Der 27.Spieltag der deutschen Bundesliga stand auf dem Programm und damit das zweite Spiel nach der COVID-19-bedingten Spielpause. Nach dem geglückten Auftakt im... Analyse: Glasners Wolfsburger bringen BVB ins Wanken, aber nicht zu Fall

 

Der 27.Spieltag der deutschen Bundesliga stand auf dem Programm und damit das zweite Spiel nach der COVID-19-bedingten Spielpause. Nach dem geglückten Auftakt im großen Revierderby, musste Borussia Dortmund die Auswärtsreise nach Niedersachen zum VfL Wolfsburg antreten. Dabei ging es für die Borussen darum, eine gelungene Generalprobe vor dem Kracher gegen die Bayern hinzulegen und im Duell um die Tabellenspitze vorzulegen. Die von Oliver Glasner trainierten Wolfsburger legten zum Start ebenfalls einen guten Auftritt hin und entführten mit einem 2:1 Auswärtssieg drei Punkte aus Augsburg. Nun kam mit dem BVB klarerweise ein anderes Kaliber angereist und die Wolfsburger wollten endlich zeigen, dass sich auch gegen die „Großen“ der Liga bestehen können.

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Gut organisierte Wolfsburger bereiten BVB Probleme

Borussia Dortmund legte wie erwähnt am vergangenen Wochenende gegen Schalke 04 eine gute Performance hin und siegte völlig verdient vor leeren Rängen mit 4:0. Vor allem die fluide Offensive der Westfalen wusste dabei zu überzeugen und überforderte die Defensive des Gegners ein ums andere Mal. Speziell Julian Brandt trumpfte dabei in seiner Rolle als „Freigeist“ auf und zog nicht nur das Spiel an sich, sondern auch die Fäden. Klarerweise gab es daher für Trainer Lucien Favre wenig Grund Veränderungen vorzunehmen und daher nahm auch in diesem Spiel Topscorer Jadon Sancho vorerst auf der Bank Platz. Gegnerspezifische Anpassungen mussten klarerweise dennoch gemacht werden, da die Wolfsburger nicht wie Schalke auf eine Fünferkette setzen. Das wird die Österreich-Kenner vermutlich überraschen, war dies doch eines der Erfolgsrezepte von Oliver Glasner beim LASK.

Doch das zeigt, dass Glasner nicht stur sein System durchziehen will, sondern seine Ideen ans vorhandenen Personal anpassen möchte. Das scheint dem Österreicher auch zu gelingen, denn die Wolfsburger spielen in der Liga eine gute Rolle und sind im Rennen um das internationale Geschäft sehr gut dabei. Nun waren die Qualitäten von Trainer Glasner natürlich noch mehr gefordert, um die geballte Offensivwucht der Dortmunder einzudämmen. Dabei behielt der Trainer der Wolfsburger das Grundsystem bei und die Gastgeber liefen in einem klaren 4-4-2 auf, in dem unter anderem alte Bekannte wie Marin Pongracic und Nationalteamspieler Xaver Schlager ihren Platz hatten. Was überlegte sich also Oliver Glasner gegen die Dortmunder?

Zunächst einmal war es auffallend, dass die Wolfsburger auf konsequentes Angriffspressing verzichteten und eher etwas abwartender und mit einem tieferen Mittelfeldpressing agierten. Der Fokus lag dabei darin, eine extrem kompakte Formation zu bilden, um die Räume zum Spielen zu verengen und den Gegner von den als relevant definierten Zonen fernzuhalten. Die kompakte 4-4-2-Grundordnung der Wolfsburger kann man im nächsten Bild gut erkennen:

Dortmund im Spielaufbau, die Wolfsburger empfangen den Gegner aus einer 4-4-2-Formation heraus, die den Fokus auf die Kompaktheit und kurze Abstände zueinander rückt.

Für Wolfsburg war der relevanteste Raum dabei ganz klar das Zentrum, wo man den Zwischenlinienraum unbedingt unter Kontrolle bringen wollte, damit Spieler wie Brandt oder Hazard nicht ihre Kreativität zur Entfaltung bringen konnten. Doch auch eine Etappe weiter vorne wollten die Gastgeber die Kontrolle über das Zentrum erlangen, da es natürlich auch wichtig war, den gegnerischen Spielaufbau entsprechend zu erschweren. Die Wolfsburger mussten durch die eigene zurückhaltende Haltung im Pressing und den Fokus des BVB auf den Ballbesitz natürlich davon ausgehen, viel in der Defensive beschäftigt zu sein. Um den Gegner nicht in den Rhythmus kommen zu lassen, wollte man dabei vor allem den Sechserraum der Dortmunder abmontieren. Der BVB baut nämlich strategisch das Spiel gerne über die Sechserposition auf, verfügt man doch auf dieser Position über exzellente Spieler wie Can oder Witsel, weshalb auch die Angriffsmuster oft ihren Ursprung aus dieser Region haben.

Zwar musste der BVB auf die beiden Sechser verzichten, doch gerade Dahoud verfügt über die Qualitäten, das Spiel aus der Tiefe heraus aufzuziehen. Demnach wollten die Wolfsburger dieses beliebte Aufbaumuster unterbinden und die Gäste aus dem Zentrum drängen. Das wollte man so bewerkstelligen, indem man schlicht einen „Käfig“ um die beiden Sechser errichtete.

Die beiden Stürmer Ginczek und Weghorst ließen in erster Linie die aufbauende Dreierkette der Borussen in Ruhe und orientierten sich an den beiden Sechsern Delaney und Dahoud, die unter Einsatz des Deckungsschattens zugestellt werden sollten. Ergänzend dazu orientierten sich aber auch die beiden eigenen Sechser der Wolfsburger, Arnold und Schlager, an die gegnerischen Kontrahenten, wodurch ein „Käfig“ gebildet wurde, was man beim nächsten Bild gut erkennen kann:

Das Konzept des VfL gegen den gegnerischen Spielaufbau: Die beiden Sechser und Stürmer besetzen das Zentrum und orientieren sich an den Sechsern des BVB, wodurch de facto ein „Käfig“ entsteht.

Freigeist Brandt und dessen entzogene Freiheit

Diese strategische Vorgehensweise der Wolfsburger hatte den klaren Fokus, nicht nur den BVB aus dem Zentrum zu bekommen, sondern in weiterer Folge auf den Flügel zu locken. Sobald dies gelang, schob man sehr ballorientiert nach und versuchte, die Räume so eng wie möglich zu halten. De facto rückte man dadurch mit der gesamten Mannschaft auf die ballnahe Hälfte, wodurch den Dortmundern wenige Möglichkeiten geboten wurden, sich mit ihrem Kombinationsspiel durchzuspielen und man in weiterer Folge für Ballgewinne sorgen wollte. Dieses Vorhaben klappte auch einige Male recht gut und man zwang durch die extreme Enge die Gäste zu Ballverlusten, wodurch der Rhythmus der Schwarz-Gelben merklich gestört wurde. Doch es gab noch einen wichtigen Aspekt im Defensivkonzept der Wolfsburger, der mit der Person Julian Brandt zusammenhing.

Durch die neue Rolle von Brandt beim BVB kann dieser seine Kreativität in vollen Zügen ausspielen und bekommt durch die Aufgabe als Freigeist die Freiheit, sich überall auf dem Platz aufhalten zu dürfen. Dadurch soll er als Kombinationspartner bereitgestellt werden, was vor allem der Dreiecksbildung des BVB zugutekommen soll.

Darauf bereitete sich der VfL explizit vor und rückte den Fokus vermehrt auf Brandt. Hielt der sich in etwa auf seiner angestammten Position auf dem linken Flügel auf, bekam er mit Rechtsverteidiger Mbabu einen Manndecker zur Seite gestellt, wie man beim vorherigen Bild (gelber Strich) auch gut erahnen kann. Mbabu verließ öfter seine Position und verfolgte Brandt der rechten Seite und in den Halbraum, um zu verhindern, dass dieser sich freischieben konnte und man ihn aus den Augen verlor.

Nun könnte man natürlich meinen, als Freigeist kann sich Brandt dieser Manndeckung entziehen und einfach in Richtung andere Seite ausweichen. Das tat der Kreativspieler auch und versuchte (wie bereits gegen Schalke) im Verbund mit Hazard auf rechts Überzahlsituationen herzustellen und für eine „Überladung“ des Raumes zu sorgen. Doch auch darauf stellte Trainer Glasner seine Mannen ein und sorgte damit auf mehreren Ebenen für einen kohärenten Matchplan. Sobald Brandt nämlich auf den rechten Flügel auswich, eilten zum Teil gleich vier (!) Spieler auf den Flügel, um diesen Überladungsversuch zu kontern und nicht zuzulassen, dass der BVB eine Überzahl generiert. Diese Praxis kann man am nächsten Bild gut erkennen:

BVB in Ballbesitz, Brandt ist auf die andere Seite gewechselt und versucht eine Überzahlsituation mittels Dreiecksbildung herzustellen um die Struktur des VfL zu destabilisieren. Doch dieser ist darauf vorbereitet und vier Spieler stellen sich Brandt entgegen, weshalb selbst Stürmer Weghorst nahe des eigenen Strafraums verteidigt.

Der gute Matchplan von Oliver Glasner und Wolfsburg wirkte sich auf das Spiel aus und dementsprechend schwer taten sich die offensivstarken Dortmunder. Man kam zwar zeitweise auf einen Ballbesitzanteil von über 70 Prozent, doch dieser bestand in erster Linie aus Pässen in die Breite oder nach hinten, selten konnte man mit vertikalen Pässen die Linien der Wolfsburger durchbrechen. Und selbst wenn es mal gelang, über die vielen Spielverlagerungen etwas zügiger nach vorne zu kommen, beeindruckten die Wolfsburger mit ihrer raschen Reorganisation und schlossen prompt die entstandenen Lücken.

So passierte in der ersten halben Stunde nahezu nichts auf beiden Seiten und das Spiel plätscherte so vor sich hin. Das lag auch daran, dass der VfL mit den Ballgewinnen in der Offensive wenig bis gar nichts anfangen konnte. In der Sturmspitze probierte Trainer Glasner mit Weghorst und Ginczek zwei „Brecher“ aufzubieten, die mit ihrer körperlichen Präsenz den Ball sichern und Flankenbälle der Flügelspieler verwerten sollten. Doch dazu kam es kaum, denn einerseits mangelte es an optimalen Flanken, andererseits verloren die beiden Angreifer recht einfach die Bälle gegen die aufmerksamen Verteidiger der Borussen, die immer wieder die Zuspiele antizipierten und aus ihren Positionen nach vorne stachen. Daher kamen auch die Wolfsburger in der Offensive kaum nach vorne und zeigten sich ungefährlich.

Für den VfL Wolfsburg ist dies wesentlich kritischer als für die Dortmunder, denn die Gäste verfügen über Personal, das aus dem Nichts Torchancen kreieren kann. Das demonstrierten die Gäste auch prompt und gingen eher plötzlich in Führung. Brandt startete einen weiteren Überladungsversuch auf der rechten Seite, der diesmal gelang, da Hakimi und Hazard passend ihre Laufwege kreuzten und Brandt Innenverteidiger Brooks aus seiner Position ziehen konnte. Anschließend bediente Hazard den aufgerückten Guerreiro und dieser traf zur 1:0-Führung der Dortmunder. In dieser Szene zeigten die Gäste einfach ihre Klasse, denn obwohl der VfL darauf vorbereitet war, blieb die Ausführung zu gut, um dies zu unterbinden. Das war dann auch der Halbzeitstand.

Wolfsburg wird aktiver und will den Ausgleich

Zum Start der zweiten Halbzeit änderte Wolfsburg-Trainer Glasner trotz des Rückstandes noch nichts und vertraute auf die gleiche Elf, die es richten und den Ausgleich besorgen sollte. Von der Spielanlage her wollte man nun etwas aktiver und offensiver auftreten, denn klarerweise konnte man 70 Prozent Ballbesitz für einen Gegner trotz eines Rückstandes nicht zulassen. Dementsprechend pressten die Wolfsburger nun etwas aktiver und veränderten öfter den Rhythmus, wobei man vor allem versuchte, den Ball länger in den eigenen Reihen zu halten. Das gelang auch, da Borussia Dortmund mit der Führung im Rücken von ihrem 5-2-3/3-4-3 öfter in ein passives 5-4-1 zurückfiel und die Gastgeber kommen ließ. Dadurch veränderten sich auch die Ballbesitzzeiten, der Vorsprung der Gäste war nun wesentlich knapper und das Spiel damit ausgeglichener.

Und nach wenigen Minuten wären die Wolfsburger beinahe für die aktivere Herangehensweise belohnt worden. Einmal klappte der Plan mit den zwei physisch präsenten Angreifern und sie brachten das Spielgerät zum durchbrechenden Steffen, der alleine vor dem Torhüter an der Latte scheiterte. Auch danach blieben die Niedersachsen am Drücker und versuchten, Gefahr zu entwickeln. Doch die beiden Angreifer in der Spitze harmonierten überhaupt nicht miteinander und es fehlte schlicht an Kreativität und Ideen im letzten Drittel. Man war zu eindimensional und versuchte konsequent mit zwei Pärchen auf den Außen für Flügeldurchbrüche zu sorgen.

Doch auf diese war der BVB bestens vorbereitet und stellte die Angriffe konsequent zu. Wolfsburg-Trainer Glasner blieb das nicht verbogen und so versuchte der Österreicher mit einem Doppelwechsel für Schwung in der Offensive zu sorgen. Doch das klappte nicht so wirklich und mit Fortdauer stieg die Frequenz der Konter- und Entlastungsangriffe der Dortmunder merklich.

Einen davon verwertete Hakimi nach einem sehenswerten Kombinationsspiel und erzielte das 2:0, womit letztlich die Entscheidung fiel, da auch der Wolfsburger Klaus kurze Zeit später aufgrund eines harten Platzverweises vom Feld flog.

Fazit

Die von Oliver Glasner trainierten Wolfsburger zeigten in dieser Partie an und für sich eine gute Leistung, in der man vor allem mit einer guten Organisation und einem stimmigen Matchplan punktete. Durch das konsequente Decken von Brandt und den kompakten Block ließ man recht wenig zu und stand in der Defensive stabil. Letztlich zeigte der BVB jedoch in wenigen Szenen seine individuelle Klasse und dies machte schließlich auch den Unterschied aus. Auf der anderen Seite fehlte diese individuelle Qualität den Wolfsburgern in der Offensive und aus den wenigen Möglichkeiten machte man letztlich auch zu wenig, um für einen Punktegewinn zu sorgen.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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