In der deutschen Bundesliga rollt nach einer kurzen Winterpause die Kugel wieder. Das erste Topspiel fand dabei zwischen RB Leipzig und Schalke 04 statt.... Analyse: Leipzig rauscht an Schalke vorbei

In der deutschen Bundesliga rollt nach einer kurzen Winterpause die Kugel wieder. Das erste Topspiel fand dabei zwischen RB Leipzig und Schalke 04 statt. Rein von der Ausgangslage her schon eine interessante Begegnung: Leipzig wollte nach vier sieglosen Spieler hintereinander wieder die eigene RB-Identität finden und mit einem Sieg die Schalker in der Tabelle überholen, die Mannschaft von Domenico Tedesco hingegen den eigenen Erfolgslauf fortsetzen und erster „Bayern-Verfolger“ bleiben.

Aus strategisch-taktischer Sicht hatte das Topspiel ebenfalls einige interessante Facetten zu bieten. Vor allem Ralph Hasenhüttl dürfte  mit veränderter Grundordnung und Pressingstruktur seinen Gegenüber etwas überrascht haben, die mit der übertragenen Spielkontrolle nicht allzu viel anstellen konnten. Eine Analyse.

Grundordnungen und Personal

Auf der Suche nach der neuen, alten RB-Identität vertraute Ralph Hasenhüttl systemtechnisch nicht dem gewohnten 4-2-2-2, sondern griff auf eine 4-1-4-1 Grundordnung zurück, die auch in der Hinrunde bereits ein paar Mal zum Einsatz kam. Wie wir später noch sehen werden, ging mit dieser Grundordnung zwar etwas die Intensität in der ersten Pressinglinie verloren (was auch so gewollt war), dafür stabilisierte man aber das Zentrum und die Räume vor der Abwehr innerhalb des eigenen Blocks.

Auch personell konnte Hasenhüttl noch nicht aus dem Vollen schöpfen, setzte auf jene Spieler, welche die Vorbereitung komplett absolvieren konnten. Positiv aus österreichischer Sicht war, dass Konrad Laimer als rechter Außenverteidiger zum Einsatz kam. Die Viererkette wurde komplettiert von den beiden Innenverteidigern Orban und Upamecano sowie dem linken Außenverteidiger Bernardo.

Die alleinige Sechserposition vor der Abwehr bekleidete Diego Demme. Vor bzw. neben ihm besetzten Keita und Kampl die Achterpositionen. Sabitzer und Bruma kamen auf den Flügelpositionen zum Zug, während Augustin die alleinige Sturmspitze gab.

Domenico Tedesco hingegen vertraute auch im Spiel gegen Leipzig auf seine 5-3-2 Grundordnung, die sich im Laufe des Herbsts immer mehr bewährt hatte.

Vor Torhüter Fährmann setzte sich das zentrale Verteidigungstrio wieder aus Nastasic und Stambouli auf den Halbpositionen sowie Naldo als zentralen Punkt der Dreierkette zusammen. Flankiert und im Spiel gegen den Ball aufgefüllt wurden die drei von den beiden Wing-Backs Oczipka auf links und Caligiuri auf der rechten Seite. Meyer gab wie gewohnt in seiner „neuen“ Rolle den Sechser, auf den beiden Halbpositionen im Mittelfeld setzte Tedesco auf Harit und ÖFB-Teamspieler Schöpf. Die Sturmlinie der Königsblauen bestand ebenfalls wie gewohnt aus Guido Burgstaller und Franco di Santo.

Schalke in der Gestaltungspflicht

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, war die Grundstruktur und –dynamik des Spiels doch etwas überraschend. RB Leipzig konzentrierte sich im Spiel gegen den Ball relativ konsequent auf ein stabiles Mittelfeldpressing und ließ das Aufbauspiel der Schalker in deren ersten Drittel zu. Ein aktives Angriffspressing, welches man von RB ja gewohnt ist, gab es wenn nur sehr vereinzelt und situativ zu sehen, dann aber mit den nötigen Mechanismen und Druckkomponenten.

Bedingt durch das tiefere Pressing der Leipziger hatten die drei Aufbauspieler der Schalker relativ viel Zeit für den Spielaufbau, mit der sie allerdings nicht viel anfangen wussten.
Quintessenz des Leipziger Matchplans war, dass sie die „Last“ des Spielaufbaus und der Spielgestaltung den Schalkern übertrugen, die diese vor allem in der ersten Halbzeit zwar annahmen, aber de facto überhaupt nichts daraus machen konnten. Gegen Ende der ersten Halbzeit war in Ansätzen bereits zu erkennen, dass Leipzig mit dieser proaktiven Ausrichtung die gefährlichere und durchschlagskräftigere Mannschaft war.

Deshalb ergab sich über weite Strecken der ersten Halbzeit folgendes Bild:

Wie in der Grafik zu sehen, konnten Stambouli, Naldo und Nastasic ruhig das Spiel von hinten aufbauen, allerdings fehlten ihnen die Optionen in die Tiefe. Zwar konnten sie sich gegenseitig den Ball horizontal zuschieben und Ballkontakte sammeln, allerdings fehlten im Spiel der Schalker die Bewegungen und Optionen in den vorderen Dritteln, um aus diesem kontrollierten Ballbesitz Momente der Desorganisation im Leipziger Abwehrblock zu verursachen und so zu Torchancen zu kommen. Stattdessen wurde häufig viel zu früh der riskante Ball ins Zentrum auf Pressingopfer Meyer gespielt, der während der Ballannahme sofort von den beiden Achtern Keita und Kampl unter Druck gesetzt wurde und so eigentlich nie den weiteren Angriffsverlauf strukturieren konnte, stattdessen resultierten daraus gefährliche Ballverluste ohne der Möglichkeit, ins Gegenpressing zu gehen. Für Schalke-Trainer Tedesco war dies auch der Hauptgrund für die Niederlage.

Die Leipziger hingegen, so schien es zumindest, fühlten sich in der eigenen Ausrichtung immer wohler. Sie verschoben gut, hielten die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen kompakt und machten ansonsten im Pressing eigentlich nicht allzu viel. Das allein reichte aber schon, um die Schalker Aufbau- und Angriffsversuche zu balancieren. Gelegentlich schauten dadurch sogar gute Umschaltmomente heraus, nachdem der Ball im Zentrum durch Keita oder Kampl erobert werden konnte (wobei erobern vielleicht sogar etwas übertrieben ist).

Die alleinige Sturmspitze Augustin erledigte dabei seine Aufgabe im Spiel gegen den Ball gut und sauber. Er war logischerweise nicht auf Balleroberung und Gegnersteuerung aus, was aufgrund der Unterzahl in der vordersten Linie auch nicht wirklich erfolgsversprechend gewesen wäre, stattdessen orientierte er sich immer wieder geschickt am Ball und gleichzeitig an der Position von Max Meyer und nahm diesen dank guter Winkel immer wieder in seinen Deckungsschatten. Das Anlaufverhalten von Augustin passte dadurch gut zur grundsätzlichen Ausrichtung der Mannschaft im Spiel gegen den Ball und war dazu noch effizient und ökonomisch.

Auch die beiden Achter Keita und Kampl könnte man explizit erwähnen, wenn man von der Stabilität der Leipziger im Pressing spricht. Einerseits positionierten sie sich immer wieder gut in den Halbräumen vor den Schalker Halbverteidigern, wodurch Pässe in den „offenen“ Zwischenlinienraum neben Sechser Demme praktisch nicht möglich waren. Andererseits verteidigten sie immer wieder gut nach vorne und ließen Max Meyer im Sechserraum überhaupt keine Zeit zum Aufdrehen und zu einer geordneten Spielfortsetzung. Balleroberungen in diesen Zonen sollten schlussendlich auch das Spiel zugunsten der Leipziger entscheiden.

Zu viele unforced errors auf Seiten der Schalker

Ein kleiner Ausflug in die Tennissprache beschreibt das Passspiel der Schalker ziemlich gut. Mit Fortdauer des Spiels schlichen sich ins Spiel der Königsblauen immer mehr leichte, vermeidbare Abspielfehler ein, die nicht unbedingt durch das gegnerische Pressingverhalten erzwungen wurden. Klar, Leipzig wartete nur auf diese Bälle ins Zentrum, um aggressiv den ballführenden Spieler (in der Regel war es Meyer) von mehreren Seiten unter Druck zu setzen. Trotzdem wäre es in einigen Situationen mit einem genaueren Passspiel möglich gewesen, diese Drucksituationen der Leipziger aufzulösen.

Domenico Tedesco und seine Schalker hatten ursprünglich aber einen anderen Matchplan. Sie wollten erst gar nicht durch diese fragilen Zonen spielen, sondern die eigenen Angriffe vielmehr über die Flügel vortragen. Dort nämlich sind Ballverluste nicht so gefährlich wie im Zentrum und den Halbräumen, auch weil ein Gegenpressing aufgrund der Nähe zum eigenen Tor und der fehlenden Absicherung häufig nicht möglich ist.

„Wir hatten für heute einen klaren Plan, haben uns aber in ganz wenigen Phasen daran gehalten. Der Sieg war deswegen hochverdient. Einiges ist heute einfach nicht gut gelaufen. Wir haben vor allem viel zu viele Ballverluste im Zentrum gehabt, obwohl wir wussten, dass Leipzig immer sehr hoch presst und genau auf Balleroberungen dort lauert.“
Domenico Tedesco über die Gründe der Niederlage –

Durchschlagskräftige und strukturierte Flügelangriffe gab es deshalb von den Königsblauen äußerst selten zu sehen. In ein paar wenigen Situationen hat man aber gesehen, dass diese durchaus zum Erfolg hätten führen können. Hauptsächlich Achter Harit initiierte mit seinen ausweichenden Bewegungen diese Angriffsmuster. Untenstehend eine exemplarische Szene aus der ersten Halbzeit:

Nastasic führt in der linken Halbspur den Ball und dribbelt mit jenen nach vorne an. Durch dieses Andribbeln zwingt er Sabitzer zu einer Aktion und lockt ihn etwas aus seiner Position heraus. Sabitzer musste dabei aufpassen, dass er sich nicht zu weit auf den Flügel fallen ließ und dadurch den vertikalen Passweg für Nastasic in den Halbraum öffnete. Durch diese Konstellation war für Nastasic der Pass auf Harit meist möglich, der in weiterer Folge einen etwas größeren Raum vorfand. Diesen Freiraum schuf vor allem Oczipka, der weit nach vorne schob und so den rechten Außenverteidiger der Leipziger band, der deshalb seine tiefe Position halten musste und nicht aggressiv auf Harit vorschieben konnte.

Dies wäre eine relativ simple, aber durchschlagskräftige und gut abgesicherte Angriffsvariante gewesen, allerdings sah man solche Mechanismen leider viel zu selten. Stattdessen wurden immer mehr Bälle durch das Zentrum gespielt und gleichzeitig immer mehr davon verloren.

Interessante Leipziger Pressingvariante gegen Schalkes Aufbaustruktur

Es wäre aber nicht Leipzig, wenn sie uns auch in einem solchen Spiel nicht zumindest eine interessante Angriffspressingvariante zeigen würden. So auch gegen die Schalker Aufbaustruktur mit deren Dreierkette in der ersten Aufbaulinie. Das moderatere Mittelfeldpressing in der 4-1-4-1 Ordnung haben wir bereits ausführlich erläutert, trotzdem gab es auch gegen die Schalker situativ hie und da Momente, in denen auf ein aktives Angriffspressing umgestellt wurde. Dabei passte Hasenhüttl die Bewegungen gut an die Aufbaustruktur der Königsblauen an, wodurch schnell eine konkrete Zuordnung hergestellt werden konnte und der Druck hoch gehalten wurde. Dadurch wirkten die Bullen auch in diesen Sequenzen durchaus stabil und griffig.

Gleiche Aufbausituation wie zuvor, nur mit dem Unterschied, dass Sabitzer Nastasic unter Druck setzt und nicht umgekehrt. Dafür rückte er eine Linie nach vorne und stellte so zusammen mit Augustin und Bruma ein recht klares 4-3-3 her. Laimer rückte in diesen Situationen ebenfalls nach vorne und stellte den Zugriff auf Oczipka her. Dadurch konnte der Druck hochgehalten werden und der Laufweg von Sabitzer ging nicht ins Leere. Im zentralen Mittefeld kam es ebenfalls zu einer klaren Zuordnung, wodurch viele enge und harte Zweikämpfe geführt wurden.

Unabhängig von dieser Partie ist eine solche Pressingvariante eine interessante Option gegen einen Gegner mit Dreierkette. Durch das Vorrücken der Außenspieler neben die Sturmspitze kann eine Gleichzahl in der ersten Pressinglinie hergestellt werden und häufig maximaler Druck entfaltet werden. Dazu sind die Schnittstellen zwischen diesen drei Spielern eng, was wiederum den Mittelfeldspielern dahinter hilft, Bälle in diese Räume zu antizipieren und zu verteidigen. Ein aggressives nach vorne attackieren ist für die Achter ebenfalls gut möglich. Durch die hoch aufrückenden Außenverteidiger wird allerdings der abzudeckende Raum für die Innenverteidiger sehr groß, was vor allem gegen schnelle und tiefgehende Stürmer für Probleme sorgen könnte.

Fazit

Es war (so wie eigentlich immer) ein sehr intensives und zweikampfbetontes Bundesligaspiel. Die spielerischen und kreativen Aspekte blieben daher weitestgehend auf der Strecke, dafür war das Pressing beider Mannschaften schlichtweg zu kompakt. Vor allem Schalke wusste mit der überlassenen Spielkontrolle nicht viel anzufangen. Waren doch sie es, die mit zwei Kontertoren das Hinspiel für sich entscheiden konnten. Leipzig drehte deshalb den Spieß erfolgreich um. Etwas symbolisch vielleicht für die Entwicklung in der deutschen Bundesliga gerade.

Schalke wird natürlich versuchen gegen Hannover eine Reaktion zu zeigen, wobei es gegen Defensivspezialisten Andre Breitenreiter alles andere als einfach werden wird. Dafür sind dessen Matchpläne oft zu gut. Es ist aber eine weitere Möglichkeit, die offensiven Varianten und Optionen zu akzentuieren.

Leipzig hingegen muss nach Freiburg. Es ist in Anbetracht des Gegners davon auszugehen, dass Ralph Hasenhüttl in dieser Woche seine Trainingsschwerpunkte auf Positionsangriffe, Gegenpressing und Restverteidigung legen wird. Diese Elemente werden in Freiburg nämlich besonders gefragt sein…

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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