Am 29. Spieltag der Deutschen Fußball Bundesliga musste Bayer 04 Leverkusen auswärts gegen den SC Freiburg antreten. In der Vergangenheit erwies sich die Reise in den Breisgau als weniger lohnend, die Leverkusener warten bereits seit sechs Spielen auf einen vollen Auswärtserfolg gegen den SCF. Die Formkurve der Werkself zeigte nach dem Re-Start nach oben, wurde allerdings durch eine herbe 1:4-Heimpleite gegen den VfL Wolfsburg ein wenig getrübt.
Der SC Freiburg hingegen wartet seit dem Restart nach der Corona bedingten Zwangspause immer noch auf einen Sieg. Einem beachtlichen Unentschieden in Leipzig folgte eine Niederlage gegen Nachzügler Werder Bremen sowie ein glückliches Unentschieden gegen Eintracht Frankfurt. Die Elf von Christian Streich befindet sich allerdings im gesicherten Mittelfeld der Tabelle und entgeht in dieser Saison somit jeglichen Abstiegssorgen.
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Freiburg verteidigt kompakt und konsequent
Leverkusen-Trainer Peter Bosz musste aufgrund des dichten Matchkalenders seiner Mannschaft einmal mehr rotieren. Es war bereits das 3. Spiel innerhalb von 6 Tagen. So bekamen unter anderem Jonathan Tah sowie die beiden ÖFB-Legionäre Aleksandar Dragovic und Julian Baumgartlinger die Chance, sich von Anfang an zu zeigen. Bayer ging mit einer 3-4-3-Grundformation in die Partie. An vorderster Front agierte Kai Havertz als Stürmer, der sich in der Rolle als Falsche Neun immer wieder freie Räume suchen und die Bälle dort fordern sollte. Flankiert wurde er dabei von den beiden Halbstürmern Leon Bailey auf der linken und vom erst 17-jährigen Florian Wirtz auf der rechten Seite.
Es ergab sich von Anfang an das zu erwartende Bild. Leverkusen war über die meiste Zeit im Ballbesitz, der SC Freiburg agierte in einem 4-4-2 gegen den Ball und verteidigte die eigene Hälfte kompakt. Die Breisgauer agierten dabei sehr diszipliniert und konnten vor allem das Zentrum und die Halbräume gut schließen. Immerhin waren dies jene Zonen, über die Leverkusen zu Torchancen kommen wollte. Die Freiburger verhinderten dies, indem die beiden Stürmer Nils Petersen und Lucas Höler die drei Innenverteidiger Tah, Sven Bender und Dragovic nicht attackierten, sondern stattdessen die gegnerischen zentralen Mittelfeldspieler – Charles Aranguiz und Julian Baumgartlinger – in ihren Deckungsschatten aufnahmen. Sollte dies einmal nicht gelingen lauerten bereits die beiden zentralen Mittelfeldspieler Freiburgs – Robin Koch und Nicolas Höfler – um sofort Druck im Rücken ihrer beiden direkten Gegenspieler auszuüben. Sie wählten ihr Stellungsspiel dabei so geschickt, dass der ständig in die Halbräume ausweichende Kai Havertz von ihnen in den Deckungsschatten genommen werden konnte und so kaum anspielbar war.
Freiburg ist die rote Mannschaft, Leverkusen die blaue. Die erste Pressinglinie – Petersen (18) und Höler (9) – stellt die beiden gegnerischen zentralen Mittelfeldspieler (15 und 20) in den Deckungsschatten. Dahinter warten Höfler (27) und Koch (25), um im Zweifelsfall Druck auf die beiden direkten Gegenspieler ausüben zu können. Gleichzeitig wählt Höfler (27) sein Stellungsspiel so, dass er den in den rechten Halbraum abkippenden gegnerischen Stürmer Havertz (29) ebenfalls in den Deckungsschatten aufnehmen kann.
Leverkusen reagierte auf die kompakte Defensivordnung des Gegners, indem die Innenverteidiger das Spiel auf die beiden Wingbacks Nadiem Amiri oder Daley Sinkgraven eröffneten. So wollte man das gegnerische Pressing provozieren, um Lücken in das Defensivkonstrukt der Heimelf zu reißen. So kam es des Öfteren vor, dass das Spiel via Innenverteidiger von einem Wingback zum anderen verlagert wurde. Leverkusen präsentierte sich in der Ballzirkulation allerdings zu behäbig, wodurch Freiburg genug Zeit hatte, um von einer Seite auf die andere zu verschieben, ohne dabei Räume preisgeben zu müssen.
Leverkusens Probleme im Positionsspiel
Leverkusen wollte das Spiel über die Halbräume nach vorne tragen. Die beiden Halbverteidiger Tah und Dragovic sollten den vertikalen Ball für die Spieleröffnung nutzen. Es ergab sich ein sehr rechtslastiges Spiel der Gäste. Das hatte unter anderem damit zu tun, dass Dragovic, der hervorragende Qualitäten in der Spieleröffnung besitzt, als Rechtsfuß auf der linken Halbverteidiger-Position agierte. Dadurch hatte er den Ball stets auf seinem ‚falschen‘ Fuß, der vertikale Ball in den Zwischenlinienraum war damit ein schwieriges Unterfangen. So kam es, dass der ÖFB-Legionär sich oft den Ball auf den rechten Fuß legte, um das diagonale Zuspiel in das zentrale Mittelfeld zu wählen oder um erneut auf den anderen Halbverteidiger Tah zu verlagern.
Wie bereits erwähnt war es Kai Havertz, der sich immer wieder aus der Neuner-Position in den jeweils ballnahen Halbraum begab, um dort die Bälle von den Halbverteidigern zu bekommen. Durch die Rechtslastigkeit in Leverkusens progressiver Spielfortsetzung fand er sich deshalb oft in der gleichen Halbspur wie Florian Wirtz wieder. Hier lag das Hauptproblem der Leverkusener in deren Positionsspiel: Die beiden besetzten oft denselben Raum und machten es somit dem Gegner einfach, beide zu kontrollieren. Darüber hinaus kam es immer wieder vor, dass beide auch noch dieselbe Freilaufbewegung in Richtung des ballführenden Spielers wählten. Dadurch stand allerdings im Zentrum kein Mitspieler mehr zur Verfügung, der die Tiefe attackieren konnte. Auch am Flügel war der Durchbruch so gut wie unmöglich, da sich die Flügelverteidiger Amiri und Sinkgraven flach positionierten und somit ebenfalls einen zu weiten Weg hatten.
Die beiden zentralen Mittelfeldspieler Baumgartlinger und Aranguiz machten ihre Positionierung im Spielaufbau davon abhängig, in welchen Raum sich Havertz bewegte. Blieb der deutsche Youngster im Zentrum, so hielten sich die beiden in den Halbräumen direkt hinter der ersten gegnerischen Pressinglinie auf. Ließ sich Havertz in eine der beiden Halbräume fallen war es Aranguiz, der seine Positionierung höher wählte und sich nun im ballfernen Halbraum zwischen den Linien aufhielt. Baumgartlinger agierte in diesem Fall stets im Sechserraum zentral vor den drei Innenverteidigern, im Rücken der ersten Pressinglinie des Gegners.
Havertz (29) und Wirtz (27) besetzen denselben Raum und wählen darüber hinaus auch noch die gleiche Freilaufbewehgung, in Richtung des Ballführenden. Dadurch laufen beide in den gelb eingezeichneten Raum, Freiburgs Höfler (27) und Grifo (32) können die beiden problemlos in den Deckungsschatten nehmen. Die Viererkette Freiburgs kann die Linie ohne Probleme halten, da im Zentrum kein Gegenspieler mehr übrig ist, der dem Spiel Tiefe verleihen kann. Auch der rechte Wingback Amiri (11) hat einen zu weiten Weg, um einen Durchbruch auf dem Flügel zu erzielen.
So ergab sich am Ende der ersten Halbzeit ein Ballbesitzwert von 32:68 pro Leverkusen, eine echte Torchance konnte sich die Gastmannschaft allerdings nicht erspielen. Im Gegenteil, das eher reaktiv agierende Freiburg hatte die einzige klare Torchance im ersten Durchgang, als die Leverkusener Abwehr am falschen Fuß erwischt wurde und Höler plötzlich alleine vor Keeper Lukas Hradecky auftauchte, den Ball aber nicht im Tor unterbringen konnte. Es ging als mit einem torlosen Remis in die Kabinen.
Leverkusen geht in Führung, Freiburg erhöht das Risiko
Nach Seitenwechsel ergab sich zunächst ein ähnliches Bild wie in Halbzeit eins: Leverkusen hatte mehr Ballbesitz. Wenn sie den Ball verloren, gingen sie sofort in ein sehr gut organisiertes Gegenpressing über, um entweder den Ball zu erobern, den Gegner zu einem unkontrollierten langen Ball zu zwingen oder um in letzter Instanz ein taktisches Foul zu begehen und somit den Konter zu unterbinden. Bei Abstößen stellte man die Heimelf in deren Aufbaudrittel zu, wodurch Keeper Alexander Schwolow wenig Risiko einging und den Ball lang auf Nils Petersen schlug. Freiburg versuchte nun, den zweiten Ball zu gewinnen und im Idealfall das Spielgerät zu den eigenen Innenverteidigern zu bringen, um einen geordneten Angriff aufzubauen. Bayer verteidigte in solchen Situationen tiefer in einem 5-4-1 und ließ in dieser defensiven Grundordnung so gut wie gar nichts zu. Um den Gegner in dessen Aufbaudrittel zu langen Bällen zu zwingen wählte man eine 5-3-2-Grundordnung. Der ballnahe Halbstürmer – Wirtz oder Bailey – lief den ballführenden Innenverteidiger im Bogen von außen nach innen an, um den ballnahen gegnerischen Außenverteidiger in den Deckungsschatten zu nehmen. Havertz als nomineller Neuner stellte das Zuspiel auf den anderen Innenverteidiger zu, sodass nurmehr das Zuspiel zurück zu Schwolow möglich war, der dann meist den langen Ball in Richtung der beiden Stürmer schlug. Hinter der ersten Pressinglinie Leverkusens sicherten der jeweils ballferne Halbstürmer sowie die zentralen Mittelfeldspieler Aranguiz und Baumgartlinger ab. Für deren Absicherung sorgte wiederum die Fünferkette.
Der ballnahe Halbstürmer Wirtz (27) läuft den gegnerischen Innenverteidiger bogenförmig an, um den linken Außenverteidiger (30) in den Deckungsschatten zu nehmen. Währenddessen stellt Havertz (29) den anderen Innenverteidiger zu. Dahinter ergibt sich eine 3 gegen 2-Überzahl für Leverkusen mit Baumgartlinger (15), Aranguiz (20) und Bailey (9) – siehe gelb eingezeichneter Raum. Die einzige Option für Freiburg ist somit der Rückpass zum Keeper, gefolgt vom langen Ball Richtung letzte Linie.
Im Offensivspiel der Gäste änderte sich zunächst allerdings auch nicht viel, Torchancen blieben weiterhin aus. Bis zur 55. Minute: Nach einem Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte kam Charles Aranguiz im Zentrum an den Ball. Die Freiburger konnten sich im zentralen Mittelfeld nicht rechtzeitig reorganisieren, was Kai Havertz erkannte und aus der Neunerposition abkippte, um das große Passfenster, das die zentralen Mittelfeldspieler Höfler und Koch offerierten, zu nutzen. Im Schlepptau hatte er dabei Innenverteidiger und ÖFB-Legionär Philipp Lienhart, der Havertz‘ Laufweg aufnehmen musste, um ein Aufdrehen des Deutschen zu verhindern. Dies erkannte wiederum Leon Bailey und attackierte jenen Raum, der sich hinter Lienhart auftat. Havertz leitete den Ball technisch hochwertig auf Bailey weiter, sodass Letzterer mit Tempo in Richtung der gegnerischen Restverteidigung dribbeln konnte. Allerdings sah er sich gegen den eingerückten rechten Außenverteidiger Lukas Kübler und den ebenfalls sichernden zweiten Innenverteidiger Dominique Heintz einer 2 gegen 1-Unterzahl ausgesetzt. Havertz eilte zu Hilfe, und sprintete in jenen Raum, den Außenverteidiger Kübler aufgab, um den rausrückenden Lienhart zu sichern. Bailey bediente Havertz im richtigen Augenblick mit einem Schnittstellenpass und Leverkusens Nummer 29 konnte sich aus spitzem Winkel gegen Keeper Schwolow durchsetzen.
Freiburg reagierte und ging nun in ein höheres Pressing über. Man wollte das Spiel auf einen der beiden Flügel lenken, um mittels aggressivem Seitenlinienpressing den Ball zu erobern. Der ballführende Spieler sah sich daraufhin oft gezwungen abzudrehen und Richtung des eigenen Tores zu dribbeln, was das Pressing der Hausherren weiter verschärfte. Oft blieb den Gästen keine andere Wahl als den Ball zurück zu Tormann Hradecky zu spielen, welcher dann den langen Ball auf den mittlerweile eingewechselten Lucas Alario schlug, der im Gegensatz zu Kai Havertz eher als klassischer Mittelstürmer agierte und mit seiner Größe bzw. physischen Präsenz die Bälle festmachen sollte. Dies gelang allerdings nur bedingt, viele zweite Bälle landeten beim Gegner und je länger das Spiel dauerte, desto tiefer wurde die Werkself in die eigene Hälfte gedrängt. Es ergaben sich somit längere Ballbesitzphasen für Freiburg, woraus jedoch kein Kapital geschlagen werden konnte. Die Defensive der Leverkusener stand kompakt und ließ aus dem Spiel kaum eine Torchance zu. Kurz vor Schluss war es Routinier Nils Petersen, der mit einer guten Möglichkeit an Hradecky scheiterte. In den letzten Minuten stand Leverkusen unter enormen Druck, es gab viele Standardsituationen in Strafraumnähe der Gäste. Am Ende konnte das knappe Ergebnis allerdings über die Zeit gerettet werden.
Fazit
Bayer Leverkusen hatte das Spiel zwar weitestgehend im Griff, tat sich allerdings aufgrund einiger Probleme im Positionsspiel sehr schwer, Torchancen zu kreieren.
Freiburg hingegen konnte sich trotz solider Defensivleistung nicht belohnen und steht erneut mit leeren Händen da. Interessanterweise war das Chancenplus trotz der geringeren Spielanteile auf Seiten der Breisgauer. Allerdings konnte keine der beiden Torchancen genutzt werden. Bayer hingegen konnte die einzige eigene Chance zum entscheidenden Treffer nutzen und kehrte so mit etwas Bauchweh auf die Siegerstraße zurück.
Mario Töpel, abseits.at
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