Und schon wieder ein Trainerwechsel beim HSV. Seit September 2013 gab es gleich acht Trainer, wobei zwei davon – Rodolfo Cardoso und Otto Addo – zu zweit nur eine Woche interimsmäßig übernahmen. Dennoch sind sechs Trainer ein enormes Problem und deuten auf strukturelle Schwächen hin; entweder beim Trainerscouting oder im Verein selbst. Beim HSV dürfte wohl beides zutreffen. In dieser Saison ist es übrigens bereits der vierte Trainer, der jetzt sein Amt beim HSV antritt. Entgegen der Erwartungen und zahlreicher Gerüchte ist es aber nicht Thomas Tuchel, sondern Bruno Labbadia. Hier stellen sich zwei Fragen: Wieso und was kann man sich von Labbadia erwarten?
Hamburger Fehlverhalten und der Klopp-Faktor
Zwei Punkte dürften den Wechsel Tuchels wohl vermasselt haben. Einerseits sind die Gerüchte über die Transferverhandlungen zu Tuchels Ärger an die Öffentlichkeit gekommen, weswegen sie von beiden Seiten sofort dementiert werden mussten. Doch aus Insiderkreisen ist zu vernehmen, dass es die Hamburger waren, welche die Medien davon verständigten und Tuchel in weiterer Folge verärgerten. Das ist bereits eines von vielen Indizien, dass beim HSV suboptimal und auch unprofessionell gearbeitet wird, zumindest an einzelnen Stellen. Tuchel wollte sich vermutlich die Option offen halten zu übernehmen, wenn beim HSV die Saison gelaufen ist; so wurde nicht nur Tuchel vergrault, sondern auch Unruhe in den Verein gebracht und die Chance auf den Nichtabstieg verringert. Verantwortlich dafür ist insbesondere Aufsichtsratvorsitzender Karl Gernandt.
Andererseits ist Tuchel eben ein enorm umworbener Trainer. Sogar bei den Bayern soll er als Mitfavorit auf den Trainerposten gelten, wenn Pep Guardiola weiterzieht. Und nun soll Tuchel ein Angebot vom BVB über fünf Millionen Euro pro Jahr erhalten, wenn man der BILD-Zeitung Glauben schenken möchte. Ein solcher Vierjahresvertrag mit dem beeindruckenden Kader der Dortmunder und der guten Struktur ist besser, als alles was der krisengebeutelte HSV bieten kann. Obwohl die Dortmunder selbst in einer kleinen Krise stecken, so sind die Ausmaße deutlich geringer als beim HSV und außerdem auch einfacher zu lösen, weil das Umfeld schlichtweg passt.
Durch Tuchels Absage erhielt Labbadia die Chance. Nur: Das Timing und die Personalie überraschen.
Die Knäbel-Katastrophe
Eigentlich war der Plan des HSV die Saison mit Interimstrainer Peter Knäbel zu beenden und mit ihm den Nichtabstieg zu schaffen. Experten sprachen schon bei der Entlassung Joe Zinnbauers und der Einstellung Knäbels von einem großen Fehler; Glück für den HSV, dass ihnen ihr Interimstrainer das schnell und deutlich genug bewies. Die Spiele gegen Wolfsburg und Leverkusen waren ohnehin kaum zu gewinnen, doch die Art und Weise, wie chancenlos man verlor, sorgte für ein Umdenken beim HSV. Knäbel trainierte schwach, stellte schlecht auf und veränderte nichts, beziehungsweise machte die Hamburger noch konkurrenzunfähiger.
Deswegen musste der HSV jetzt reagieren; Tuchel hätte den Posten wohl ohnehin nicht angetreten, alle anderen Trainer suchten einen längeren Vertrag. Felix Magath bot sich an und sagte, er würde bis Saisonende sogar umsonst für den Verein arbeiten. Die Einschränkung folgte aber umgehend: Würde er den Nichtabstieg schaffen, hätte sich der besprochene Vertrag automatisch verlängert.
Bruno Labbadia ist insofern eine Kompromisslösung. Er kann kurzfristig übernehmen, sorgt eventuell für einen positiven Trainereffekt und weil er einen längeren Vertrag erhält, müssen die Spieler in dieser schwierigen Phase sich unter ihm auch direkt für die folgende Saison beweisen, obgleich das nur einen untergeordneten Stellenwert in dieser Personalie einnehmen sollte. Hier stellt sich nämlich die Frage: Ist Labbadia der richtige?
Kurzfristig vielleicht, langfristig unwahrscheinlich
In dieser Phase ist es ohnehin kaum möglich einen geeigneten Trainer zu finden. Tiefergreifende strategische Veränderungen sind kaum zu erreichen, taktisch ist durch den Kader und die geringe Anzahl der Spiele ebenfalls ein gewisser Rahmen vorgegeben. Auch psychologisch und physisch ist es schwierig noch auf die Spieler effektiv einzuwirken. Immerhin scheiterte Felix Magath selbst bei Fulham in der vergangenen Saison an einer solchen Aufgabe.
Labbadia hat allerdings bei seinen bisherigen Stationen in der Anfangsphase relativ gute Arbeit geleistet. In gewisser Weise war dies sogar ein Problem: Die Hinrunde wurde sehr gut bestritten, während man in der Rückrunde einbrach. Das kann an psychologischem Missmanagement, einer schlechten Periodisierung des Trainings oder schlichtweg zu simpler, aber in der Anfangsphase durchschlagskräftiger taktisch-strategischer Ausrichtung liegen.
Die Ursachen sind schwer zu bewerten, der Trend ist jedoch auffällig. Doch vielleicht will der HSV genau das: Den Abstieg vermeiden und dann eine gute Hinrunde hinlegen und sehen, wie sich das entwickelt. Wird man in der Rückrunde schwächer, so läuft der Vertrag ohnehin im Sommer aus und es kann nach einem langfristig vielversprechenderen Trainer gesucht werden. Bei einem Abstieg kann Labbadia sofort an der Mission Wiederaufstieg arbeiten.
Was ist zu erwarten?
Obwohl Experten, Medien und Fans die Entscheidung bekritteln, so hat Labbadia keineswegs konstant schlechte Arbeit in seiner Karriere geleistet. Er ist natürlich kein Tuchel, Guardiola oder Klopp, trotzdem ist er durchaus fähig eine Bundesligamannschaft passabel zu führen. Das Problem: Der HSV verkauft sich nicht nur unter Wert, sie werden personell auch überschätzt. Öfters wird erwähnt, dass der HSV von den Spielern her eigentlich in der oberen Tabellenhälfte agieren müsste. Das stimmt jedoch schlichtweg nicht: Akteure wie Behrami, Van der Vaart und Lasogga werden immer wieder als Spieler genannt, die eigentlich deutlich höher spielen müssten. Diese Akteure speziell sind aber überschätzt und einer der Mitgründe, wieso das Spiel des HSV nicht ordentlich funktioniert.
Nur einige wenige Spieler des HSV bringen wirklich das Zeug für die vorderen Tabellenplätze mit, diese werden oftmals falsch eingebunden oder nicht eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist Nicolai Müller, dessen starke Fähigkeiten in der Positionsfindung und Bewegung im Raum im statischen und simplen Angriffsspiel des HSV komplett ignoriert werden.
Labbadia könnte hier durchaus für Verbesserungen sorgen. Sein 4-2-3-1 ist zwar simpel, aber nicht schlecht und wird konsequent umgesetzt. Mit Müller und Ilicevic als Flügelstürmer, Olic in der Spitze und Holtby vor Diaz und Jiracek im zentralen Mittelfeld könnte durchaus eine positive Entwicklung zu sein – oder es bleibt beim Spiel mit langen Bällen und einem puren Fokus auf den Kampf. Das könnte funktionieren; muss aber nicht. Es hat auch das ganze Jahr bisher nicht geklappt.
René Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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