Nach der durch Covid-19 bedingten wochenlangen Zwangspause, stieg am Sonntag auch Rekordmeister Bayern München wieder in das Liga-Geschehen ein. Dabei reisten die Münchner in... Analyse: Bayern müht sich in Berlin zum Auswärtssieg

Nach der durch Covid-19 bedingten wochenlangen Zwangspause, stieg am Sonntag auch Rekordmeister Bayern München wieder in das Liga-Geschehen ein. Dabei reisten die Münchner in die Hauptstadt zum Aufsteiger Union Berlin mit dem Auftrag, die drei Punkte wieder mitzunehmen. Während der Pause entschieden sich die Verantwortlichen des deutschen Rekordmeisters Trainer Hansi Flick das Vertrauen zu schenken und dessen Vertrag langfristig zu verlängern, weshalb dies Flicks erstes Spiel als klarer Cheftrainer sein sollte. Dabei mussten die Münchner im Titelkampf punktemäßig nachziehen, nachdem die Konkurrenz aus Dortmund und Gladbach am Samstag vorlegte. Mit Union Berlin traf man allerdings auf keinen einfachen Gegner, schlug der Aufsteiger doch unter anderem bereits Teams wie Dortmund in heimischen Gefilden und spielt bislang keine schlechte Saison.

Overlyzer – Live-Coverage aus über 800 Ligen und Bewerben!

Union präsentiert sich mit einem flexiblen Konzept

Die Bayern präsentierten sich unter der Ägide von Trainer Flick in verschiedenen Aspekten wesentlich verbessert und legten nicht umsonst eine gute Serie hin. Vor allem das Ballbesitzspiel wurde unter Flick wesentlich strukturierter und ausgewogener, was unter Vorgänger Kovac nicht wirklich der Fall war. Der absurd anmutende Flankenfokus ist nun Geschichte, weshalb auch das Spiel der Münchner balancierter wurde. Spieler wie Thomas Müller fanden wieder ihre Rolle im Team und wurden besser in das eigene Spiel eingebunden. Systematisch setzt Flick weiter auf ein 4-2-3-1/4-3-3, was sich auch im Auswärtsspiel bei Union Berlin nicht veränderte. Personell gab es bei den Münchnern keine Überraschung, da sich Flügelflitzer Coman erst allmählich von einer Verletzung erholte.

Auf der anderen Seite musste Aufsteiger Union Berlin auf Trainer Urs Fischer verzichten, der aufgrund eines Trauerfalls nicht dabei sein konnte. Unter Fischer präsentiert sich der Aufsteiger bislang mehr als nur konkurrenzfähig und man sammelte in 26 Spielen ordentliche 30 Punkte, womit man einen Vorsprung von sieben Zähler auf den Relegationsplatz vorzuweisen hat. Die Berliner überzeugen in dieser Saison mit einer gut gestaffelten Defensivordnung, wodurch sie durch ihre Kompaktheit dem Gegner das Leben äußerst schwer machen können. Das mussten bereits hochdekorierte Mannschaften wie Borussia Dortmund erleben, die gegen die Berliner den Kürzeren zogen. Und nun kam mit Bayern eine ähnlich dominante Mannschaft an die Alte Försterei. Was überlegten sich die Hauptstädter gegen den scheinbar übermächtigen Gegner?

Von der Grundordnung blieb man beim bekannten 5-4-1/3-4-3 System, welches einen klaren Fokus auf die defensive Stabilität legt. Das ist gegen die offensivstarke Truppe von Rekordmeister Bayern natürlich mehr als vonnöten, sofern man einen Punktegewinn einfahren möchte. Also musste dementsprechend ein guter Matchplan her, um den angriffslustigen Gästen den Zahn zu ziehen. Dabei legten die Gastgeber den Fokus darauf, bereits den Spielaufbau der Münchner gut zuzustellen. Die Pressinglinie verlegte man zwar hinter die Mittelauflage, allerdings wollte man durch ein gutes defensives Positionsspiel die wichtigen Räume verschließen. Grundsätzlich stand man dabei in einem kompakten 5-4-1 System, bei dem der Fokus darauf gelegt wurde die Abstände kurz zu halten und einen kompakten Block zu formen. In dieser Grundhaltung orientierten sich die beiden eigenen Sechser auf die gegnerischen Sechser, während sich die Rollen der beiden Außenstürmer zwischen ballnähe und ballferne unterscheideten. Ballnah rückte der Außenstürmer auf den zweiten Innenverteidiger immer wieder ein, während der ballferne Stürmer auf einer Höhe mit den beiden Sechsern verblieb. Die defensive Grundordnung kann man beim nächsten Bild gut erkennen:

Die defensive Ordnung von Union Berlin und das kompakte 5-4-1 System sind hier gut zu erkennen. Die beiden Sechser orientieren sich dabei auf ihre direkten Gegenspieler (gelber Strich).

Der Schlüssel für die Berliner war dabei sichtlich, die beiden Sechser der Bayern unter Kontrolle zu bringen. Daher wurden sie auch oft in eine direkte Manndeckung genommen, damit sie nicht das Spiel in Ruhe gestalten konnten. Interessant war dabei vor allem, dass Union Berlin auch auf die verschiedenen Aufbauformationen der Bayern entsprechend reagierte. Kippte etwa einer der beiden Bayern-Sechser nach hinten ab, stellte man prompt auf eine 5-2-3 Formation um. Man passte sich den neuen Umständen an, um aus einer passenden Struktur weiterhin guten Zugriff zu erlangen und die Balance beizubehalten. Diese Vorgehensweise ist auch beim nächsten Bild ersichtlich:

Der Sechser der Bayern kippt zwischen die beiden Innenverteidiger ab und Union Berlin reagiert prompt darauf, indem der Dreieraufbau der Gäste direkt zugestellt wird und die beiden Flügelstürmer ins Zentrum einrücken, um die beiden Innenverteidiger abzudecken.

Doch nicht nur der Spielaufbau sollte mit diesen Kniffen erschwert werden, auch die letzte Linie der Berliner agierte durchaus mutig. Die Halbverteidiger waren angewiesen, sehr aufmerksam die Halbräume im Blick zu behalten, damit die Bayern nicht aus dem Spielaufbau heraus mit einem Pass simpel in den Zwischenlinienraum kamen. Daher stachen die beiden Halbverteidiger immer wieder ins Mittelfeld nach vorne und verließen ihre Positionen, um ihre Gegenspieler zu stellen und nicht aufdrehen zu lassen. Gewiss war dies nicht ohne Risiko, öffnete man dadurch Räume im Rücken. Daher war die Restverteidigung gefragt, für eine passende Absicherung zu sorgen und entsprechend zusammenzurücken, was die Hauptstädter auch diszipliniert taten.

Durch diese Defensivtaktik fand Union auch recht gut in das Spiel und bekam einen guten Zugriff auf den Gegner. Die Bayern taten sich zunächst schwer, geordnet nach vorne zu kommen und Lücken in der Defensive zu finden. Doch auch Offensiv setzten die Berliner immer wieder Nadelstiche und kamen sogar zu Chancen. Nach Ballgewinn versuchten die Gastgeber Stoßstürmer Ujah meist mit langen Bällen zu bedienen, der diese sichern oder in die Tiefe starten sollte. So wollte man die hohe Abwehrlinie der Bayern aushebeln, die bekanntlich gerne auf Abseits spielt. In einer Szene hebelte Union auch so die Abseitsfalle der Bayern aus und Ujah kam in eine aussichtsreiche Abschlusssituation, die er etwas leichtfertig vergab.

Sechser der Bayern holen die Kontrolle zurück

Die Bayern brauchten eine gute Viertelstunde, um langsam in den gewohnten Rhythmus zu kommen. Die Fehlerquote wurde minimiert und man hielt das Spielgerät nun länger in den eigenen Reihen, was vor allem an Thiago und Kimmich lag. Die beiden Sechser konnten sich im Wechselspiel mit Goretzka öfter freischieben und den Ball nach vorne tragen, wodurch das Offensivspiel an mehr Struktur gelangte. Auch die Außenverteidiger wurden wesentlich mutiger und vor allem Pavard rückte weiter nach vorne, wodurch sich Rechtsaußen Müller etwas freier bewegen konnte. Allgemein waren die diagonalen Laufwege der beiden Außenverteidiger ausschlaggebend dafür, dass man flüssiger nach vorne kam und mehr Räume kreierte bzw. diese besser besetzte. In Kombination mit den in die Halbräume fallenden Lewandowski und Goretzka, baute man so immer wieder gute Dreiecke auf, wodurch die Ballzirkulation an Schwung gewann. So startete das Angriffsmuster der Münchner meist von der Außenbahn und ging dann mit viel Direktheit ins Zentrum, wo man mit wenigen Kontakten in den Strafraum dringen konnte. Die gute Struktur der Münchner kann man beim nächsten Bild auch erkennen:

Das Positionsspiel und die Struktur der Münchner ist hier gut zu sehen: Auf der linken Seite versucht man mit einem Quartett für eine Überladung zu sorgen und den Gegner anzulocken, während ballfern Müller Breite gibt und auf den Seitenwechsel lauert – der dann auch kommt.

So schraubten die Münchner ihre Ballbesitzzeiten merklich nach oben und drückten den Gegner immer weiter nach hinten. Doch trotz dieser statistischen Überlegenheit, so richtig in Torchancen konnte man diese Dominanz nicht wirklich ausspielen. Zwar ließ man dank des eigenen guten Gegenpressings kaum Angriffe zu, allerdings war vor dem gegnerischen Strafraum ebenfalls meist Endstation und die Hauptstädter konnten die Angriffsversuche gut verteidigen. Umso bitterer war es dann für Union Berlin, dass man trotz der Harmlosigkeit des deutschen Rekordmeisters in Rückstand geriet. Innenverteidiger Subotic verursachte einen unnötigen Strafstoß und Stürmerstar Lewandowski ließ sich nicht zweimal bitten und verwandelte den Elfmeter zur 1:0 Führung, was auch der Halbzeitstand war.

Ergebnis bleibt knapp, Spiel nicht so wirklich

Nach dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit kamen die beiden Mannschaften mit dem gleichen Personal zurück auf das Feld. Doch obwohl dasselbe Personal zurückkehrte, änderte sich das Spielgeschehen doch merklich. Die Bayern wirkten nun durch die Führung noch gefestigter und selbstsicherer, was man vor allem in der Ballzirkulation sehen konnte. Das Spielgerät lief flüssig zwischen den Positionen und man ließ den Ball und Gegner laufen. Dabei waren nicht nur das flexible Positionsspiel mit den vielen Rochaden beeindruckend, sondern auch die diagonalen Angriffsmuster, die man sichtlich einstudiert hat. Immer wieder fand man über die Außenverteidiger den diagonalen Weg ins Zentrum, wo man dann versuchte, mit wenigen Kontakten für Durchbrüche zu sorgen. Das kann man beim nächsten Bild auch ungefähr erkennen:

Bayern mit einem oft genutzten Angriffsmuster: Außenverteidiger Pavard bedient mit einem diagonalen Pass die im Zentrum postierten Mitspieler. Müller und Goretzka spielen im Anschluss einen Doppelpass und Goretzka schießt im Anschluss nur knapp am Kasten vorbei.

Auch das Gegenpressing funktionierte weiterhin prächtig, weshalb man kaum Konterangriffe des Gegners zuließ. Und was war mit Union? Nun ja, man veränderte trotz des Rückstandes die Marschrichtung gar nicht und zog den eigenen Matchplan weiterhin durch – obwohl dieser die Bayern nicht mehr wirklich eindämmen konnte. Weiterhin verteidigte man tief in einem 5-4-1 und wenn man situativ mal nach vorne rückte, gelang es den Münchnern dennoch sich zu befreien.

So strichen die Minuten vorüber und die Bayern kamen immer wieder gefährlich vor das Tor und drückten auf die Entscheidung. Union wechselte zwar nochmal doppelt, doch wurde nicht wirklich offensiver und tauschte nur positionsgetreu. So kam was kommen musste und die Bayern setzten in der 80. Minute mit dem Kopfballtor des starken Pavard den Deckel auf diese Partie drauf.

Fazit

Man merkte zu Beginn den Bayern die lange Pause doch etwas an, denn man brauchte etwas, um in das gewohnte Spiel und den eigenen Rhythmus zu finden. Union machte es zunächst auch gut und konnte die Gäste gut vom Strafraum fernhalten, was die gesamte erste Halbzeit eigentlich der Fall war. Jedoch reichte ein Fehler aus, welcher bitter bestraft wurde und den haushohen Favoriten in Front brachte.

Im zweiten Durchgang ließen die Bayern dann ihre Muskeln spielen und zeigten eine dominante Vorstellung, wo man jegliche Spielphasen beherrschte und die Kontrolle innehatte. Man verabsäumte es lange Zeit für die Entscheidung zu sorgen, dennoch war der Sieg letztlich nie in Gefahr. Union zeigte insgesamt zu wenig Flexibilität und hielt letztlich zu lange an dem eigenen Matchplan fest. So war es ein verdienter Erfolg der Bayern und ein guter Start in den Titelkampf.

Dalibor Babic