Die Dortmunder kamen im Heimspiel gegen den SC Freiburg nicht über ein 2:2 Unentschieden hinaus und warten daher im Jahr 2018 nach drei gespielten... Analyse: Stögers BVB mit Punkteteilung gegen Freiburg

Die Dortmunder kamen im Heimspiel gegen den SC Freiburg nicht über ein 2:2 Unentschieden hinaus und warten daher im Jahr 2018 nach drei gespielten Runden noch auf den ersten Sieg. Dabei kam diese Punkteteilung aus Dortmunder Sicht noch äußerst glücklich zustande, denn die Mannschaft von Peter Stöger fand gegen den dicht gestaffelten Abwehrblock von Christian Streich über 90 Minuten keine spielerischen und destabilisierend wirkenden Angriffslösungen.
So standen am Ende zwar 70 % Ballbesitz für den BVB, aus denen aber weder Spielkontrolle noch gefährliche Torabschlüsse generiert werden konnten. Wir greifen diesen Aspekt in unserer Analyse etwas detaillierter auf und schauen uns dabei auch an, mit welchen taktischen Mitteln der SC Freiburg eine derartige Spielcharakteristik provoziert hatte.

Grundordnungen und Personal

Peter Stöger, Österreichs namhaftester Trainer-Export, schickte seine Mannschaft auch gegen die Freiburger in einer 4-1-4-1 Ordnung auf den Rasen des Signal Iduna Parks. Eine Grundordnung, auf die er seit der Amtsübernahme in Dortmund setzt.

Die personelle Zusammensetzung dieser Grundstruktur überraschte dabei schon etwas mehr. Die Viererkette vor Torhüter Bürki ist davon ausgenommen. Wie schon in den Spielen gegen Wolfsburg und die Hertha vertraute Stöger auch gegen den SC auf das Innenverteidiger-Duo Sokratis und Toprak. Unterstützt wurden die beiden von den Außenverteidigern Toljan auf links und Piszczek auf der rechten Seite.
Den alleinigen Sechser vor der Abwehr gab dieses Mal nicht Julian Weigl, sondern Nuri Sahin. Auf dessen Positionsinterpretation (vor allem im Aufbauspiel) werden wir im Laufe der Analyse noch etwas näher eingehen.
Die Achter-Positionen in den jeweiligen Halbräumen besetzten Kagawa auf halblinks und Castro auf halbrechts.
Komplettiert wurde die BVB-Elf von den beiden dribbelstarken und pfeilschnellen Außenstürmern Sancho und Pulisic sowie von Mittelstürmer Aubameyang (es wäre verschwendete Zeit, mehr über dieses Thema zu schreiben).

Christian Streich sortierte seine Mannen zunächst in einer 5-2-3 / 5-4-1 Ordnung auf dem Platz. Dabei verfolgte er vor allem im Spiel gegen den Ball, rein aus struktureller und formationstechnischer Sicht gesehen, einen ganz ähnlichen Plan wie Andre Breitenreiter eine Woche zuvor gegen Schalke, anhand dessen die Hannoveraner einen Punkt auf Schalke erringen konnten.

Im Tor musste Einser-Goalie Schwolow durch Gikiewicz ersetzt werden. Vor ihm setzte sich die Fünferkette aus den beiden Außenverteidigern Günter und Kübler sowie den drei zentralen Verteidigern Kempf, Gulde und Söyüncü zusammen.
Vor dieser Fünferkette bildeten Abrashi und Koch das Sechser-Duo im zentralen Mittefeld, wobei Abrashi in den eigenen (wenigen) Aufbau- und Ballbesitzsituationen wesentlich höher agierte als sein Nebenmann Koch.
Der Sturm, und damit erste Pressinglinie, bestand aus den beiden Halbstürmern Haberer und Höler sowie aus dem alleinigen Mittelstürmer Petersen.

Die Verteidigungsarbeit beginnt bei den Stürmern

Diese häufig bemühte Floskel von Fußballtrainern auf der ganzen Welt, vor allem auch im Amateurbereich, wird nirgends so konsequent umgesetzt wie in der deutschen Bundesliga. Dies dürfte mitunter auch ein Hauptgrund sein, was zwar etwas paradox wirkt, warum die deutsche Eliteliga derzeit gröbere Probleme im spielerischen und kreativen Bereich hat. Die Matchpläne im Spiel gegen den Ball sind häufig einfach zu gut. Die Partie Dortmund gegen Freiburg war ein Spiegelbild dessen. Die Freiburger fokussierten sich auf das Spiel gegen den Ball, zogen sich als kompakter Block meist in die eigene Hälfte zurück und überließen den Dortmundern ausreichend Zeit und Raum für deren Spielaufbau. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Schwarz-Gelben in ihrer momentanen Phase damit nicht allzu viel anzufangen wissen bzw. sogar überfordert sind. Diese Gemengelage führte mit Fortdauer des Spiels zu einer Stimmung im Signal Iduna Park, die Gäste-Trainer Christian Streich nur Recht gewesen sein dürfte. Schließlich sind auch solche Aspekte bei einer Spiel-Simulation und Matchplan-Entwicklung von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, formierten sich die Freiburger beim Spielaufbau der Dortmunder in einer 5-2-3 Ordnung. Aus strategischer Sicht war dabei entscheidend, dass sie die zentralen Räume konsequent zustellten und bewusst Räume auf den Flügelzonen offen ließen. Wichtige Aufgaben hatten dabei die beiden Halbstürmer Haberer und Höler inne. Sie ließen sich nicht wie bei vielen anderen Mannschaften mit derselben Grundordnung auf eine Linie mit den beiden Sechsern zurück fallen, sondern schoben nach vorne neben Mittelstürmer Petersen und stellten eine eng aufgefädelte Dreierkette in der ersten Pressinglinie der Freiburger her.
Dies hatte den erwähnten Vorteil, dass sie das Zentrum sowie die Halbräume rund um den gegnerischen Sechserraum herum sehr gut kontrollieren und verteidigen konnten und den BVB in diesem Bereich nicht aufbauen ließen.
In gewisser Weise konnten sie dadurch die vielen Abkippbewegungen der Dortmunder (vor allem von Sahin und Castro) schlucken und mit recht simplen und passiven Verschiebebewegungen das Aufbauspiel der Dortmunder verschleppen und auf die Flügel abdrängen. In diesem Zusammenhang war es durchaus passend, dass Christian Streich fast permanent auf ein sehr tiefes Mittelfeldpressing setzte und dem BVB dessen eigene Hälfte meist kampflos überließ. Dadurch entstanden viele Situationen, in denen oft bis zu sechs BVB-Spieler (sinnlos) vor dem Freiburger Defensivblock standen und so überhaupt keine Tiefe und Durchschlagskraft in ihr Spiel brachten. Innerhalb des eigenen Blocks hatten die Freiburger dagegen komfortable Überzahlsituationen und de facto keine Übergabe- oder Zuordnungsprobleme.

Eine typische Aufbauszene aus der ersten Halbzeit sah folgendermaßen aus:

Nuri Sahin kippte in dieser Situation wie so oft in den linken Halbraum neben Toprak heraus und bildete mit den beiden Innenverteidigern eine etwas verrückte Dreierkette im Aufbau. Durch die auf- und eingerückte Position von Höler sind für Sahin sämtliche Optionen im Zentrum des zweiten Drittels zugestellt. Ihm blieb häufig nur der Pass auf den „freien“ Toljan oder der Querpass auf Toprak. Eine Angriffsbeschleunigung und Destabilisierung des Freiburger Abwehrblocks war aufgrund dieser Konstellation nie möglich.
Grafisch aufbereitet sieht man auch die 5 gegen 2 Überzahlsituation der Freiburger im zentralen Mittelfeld. Die beiden Sechser orientierten sich dabei lose an den Dortmunder Achtern Kagawa und Castro. 

Ein weiterer interessanter Teilaspekt waren die Pressingfallen auf den Flügelzonen. Durch die eingerückten Positionen der Außenstürmer waren die Außenverteidiger des BVB meist frei. Im Gegensatz zur Herangehensweise von Hannover letzte Woche gegen Schalke schoben die Flügelverteidiger nicht heraus auf die gegnerischen Außenverteidiger und setzten diese unter Druck, sondern blieben tief und gaben dem Außenstürmer die Zeit, sich nach hinten abzusetzen und das Tempo des BVB-Außenverteidigers aufzunehmen. Dadurch konnte der BVB immer wieder auf die Flügel abgedrängt werden und dort recht einfach isoliert werden, was sich gegen die Ideenlosigkeit des Dortmunder-Angriffsspiel noch potenzierte. Diese doch recht simple Herangehensweise (Zentrum dicht halten, auf die Flügel abdrängen, dazu das verteidigende Feld durch das tiefe Mittelfeldpressing möglichst klein halten) sollte reichen, um das Tempo aus den BVB-Angriffen zu nehmen.

Defensive Stabilität ja – Offensive Kreativität nein

Mit diesen wenigen Worten ließe sich die momentane Situation des BVB unter Peter Stöger zusammenfassen. Zugespitzt formuliert könnte man auch behaupten, dass die Offensivleistung der Dortmunder in diesem Spiel einem Armutszeugnis sehr nahe kam. Fehlendes Tempo, keine Schärfe im Passspiel und dazu häufig recht sinnfreie Strukturen im Spielaufbau waren davon nur die auffälligsten Mängel. Daher waren die 70 % Ballbesitz eher Last als Hilfsmittel.

Exemplarisch kann man die recht überflüssigen Abkippbewegungen von Nuri Sahin nennen. Sahin ist definitiv ein Spieler, bei dem die Meinungen weit auseinander gehen. Für die einen ist er ein genialer Stratege und Strukturgeber, für die anderen zu ballfordernd und verschleppend im Angriffsvortrag der eigenen Mannschaft. Gegen Freiburg war Letzteres der Fall. Er kippte in Räume ab, von denen aufgrund der Freiburger Defensivstruktur nie etwas Konstruktives entstehen hätte können und dazu forcierte er mit diesen ausweichenden Bewegungen noch die Unterzahl im zentralen Mittelfeld. Seine ballfordernde Spielweise war gegen Freiburg auch alles andere als optimal. Sahin bot sich immer wieder kurz für die Innenverteidiger an und hatte dadurch zwar viel Zeit am Ball und das ganze Spielfeld vor sich, allerdings auch 11 Freiburger und wenige bis gar keine vertikale Optionen in der Tiefe des Feldes. Daher kann man festhalten, dass „verschenkt“ die passende Bezeichnung für diese abkippenden Bewegungen ist. Es wäre wohl effizienter gewesen, die Position im Sechserraum etwas stabiler zu halten und sich hinter der Freiburger Pressinglinie für Schnittstellenpässe anzubieten bzw. so einfach nur Gegenspieler zu binden. Sebastian Rudy oder Julian Weigl sind Paradebeispiele für eine solche Spielweise auf der alleinigen Sechs. Aber wie schon geschrieben, war das Positionsspiel von Nuri Sahin nur ein Grund für das unterentwickelte Angriffsspiel der Borussen. Die ausbaufähige Flankenqualität trug ebenfalls einen Teil dazu bei, dass Torchancen absolute Mangelware waren und Torjäger Aubameyang über die gesamte Spielzeit nicht am Spiel teilnahm.

Interessante Pressingansätze

Um aber nicht nur die negativen Elemente im Dortmunder Spiel zu beschreiben, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Pressing-Ideen von Peter Stöger gegen die Freiburger 3-4-3 Aufbaustruktur zu werfen.
In den wenigen Freiburger Aufbauszenen in der ersten Halbzeit war zu erkennen, dass Stöger vor allem die beiden Achter heranzog, um die Dreierkette der Freiburger früh unter Druck setzen zu können. Während Aubameyang einen relativ kleinen Aktionsradius hatte und vor allem Gulde, den zentralen Mann der Freiburger Dreierkette zustellen sollte, schoben die beiden Achter Castro und Kagawa aus ihrer Grundposition nach vorne und attackierten den jeweils ballführenden Halbverteidiger der Freiburger. Die Außenspieler Sancho und Pulisic blieben dabei tief und orientierten sich lose an den gegnerischen Außenverteidigern. Durch die Summe dieser Bewegungen entstand eine 4-3-2-1 Ordnung im Pressing, mit hohen Achtern und tiefen Außenspielern. Eine (von vielen) interessante Variante, wenn man eine gegnerische Dreier- bzw. Fünferkette früh stören möchte und dabei die Formation nicht grundsätzlich spiegeln möchte.

Leider aber waren die klaren Aufbauszenen von Freiburg zu selten, um feinere Bewegungen oder eventuelle Dysbalancen (Räume neben Sahin?) erkennen zu können.

Fazit

Insgesamt war es vom Niveau her ein schwaches Bundesligaspiel, dafür waren die spielerischen Mängel bei beiden Mannschaften zu offensichtlich. Freiburg hat ein recht simpler Plan im Spiel gegen den Ball gereicht, um die Borussen vor schier unlösbare Probleme zu stellen. Für Peter Stöger gilt es, die eingefahrenen Strukturen und Bewegungen im Aufbauspiel aufzulösen und der Mannschaft dynamische, gruppentaktische Offensivlösungen mit an die Hand zu geben. Die Rückkehr von Marco Reus könnte in diesem Kontext zum richtigen und notwendigen Zeitpunkt kommen. Ansonsten wird der BVB in dieser ausgeglichen Liga noch gegen viele Mannschaften größere Probleme bekommen, vor allem auch in Heimspielen.

Sebastian Ungerank

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