Im Relegations-Hinspiel der Deutschen Bundesliga trafen der Tabellen-Sechzehnte der 1. Bundesliga – Werder Bremen – und der Tabellen-Dritte der 2. Bundesliga – der 1.... Analyse: Werder Bremen beißt sich am Heidenheimer Bollwerk die Zähne aus

Im Relegations-Hinspiel der Deutschen Bundesliga trafen der Tabellen-Sechzehnte der 1. Bundesliga – Werder Bremen – und der Tabellen-Dritte der 2. Bundesliga – der 1. FC Heidenheim – im Bremer Weserstadion aufeinander.
Bremen konnte Dank eines fulminanten 6:1-Heimsiegs gegen den 1. FC Köln am letzten Spieltag den Einzug in die Entscheidungsspiele um den Ligaverbleib in letzter Sekunde erreichen. Die Heidenheimer hingegen konnten den 3. Platz in Liga 2 trotz einer 0:3-Klatsche gegen Meister Arminia Bielefeld am letzten Spieltag behaupten. Das Momentum schien vor dem Spiel also auf Bremer Seite zu sein. Am Ende trennten sich die beiden Kontrahenten allerdings mit einem torlosen Remis.

Der zu erwartende Spielfilm

Das Spiel erwies sich inhaltlich so, wie es viele erwartet haben: Werder Bremen mit eindeutig mehr Ballbesitz, Heidenheim verteidigt leidenschaftlich und aggressiv. In der Offensive warteten die Gäste auf Umschaltmomente, um so Nadelstiche gegen die Heimmannschaft setzen zu können. Am Ende des Spiels stand eine Ballbesitzstatistik von 67:33 pro Werder.

Das Positionsspiel Werders

Trainer Florian Kohfeldt schickte seine Werderaner wie schon gegen Köln in einer 4-Raute-2-Grundformation auf das Feld. Im Vergleich zum vorhergehenden Spiel wurde gab es lediglich eine personelle Änderung in der Startelf: Philipp Bargfrede rutschte statt des gelbgesperrten Kevin Vogt in die Startelf. In der Offensive durften wieder Niklas Füllkrug, Milot Rashica und Yuya Osako ran. Alle drei hatten schon im letzten Bundesligaspiel für viel Gefahr gesorgt.
Heidenheim stellte dem ganzen ebenfalls ein 4-4-2 entgegen, allerdings mit einer flachen Mittelfeldreihe. Werder war stets bemüht gegen die erste Pressinglinie der Gäste eine numerische Überlegenheit zu kreieren, weswegen Sechser Bargfrede immer wieder zentral zwischen die beiden Innenverteidiger abkippte. Somit ergab sich eine 3 gegen 2-Überzahl in der ersten Aufbaulinie. Davor verweilten die beiden Achter – Davy Klaassen und Maximilian Eggestein – jeweils in den Halbräumen. Rashica und Osako hatten viele Freiheiten im Positionsspiel, es kam des Öfteren zu Rotationen zwischen den beiden.

Heidenheim mit beinharter Mannorientierung

Wie bereits erwähnt stellten sich die Gäste mit einem 4-4-2 dagegen. Das bemerkenswerte an der Arbeit gegen den Ball war die kompromisslose Mannorientierung der Elf von Trainer Frank Schmidt. Man wollte so vor allem den Spielgestaltern Rashica und Osako keine Luft zum Atmen lassen und Fehler beim Gegner provozieren, um ihrerseits die Umschaltmomente für gefährliche Konterangriffe nutzen zu können. Im Ansatz gelang dies teilweise gut, allerdings waren die Bremer im eigenen Ballbesitz stets mit einer sehr guten Restverteidigung ausgestattet, welche die Konter meist im Keim ersticken konnte. Wenn es den Heidenheimern trotzdem gelang ins Angriffsdrittel vorzustoßen war es auch der schnellen Rückwärtsbewegung der offensiver positionierten Spieler Werders zu verdanken, dass der Torabschluss meist verhindert werden konnte.


Die beiden Stürmer Thomalla und Kleindienst (10 + 11) orientieren sich an den beiden Bremer Innenverteidigern (13 + 18) und dem Sechser (44). Niklas Dorsch (36) deckt den gegnerischen Achter (35), dahinter kümmert sich Griessbeck (18) um jenen Werderaner, der sich in den Zehnerraum fallen lässt (in diesem Fall 7). Sollte dieser die Tiefe attackieren geht Griessbeck den Laufweg mit. Der dadurch freigewordene Raum wurde meist von einem Bremer Stürmer attackiert (11). Hier war es einer der beiden Innenverteidiger Mainka (6) oder Beermann (33) der den Angreifer in den vakanten Raum begleitet und auch noch vom zweiten zentralen Mittelfeldspieler Kevin Sessa (16) Unterstützung bekam, um in eine 2 gegen 1-Überzahlsituation zu kommen.

Heidenheims asymmetrisches Pressing

Wie von der Tarantel gestochen pressten die Heidenheimer in den ersten Minuten jeden Ball. So wollte man sich wohl beim Gegner Respekt verschaffen. Erst nach ein paar Minuten gingen sie in ein Mittelfeldpressing über und ließen die Bremer in deren Aufbaudrittel gewähren. Der Pressingtrigger für Heidenheim war das Zuspiel auf einen der beiden Außenverteidiger Bremens – Theodor Gebre Selassie oder ÖFB-Legionar Marco Friedl. Speziell der Österreicher wurde äußerst aggressiv angelaufen. Im Rahmen der Mannorientierung wählten die Gäste eine interessante Zuteilung ihrer Gegenspieler auf den Flügeln. Während auf der rechten Seite Mittelfeldspieler Maurice Multhaup Friedl presste war es auf der gegenüberliegenden Seite Linksverteidiger Norman Theuerkauf, der von Grund auf höher positioniert war, um Werders Rechtsverteidiger Gebre Selassie unter Druck zu setzen. Der nominelle linke Mittelfeldspieler Niklas Dorsch agierte stets eingerückt und orientierte sich am gegnerischen Achter.


Während auf der linken Seite Außenverteidiger Theuerkauf (30) höher positioniert ist, um Rechtsverteidiger Gebre Selassie (23) pressen zu können ist es auf dem gegenüberliegenden Flügel Mittelfeldspieler Multhaup (17), der Linksverteidiger Friedl (32) attackiert, sobald dieser angespielt wird. Der nominelle linke Mittelfeldspieler Heidenheims – Dorsch (36) – agiert im Halbraum und orientiert sich an Maximilian Eggestein (35).

Werder dominant, ohne torgefährlich zu werden

Bremens Matchplan fokussierte sich auf das Spiel durch das Zentrum, das mit der nominellen Raute stets überladen wurde. Der Ball sollte von einem der beiden Halbverteidiger – Niklas Moisander oder Milos Veljkovic direkt auf Stürmer Niklas Füllkrug gespielt werden. Die beiden Achter Klaassen und Eggestein hielten sich konsequent in den Halbräumen auf. So wollte man sich die Manndeckung der Gäste zu Nutze machen und den zentralen Passkorridor Richtung letzter gegnerischer Verteidigungslinie freimachen. Füllkrug sollte den Ball entweder sichern oder mit dem ersten Kontakt auf die nachrückenden Spieler abtropfen lassen. Mit solche einer Pass-Klatsch-Kombination wollte man dem eigenen Ballvortrag Dynamik verleihen und die Defensivordnung der Gäste durcheinanderbringen. Durch die konsequente Manndeckung des Gegners war dies allerdings ein äußerst schwieriges Unterfangen, da sich jede potenzielle Anspielstation sofort großem Druck ausgesetzt sah.
Ein weiteres Problem bei diesem Angriffsschema war die phasenweise unvorteilhafte Positionierung von Klaassen, Osako und Rashica. Alle drei waren oft höher positioniert als Füllkrug, der mit Druck im Rücken vergeblich eine Anspielstation zum Ablegen suchte. So folgte hier des Öfteren ein Ballverlust für Werder.


Eggestein (35) hält konsequent seine Positionierung im Halbraum, um den direkten Gegenspieler aus dem Zentrum zu locken. Die direkte Passlinie Veljkovic (13) – Füllkrug (11) ist nun frei, Letzterer kommt einige Schritte entgegen und wird von seinem direkten Gegenspieler (33) begleitet. Nun hat der Bremen-Stürmer allerdings keine Möglichkeit den Ball auf einen mItspieler klatschen zu lassen, da Rashica (7), Osako (8) und Klaassen (30) höher positioniert sind bzw. Eggestein und Bargfrede nicht anspielbar sind, ohne sofort unter Druck zu geraten.

Durch die im Aufbau eher flache Positionierung des Bremer Linksverteidigers Friedl war ein Spieler aus dem Trio Füllkrug-Osako-Rashica situativ auch auf dem Flügel zu finden, um dem Spiel auf der linken Seite mehr Breite zu verleihen. Wenn einer der genannten Spieler dort an den Ball kam wurde er von den Gegenspielern meist isoliert und in ein 1 gegen 1 bzw. 1 gegen 2 verstrickt, was bestenfalls zu einer Ecke für die Heimelf führte, welche allerdings allesamt nichts einbrachten.

Werder mit leichten Adaptierungen nach Seitenwechsel

Nach Seitenwechsel ergab sich das gleiche Bild wie in der ersten Halbzeit: Werder mit viel Ballbesitz, die Heidenheimer hielten an ihrer mannorientierten Spielweise gegen den Ball fest und hofften ihrerseits auf gute Kontergelegenheiten. Es gab kaum längere Ballbesitzphasen für die Gäste. Im eigenen Ballvortrag wurde meistens Stürmer Tim Kleindienst mit einem langen Ball gesucht. Die Mitspieler in unmittelbarer Nähe brachten sich für den zweiten Ball in Position.Werder-Trainer Florian Kohfeldt passte das Positionsspiel seiner Elf etwas an. Er wollte den Pressingtrigger der Heidenheimer entkräften, indem er Linksverteidiger Friedl nun eine sehr hohe Positionierung am linken Flügel anordnete. Dies hatte zur Folge, dass der direkte Gegenspieler Multhaup Friedl‘s Weg mitging und so aus der Vierer- eine Fünferkette bei Heidenheim entstand.

In der ersten Aufbaulinie wollte Kohfeldt mehr Breite herstellen, damit die beiden gegnerischen Stürmer weitere Laufwege zurücklegen mussten bzw. die um Schnittstelle zwischen den beiden zu öffnen. Dazu ließ er Sechser Bargfrede nun konstant zentral abkippen, die beiden nominellen Innenverteidiger Veljkovic und Moisander positionierten sich nun um eine Spur breiter als in Halbzeit eins. Hinter der ersten gegnerischen Pressinglinie agierten die beiden Achter Eggestein und Klaassen. Wenn der Ball im Besitz einer der drei Aufbauspieler war sollten sich die beiden nicht zu nah zueinander positionieren, um weiterhin den zentralen Passweg Richtung letzte Linie freizuhalten. Hinter den beiden Achtern agierten Osako und Rashica, die ihre eigene Positionierung jeweils ihrem Vordermann, sprich den beiden Achtern, anpassten. Die beiden sollten dafür sorgen, dass sie niemals im Deckungsschatten der eigenen Mitspieler standen. Somit wollte man für den ballführenden Spieler stets die höchstmögliche Anzahl an Passoptionen zur Verfügung stellen.
Der zentrale Aufbauspieler Bargfrede in der ersten und Stürmer Füllkrug in der letzten Linie waren somit oft die einzigen beiden Spieler, die sich in der Mittelspur aufhielten. Ziel war es erneut, den Ball im Idealfall direkt von der ersten Linie in Richtung Füllkrug zu spielen, der dann auf Osako oder Rashica klatschen lassen sollte. So wollte man die beiden Letztgenannten mit Blickrichtung gegnerisches Tor ins Spiel bringen, wo beide ihre größten Stärken haben. Die Heidenheimer erwischten im Spiel gegen den Ball allerdings einen guten Tag und verteidigten nahezu alle Angriffsbemühungen der Heimelf weg.


Bildunterschrift: Die Positionierung der Werderaner ist so gewählt, dass der Ball im Idelfall von Bargfrede (44) direkt auf Füllkrug (11) gespielt werden kann (siehe gelber Pfeil). So hätte man mit einem Zuspiel bis zu fünf Gegner aus dem Spiel nehmen können. Darüber hinaus sollten sich Osako (8) und Rashica (7) nie in einer vertikalen Linie mit den Achtern Klaassen (30) und Eggestein (35) aufhalten, um sich selbst nicht um eine Anspielmöglichkeit zu berauben. Linksverteidiger Friedl (32) nahm eine weitaus höhere Positionierung ein. Die manipulierte die Heidenheimer Grundordnung dahingehend, dass aus der nominellen Vierer- eine Fünferkette wurde, da Multhaup (17) seine Positionierung dem direkten Gegenspieler anpasste.

Heidenheim presst höher und wird fast belohnt

Die Gäste nahmen ebenfalls leichte Adaptionen in ihrem Matchplan vor. So agierten sie situativ in einem höheren Pressing als noch vor dem Seitenwechsel. Der größte Unterschied zeigte sich darin, dass nun auch Rückpasse zu den Innenverteidigern bzw. zu Tormann Jiri Pavlenka durchgepresst wurden. In diesen Situationen machte man es Werder schwer das eigene Aufbaudrittel zu erobern. So streuten die Heimischen des Öfteren auch lange Bälle auf den physisch präsenten Niklas Füllkrug ein, der die Bälle festmachen bzw. auf seine Kollegen weiterleiten sollte. Dieses höhere Pressing geschah allerdings wie gesagt nicht permanent, sondern lediglich situativ, was sich auch darin bemerkbar machte, dass es in der Ballbesitzstatistik kaum Veränderungen um Vergleich zu ersten Halbzeit gab (73:27 in Halbzeit 1, 67:33 in Halbzeit 2 – jeweils pro Werder).
Nachdem Werder-Kapitän Moisander in der 87. Minute für ein taktisches Foul die Ampelkarte sah, befanden sich die Gäste plötzlich in einer unverhofften Überzahl. Man hatte aber den Eindruck, dass die Elf von Trainer Schmidt mit dem Unentschieden auswärts zufrieden wären, weshalb trotz der numerischen Überlegenheit nicht mehr das letzte Risiko genommen wurde. Und trotzdem hatte Heidenheim den Matchball auf dem Kopf: Nach einer Ecke setzte sich Innenverteidiger Timo Beermann gegen den eingewechselten Fin Bartels durch, setzte den Kopfball allerdings knapp neben das Tor. So blieb es letztendlich beim 0:0.

Fazit

Werder wird mit dem Ergebnis naturgemäß nicht zufrieden sein. Gerade nach dem furiosen Kantersieg gegen Köln am vergangenen Samstag hatte man sich auch gegen Heidenheim eine ähnliche Durchschlagskraft in der Offensive gewünscht. Probleme im eigenen Ballvortrag gepaart mit einer leidenschaftlichen Abwehrleistung der Heidenheimer ließen dies allerdings einen frommen Wunsch bleiben. Die Gäste hingegen fahren mehr als zufrieden zurück in die Heimat, um sich in Ruhe auf das Rückspiel am kommenden Montag vorzubereiten. Man darf gespannt sein, welche taktischen Mittel sich Werder bis dahin überlegt, um das gegnerische Abwehrbollwerk zu knacken und so den Klassenerhalt zu sichern. Ein spannendes Rückspiel ist auf jeden Fall garantiert.

Mario Töpel, abseits.at

Mario Töpel

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