richtungsweisende Info heraus.
Spanien gibt Juli als Ziel an
Die Spanier rechnen nämlich – Stand heute – mit der Wiederaufnahme des Ligabetriebs im Juli. Eine mutige Ansage, wenn man sich die Versorgungslage auf der iberischen Halbinsel ansieht. Praktisch würde ein Wiederbeginn im Juli bedeuten, dass man wohl bis in den September hinein spielen und sowohl nationale Meisterschaften, als auch die Europacupbewerbe verspätet abschließen müsste. Von Stadionpublikum ist hierbei noch keine Rede, denn in erster Linie geht es um die Erfüllung der TV-Deals, die man sich nicht entgehen lassen kann. Bereits jetzt klagen einige internationale Klubs, dass ihre Daseinsgrundlage wegbricht, was eher mit TV-Töpfen als mit vollen Tribünen zusammenhängt. Der slowakische Klub Zilina meldete bereits Insolvenz an.
Vertragslaufzeiten als organisatorisches Problem
Würde der angepeilte Juli-Termin (der natürlich noch gar kein fixer Termin ist) halten, verschöbe sich auch die kommende Saison 2020/21 massiv. Die Sommerpause wäre praktisch eine Herbstpause, die Transferzeit müsste ebenfalls entweder verschoben oder verlängert werden. Dies wäre natürlich eine organisatorische Herausforderung, da die meisten Verträge traditionell bis 30.Juni laufen. Übergangslösungen wären notwendig, nicht nur wegen der Übertrittszeit, sondern auch weil zahlreiche Spieler über ihr Vertragsende hinaus die Meisterschaften fertig spielen müssten.
Keine Pause bis zur verschobenen EURO
Die neue Saison müsste dann nach einer sehr kurzen spielfreien Zeit und praktisch ohne Saisonvorbereitung verspätet angepfiffen und in Form von sehr intensiven englischen Wochen durchgeboxt werden, um rechtzeitig zur EURO 2021 fertig zu sein. Die Winterpause wäre enorm kurz, in infrastrukturschwachen Ligen müsste man witterungsbedingte Absagen für die Einhaltung eines neuen Rahmenterminplans in Kauf nehmen. Auch in diesen Überlegungen ist weiterhin keine Rede von Stadionpublikum. Den meisten Klubs ist dies momentan egal – es geht hauptsächlich um TV- und Sponsorengeldern.
Wie sehen mögliche Abbruchsszenarien aus?
Dass die Ligen beendet werden müssten, hat aber auch noch andere Gründe, die man derzeit auch in Österreich beobachten kann. Die Bundesliga dachte bereits laut darüber nach, wie die Saison im Falle eines Abbruchs gewertet werden könnte. Das letzte Wort hätte hier der ÖFB-Vorstand und die Verantwortlichen der Landesverbände. Die logischere Wertungsvariante, nämlich, dass man den Grunddurchgang nach 22 Spielen (jeder spielte zweimal gegen jeden) als Grundlage heranzieht, scheint derzeit sogar auf weniger Zustimmung zu stoßen.
Wertung des Endstands der Vorsaison?
Stattdessen sprechen sich einige Klubverantwortliche dafür aus, den Endstand der Vorsaison zu werten, wenn es um die Verteilung der Europacupplätze geht. Dies würde bedeuten, dass Salzburg wieder „Meister“ ist, etwa Rapid aus dem Europacup fällt, die Austria aber mitspielt und auch der Wolfsberger AC fix hineinrutscht. Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek stellte diese Spekulationen gleich wieder ab, weil darüber innerhalb der Liga noch nicht diskutiert wurde. Käme eine solche Konstellation doch zustande, wäre mit massivem Gegenwind sämtlicher Geschädigter zu rechnen.
Ried und St.Pölten meldeten sich bereits zu Wort
Aber auch aus einem anderen Grund muss man alles dafür tun, die Meisterschaften auf eine sichere und vertretbare Weise abzuschließen: Wegen der möglichen Auf- und Absteiger. Auch hier lässt sich Österreich als Beispiel heranziehen. Die SV Ried erklärte bereits, dass sie gegen einen Corona-bedingten Nicht-Aufstieg juristisch vorgehen würde – ebenso wie der SKN St.Pölten erklärte, dass man sich gegen einen Corona-bedingten Abstieg wehren würde. Um diesen unangenehmen, für die Klubs auch existenzbedrohenden Situationen einen Riegel vorzuschieben bedarf des Abschlusses der nationalen Meisterschaften.
Auf- und Abstiegsdiskussion in Österreich „Peanuts“
Österreich ist im weltweiten Fußball-Business hier aber noch das geringere Problem. Heftiger wäre beispielsweise die Situation in England, wo sich derzeit Leeds United und West Bromwich Albion auf Aufstiegskurs in die Premier League befinden. Würde dieser Aufstieg aufgrund der Corona-Krise nicht stattfinden, würde dies einen finanziellen Schaden für diese Klubs bedeuten, der höher ist die Jahresbudgets jedes österreichischen Bundesligisten. Die Klubs gingen für ihre Aufstiegsbemühungen zudem in finanzielle Vorleistungen. Die Situation um den Premier-League-Aufstieg ist also eine Sache von neunstelligen Summen und könnte ebenso wie in anderen Top-Ligen noch zu einem gewaltigen Streitpunkt werden. Grund dafür sind erneut die hochdotierten TV-Deals. Kein Aufstieg der Welt ist mehr wert, als der in die englische Premier League.
Sommerfinish in Rekordzeit und intensive Saison 2020/21?
Vorsichtige Prognose: Die allermeisten nationalen Ligen werden im Laufe des Sommers bzw. bis in den Herbst hinein beendet werden – und das wohl zumeist ohne Zuschauer. Die Folgeprobleme, die bei einem Komplettabbruch der Ligen auftreten würden, wären schlichtweg zu drastisch. Das man daraufhin die nächste Saison in Rekordzeit abspulen müsste, wird man dafür aber in Kauf nehmen müssen. Alleine wenn man die Frequenz der Europacup-Qualifikationsrunden bedenkt, dürfte die Belastbarkeit der kleineren Vereine damit bis zum Äußersten ausgereizt werden.
Weltweite Entscheidungen sicher nicht homogen
Klar ist aber auch, dass es keine einheitliche weltweite Lösung geben wird. Es wird Ligen geben, die die Saison abbrechen und den jeweiligen Verband eine Wertung beschließen lassen. Andere werden ihre Meisterschaften und Pokalbewerbe im Sommer beenden. Und ebenso wenig einheitlich wird der Zeitpunkt des Wiederbeginns der diversen Ligen sein. Es ist anzunehmen, dass mancherorts im Mai wieder gekickt wird – allerdings auf die Gefahr hin, dass diese Entscheidung Mitgrund für eine neuerliche Lockdown-Situation sein könnte, wenn das Virus wieder aufkeimt. Aber wie schon gesagt: Es dreht sich alles um die Kohle…
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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